Zufrieden in der eigenen Welt

von | 26.11.2014 | Buchpranger, Kinder- und Jugendbücher

Ein wissbegieriges Schulkind. Eine Oma, die gern vergisst. Viele tote Hummeln auf dem Weg. Auf den ersten Blick wollen diese Stichpunkte nicht zusammenpassen. Doch die Autorin Kate de Goldi verwebt dies alles zu einer wunderschönen, stimmigen Erzählung in: „Die Anarchie der Buchstaben“.

Perry ist ein Mädchen. Sie spielt Klavier, hat in der Schule manchmal Schwierigkeiten, hat eine Förderlehrerin und sieht ihre Welt mit ihren Augen. Sie ist offen und wissbegierig und nimmt alles auf, was um sie herum passiert. Ihre Oma ist im Pflegeheim. Diese vergisst oft viele Dinge, manchmal auch Perrys Namen. Manchmal glaubt sie auch, Perry wäre ein Junge. Doch dies schüchtert die Schülerin nicht ein. Sie findet schnell einen Draht zu den Bewohnern des Heims, zum Pflegepersonal und zu ihrer Großmutter. Sie fühlt sich wohl bei ihrer Oma Honora Lee, auch wenn die alte Dame manchmal etwas komisch ist. Perry lernt auch die anderen alten Herrschaften und ihre Eigenarten im Heim kennen und nimmt sie alle, wie sie sind. Wie ein Kind es eben tut. Perrys Oma war wohl Lehrerin, also beschließt Perry, ein ABC-Buch für sie zu kreieren. Natürlich soll Oma mithelfen. Und die anderen auch. Es sollen nur Dinge darin sein, die zu Honora Lee passen. Natürlich geht da nicht alles in geordneten Bahnen, manches geht ganz schön durcheinander. Doch Perry lässt sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen.

Mit sehr einfachen Worten, wie aus Perrys Sicht geschrieben, erzählt Kate de Goldi eine bezaubernde Geschichte von einem Mädchen, das sich viele Gedanken macht, viele Fragen hat und das tut, was viele Erwachsene nicht können: Die Dinge so hinnehmen, akzeptieren, wie sie sind und damit arbeiten. Ihre Großmutter kann sich nicht mehr alles merken, lebt in der Vergangenheit. Dennoch findet Perry es toll, sie zu besuchen und genießt ihre manchmal eigenartige Weise. Dass die einfachen Worte, die schnell und flüssig zu lesen sind, sehr viel Tiefe zeigen, merkt man schnell, wenn man das Gelesene etwas sacken lässt. Perry sieht alles aus ihren Augen. Alltägliche Dinge, Handgriffe, die für jeden Menschen so normal sind, dass sie gar nicht mehr wahrgenommen werden, werden aufgezeigt. Weil sie Perry auffallen, weil sie nebenbei passieren. Und dennoch sind sie wichtig für Perry. Wie einfach das Leben eigentlich scheint, wie viele Gedanken sich Perry aber macht – und schlussendlich dann auch der Leser genau in diese Welt gezogen wird – zeigen auch die sehr schönen und ausdrucksstarken Illustrationen von Gregory O´Brien. Ein wunderschönes Buch, das so einfach wirkt und tiefgreifend ist, wie es nur sein kann. Ein Buch für jede Zeit und jede Gelegenheit. Ein Buch, das lange nachklingt und dazu verleitet, es immer wieder zur Hand zu nehmen.

Elisabeth

Die Anarchie der Buchstaben, Kate de Goldi (Autorin), Gregory O’Brien (Illustrator), Ingo Herzke (Übersetzer), Königskinder Verlag, 2014

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

2 Kommentare

  1. Avatar

    Der Verlag, in dem das Buch erschienen ist, ist ja scheinbar in aller Munde im Moment! Spannend, spannend – das Buch steht nun auf jeden Fall auf meiner Wunschliste.

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    • Bücherstadt Kurier

      Kann ich auf alle Fälle empfehlen! Es ist weder hochtrabend geschrieben noch mit komplizierten Worten und dennoch: immer wenn man das Buch zumacht, klingt die Geschichte nach, man denkt darüber nach. Und sehr oft mit einem feinen Schmunzeln auf den Lippen. Die Sichtweise des Kindes ist manchmal einfach wunderschön. 🙂 (Elisabeth)

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