„Dragon Age“: Politik, Magie und Weltenbau

von | 08.04.2017 | Digitale Spiele, Entscheidungsbasierte Spiele, Spielstraße

In der Welt von Thedas herrscht niemals Mangel an länderverschlingenden Gefahren, politischer Intrigen, zivilisatorischer Konflikte und Offenbarungen lang vergessener Geschichte. Dreimal schickte Bioware die Spieler in der Rolle eines Helden wider Willen in den Kampf um den Fortbestand der Welt und ließ sie tiefer und tiefer in die Mysterien hinter den Vorkommnissen in Ferelden, Orlais, Kirkwall und Co. eintauchen. – Von Codejäger Peter

Welt am dauerhaften Abgrund

Die Rollenspielreihe im „Dragon Age“-Universum beginnt mit einer denkbar einfachen Ausgangslage: Alle paar Jahrzehnte taucht eine Armee mordender orkähnlicher Wesen namens Darkspawn, unter Führung eines Archdemon, aus den Tiefen der Welt auf und überzieht das Land mit Krieg und Zerstörung. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines angehenden Grey Warden, deren Bruderschaft nur einer Bestimmung folgt: Die Darkspawn zu bekämpfen und den Archdemon zu töten. Dieses simple Szenario vertieft und verzweigt sich jedoch schnell, da sich die Hintergründe und Gesetze der Welt von „Dragon Age“ Stück für Stück entschlüsseln und eine Vielfalt von Themen und Motiven preisgeben. Von Sklaverei über Völkermord, Rassismus, Armut, Religion bis hin zu den Ursprüngen der Existenz als solcher sind Teil der Erzählung.

In der Rolle des Entscheidungsträgers?

Ähnlich der „Mass Effect“-Saga verläuft die Handlung anhand bekannter Rollenspielmechaniken, die sich im Verlauf der Reihe, wie schon bei MS gewandelt haben. Während „Dragon Age: Origins“ am ehesten einem klassischen Rollenspiel entsprach, war „Dragon Age 2“ eher mit einem Ableger von „Mass Effect“ zu vergleichen und Inquisition eine Mischung aus „Mass Effect“ und einem großangelegten MMO. Dazu kommt ein (zumindest im ersten Teil) nuanciertes Dialogsystem, welches ermöglicht, die Handlung mitzugestalten. Hierbei erlauben die Spiele stets Eingriffe in den Verlauf des Geschehens, selten jedoch tatsächlichen Einfluss auf das Ergebnis in großem Maßstab.

Die Mehrzahl der Entscheidungen dreht sich um die persönlichen Schicksale der Protagonisten und anderer Charaktere, was jedoch das Erlebnis und die emotionale Verbindung zur Welt und den Figuren vertieft und festigt. Dabei soll das nicht heißen, die Entscheidungen hätten keinerlei Konsequenzen auf höheren Ebene. Vor allem auf den sogenannten World-State von „Dragon Age: Inquisistion“ (DS3). Die eingeschlagenen Wege von DS1 und DS2 bestimmten beispielsweise, wer im Königreich Ferelden auf dem Thron sitzt oder welche Charaktere erneut auftreten, jedoch hat dies keinen tatsächlichen Einfluss auf den Spielablauf als solchen, sehr wohl jedoch auf das Narrativ. Die Emotionen und Reaktionen der einzelnen Figuren, ihre Weltanschauung und ihre Antworten und Fragen verändern sich, abhängig von den über hundert impliziten und expliziten Entscheidungen der vergangenen Teile.

Ein Fantasykonglomerat

„Dragon Age“ bedient sich offen vieler unterschiedlicher Inspirationen aus anderen Ablegern des Fantasy-Genres jeden Mediums. Von der an „A Song of Ice and Fire“ angelehnten politischen Intrige hin zu an den „Herr der Ringe“ angelehnte Schlacht- und Kulturszenarien und die Rassen sowie Kulturen von „Thedas“. Sogar direkte Anspielungen und Easter eggs (dh. lustige Verweise auf Bekanntes aus anderen Werken verschiedener Medien) verweisen auf die Wurzeln von „Dragon Age“. Dabei ist „Dragon Age“ jedoch stets mehr als nur gut gemachte Neuzusammensetzungen oder Zitate, sondern baut auf dieses Fundament eine eigene Kulturgeschichte und Mythologie sowie politische Situation, welche sich auf sehr philosophische Weise mit ernsthaften Themen beschäftigt. Einige der zentralen Themen sind beispielsweise Rassismus, Kolonialismus, Sklaverei, Religion und Theorien der Herrschaft.

Ein Koloss unter Kolossen

Die „Dragon Age“-Trilogie ist in ihren Ausmaßen so gewaltig, dass es unmöglich scheint, alle ihre Aspekte geschlossen zu besprechen. Dabei trägt diese Größe dazu bei, die Thedas als lebendige und glaubwürdige Welt wahrzunehmen. Die Charaktere sind zwar stets überzeichnet, jedoch lebensnah genug, um sich zu identifizieren und die tiefgreifenden Hintergründe klar aber auch mysteriös genug, um stets das Interesse am Geschehen wach zu halten. Bioware hat ein Epos geschaffen, dessen Ende noch nicht in Sicht ist und den Spielern genug Freiheit in ihrer ausgeklügelten Erzählung zugesteht, um den Eindruck von Einfluss und Freiheit auf die Welt am Leben zu erhalten. Diese Balance hält „Dragon Age“ raffiniert und hat sich seinen Platz an der Spitze der narrativen Rollenspielwelt neben den Teilen der „Elder Scrolls“ Reihe und „The Witcher“ verdient.

Dragon Age: Origins, Dragon Age 2, Dragon Age: Inquisistion. Bioware. Electronic Arts. Veröffentlichung: 2009, 2011, 2014.

Ein Beitrag in der Reihe um entscheidungsbasierte Spiele.
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