„Zusammenkunft“: Die Aussicht auf Zugehörigkeit #OwnVoicesBK

by Worteweberin Annika

ZusammenkunftWas brin­gen ein lukra­ti­ver Job, eine Eigen­tums­woh­nung in Lon­don und ein Part­ner aus dem alten eng­li­schen Geld­adel, wenn man als Schwarze Frau trotz­dem immer wird kämp­fen müs­sen? Worte­we­be­rin Annika hat dem Hör­buch „Zusam­men­kunft“ von Nata­sha Brown gebannt gelauscht.

„Ich muss mich ernst­haft mit der Frage beschäf­ti­gen: Warum leben? Warum mich wei­ter­hin ihrem redu­zie­ren­den Blick aus­set­zen, die­sem ver­nich­ten­den Objekt­sein? Warum meine eigene Ent­mensch­li­chung dulden?“

Ein 40. Hoch­zeits­tag soll auf dem Anwe­sen gefei­ert wer­den, das aus­sieht wie die Aqua­rell­zeich­nun­gen in eng­li­schen Kin­der­bü­chern. Die namen­lose Prot­ago­nis­tin in „Zusam­men­kunft“ spürt schon bei ihrer Ankunft den „pul­sie­ren­den Natio­na­lis­mus“ der Gegend und wird auf jedem Meter in die­sem Vier­tel, mit jedem Wort im Gespräch mit den Jubi­la­ren auf die Pri­vi­le­gien gesto­ßen, die sie nie genie­ßen durfte. Als Schwarze Frau sitzt sie hier auf dem Prä­sen­tier­tel­ler, noch dazu, weil sie die Freun­din des Soh­nes ist:

„Es gibt die Aus­sicht auf Zuge­hö­rig­keit, oh ja. Ein erzäh­le­ri­scher Höhe­punkt in der Geschichte mei­nes sozia­len Auf­stiegs. Und natür­lich wuss­ten sie – die Fami­lie und die Gäste –, dass ich eine sol­che Ein­la­dung nie­mals aus­schla­gen könnte. Man wird mich beob­ach­ten. Das ist mein Eintrittspreis.“

Nata­sha Brown blät­tert in „Zusam­men­kunft“ nach und nach das Leben der Prot­ago­nis­tin vor uns auf, gibt in ver­schie­de­nen Moment­auf­nah­men Ein­bli­cke in ihre Arbeit in der Finanz­bran­che, wo sie als Aus­hän­ge­schild für Diver­si­tät gilt, erklärt uns die Zweck­be­zie­hung, nimmt uns mit zu Arzt­be­su­chen. Auch wenn aus der Ich-Per­spek­tive erzählt wird, bleibt der Ton sach­lich, neu­tral, die Haupt­fi­gur stets ana­ly­tisch und berech­nend. Im Hör­buch trans­por­tiert das auch die Spre­che­rin Benita Sarah Bai­ley gekonnt durch einen nüch­ter­nen, sach­li­chen Ton.

Der Roman kul­mi­niert in einem Spa­zier­gang durch das Vil­len­vier­tel kurz vor dem Beginn der Gar­ten­party. Hier wer­den der Prot­ago­nis­tin all ihre Pro­bleme schmerz­lich bewusst, wäh­rend Sze­nen von All­tags­ras­sis­mus vor ihren Augen vor­bei­zie­hen. Gekonnt wer­den die Fol­gen des Kolo­nia­lis­mus spür­bar gemacht, die noch heute das Leben Schwar­zer und wei­ßer Men­schen prä­gen, Vor­ur­teile näh­ren und die Prot­ago­nis­tin schließ­lich zu einer fol­gen­schwe­ren Ent­schei­dung führen.

Nata­sha Browns Debüt­ro­man wurde in der eng­li­schen und inter­na­tio­na­len Presse gefei­ert, und das zu recht. Er ist sprach­lich über­zeu­gend erzählt, arbei­tet mit tol­len Bil­dern und lässt die Leser*innen trotz (oder gerade wegen) sei­ner Nüch­tern­heit schwer schlu­cken. „Ich lehne die­ses Leben ab“, schluss­fol­gert die Prot­ago­nis­tin am Ende ihres Spa­zier­gangs – und auch, wenn man als Leser*in oder Zuhörer*in selbst in einer Aqua­rell­zeich­nung voll Pri­vi­le­gien auf­ge­wach­sen ist, kann man das gut verstehen.

Zusam­men­kunft. Nata­sha Brown. Über­set­zung: Jackie Tho­mae. Gele­sen von Benita Sarah Bai­ley. DAV. 2022.

Ein Bei­trag zum The­men­jahr #Own­VoicesBK. Alle Bei­träge fin­det ihr hier.

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