Zu viel versprochen

von | 10.02.2020 | Belletristik, Buchpranger

„Ein Muss für alle Agatha-Christie-Fans“ preist der Verlag „Tod in der Bibliothek“ im Klappentext an. Doch außer dem Titel, der eindeutig an Agatha Christies „Die Tote in der Bibliothek“ angelehnt ist, fühlte Zeilenschwimmerin Ronja sich überhaupt nicht an die Queen of Crime erinnert.

Der Mord an einem Priester führt Detective Inspector Strafford aufs Land. Der Priester wurde, erstochen und eines Körperteils entledigt, in der Bibliothek eines Herrenhauses gefunden, in dem er regelmäßig zu Gast war. Der Hausherr besteht darauf, dass es ein Einbrecher gewesen sein muss, und die Hausherrin kann kaum einen klaren Gedanken formulieren. Auch sonst scheint niemand mit Strafford sprechen zu wollen und die Ermittlungen drohen zu scheitern.

So bleibt es auch den größten Teil des Romans. Frustrierend lange gibt es keine fallrelevanten Informationen. Der Inspector scheint einfach nur vor sich hin zu ermitteln, ohne Ergebnisse. Erst auf den letzten 100 Seiten nimmt das ganze endlich Fahrt auf, doch die dann gegebenen Hinweise machen allzu schnell deutlich, worauf alles hinaus läuft. Dabei wirkt es, als stolpere der Inspector auch eher zufällig über die Lösung. Das alles ist weit entfernt von den gewitzten Verwirrungen zum Mitraten, derentwegen ich Agatha Christie so schätze.

Hinzu kommt, dass der Ermittler in seiner Planlosigkeit zusätzlich auch ein sehr flacher Charakter ist, der sich am deutlichsten dadurch auszeichnet, sämtliche jüngere Frauen in seiner Umgebung (die Hausherrin, ihre Stieftochter sowie das Zimmermädchen seiner Unterkunft) als potentielle Partnerin zu betrachten – und mit zwei von dreien sogar intimer zu werden. Nicht nur, dass ihn umgekehrt scheinbar auch alle Frauen interessant finden, diesen unnötigen und für den Fall völlig irrelevanten mehr oder weniger romantischen Abschnitten wird auch noch übermäßig viel Raum eingestanden.

Vereinzelt etwas verwirrt war ich durch die kontinuierlich aufgerufene Trennung zwischen Protestanten und Katholiken. Meine Kenntnisse des irischen Religionenkonflikts (der Krimi spielt im Irland der 50er-Jahre) gehen da nicht weit genug. Für den Fall an sich sind auch keine vertieften Kenntnisse notwendig. Es ist mehr ein ständiges Hintergrundrauschen, das allerdings für Nicht-Kenner der irischen Geschichte wie mich etwas enervierend sein kann. Zumal ich nicht verstehe, woher immer alle sofort wissen, dass der Inspector der protestantischen Minderheit angehört, nachdem er kaum zwei Sätze gesprochen hat.

Ich konnte „Tod in der Bibliothek“ nicht viel abgewinnen, möchte aber nicht verschweigen, dass es durchaus gut lesbare und grundlegend gut erzählte Unterhaltung war. Zusätzlich wurde JB Lawless (dieser Name ist hoffentlich ein Pseudonym) vom Verlag durch den Vergleich mit Agatha Christie in sehr große Fußstapfen gedrängt, die gerade für Fans nur schwer auszufüllen sind.

Tod in der Bibliothek. JB Lawless. Übersetzung: Elke Link. Kiepenheuer & Witsch. 2019.
Erhältlich in der Buchhandlung eures Vertrauens.

 

Bücherstadt Magazin

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