Wo Frauen übers Schreiben schreiben…

von | 12.01.2016 | Belletristik, Buchpranger

…ist die Liebe zu dem vielleicht schönsten, aber auch anstrengendsten aller Berufe auf jeder Seite zu spüren. Edition fünf hat in der Anthologie „Ein Haus mit vielen Zimmern“ die Texte der renommiertesten Schriftstellerinnen aus Deutschland und der Welt zusammengestellt. Buchstaplerin Maike hat dieses Haus betreten.

Ein Haus mit vielen ZimmernWie kann man ein Buch beschreiben, das sich mit Hingabe dem Schreiben widmet, und das sowohl hinsichtlich der Autorinnen als der Texte vielfältiger kaum sein kann? Denn schnell wird klar: „Ein Haus mit vielen Zimmern“ ist für mich ein Who is Who der bemerkenswerten Schriftstellerinnen der Neuzeit und auch ein kleines Nachschlagewerk der unbekannteren Texte feministischer Autorinnen. Doch es geht weder durchgehend wissenschaftlich noch abstrakt zu – die Anthologie versammelt nicht nur die verschiedensten Gattungen von Kurzgeschichten über Gedichte bis hin zu Essays.
Auch inhaltlich werden mal poetische Töne angeschlagen, wenn Nora Gomringer Erstaunliches mit der Sprache anstellt, mal freche, wenn Antje Rávic Strubel vom Dasein der Mädchen im Literaturbetrieb erzählt. Dann wieder lässt Tove Jansson ihre Heldin messerscharf beobachten und Ali Smith stellt mit bittersüßem Humor die Frage, warum eine Kurzgeschichte wie eine Nymphe ist. Und auch Überlegungen über Geschlecht kommen nicht zu kurz. Siri Hustvedt geht schreibend ihrer männlichen Seite nach, während Virginia Woolf uns mit der Erkenntnis überrascht, dass die Überlegungen über die Benachteiligungen berufstätiger Frauen heute noch fast genauso gültig sind wie vor einhundert Jahren.

Anthologien sind wohl oft ein bisschen wie eine Pralinenschachtel und jeder findet andere Lieblingstexte darin, zu denen häufiger geblättert wird als zu anderen. Hin und wieder bleiben beim Lesen überraschende Details in Erinnerung – etwa, dass Virginia Woolf sich von ihrem ersten Honorar eine Katze kaufte, oder dass laut Sylvia Plath Zahnbürsten in Gedichten einfach nichts zu suchen haben.
Was am Buch über den Inhalt hinaus begeistert, ist die liebevolle Gestaltung. Der Beginn jedes Textes ist ein wenig anders und vor allem originell gestaltet. Überschriften kippen und Initialen sind anders als man sie gewohnt ist: Das typographische Spiel mit den Worten spiegelt das schriftstellerische mit einem Augenzwinkern wider, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

Für mich ist „Ein Haus mit vielen Zimmern“ ein inspirierendes Buch, zu dem ich immer mal wieder greifen kann. Nicht nur, weil darin so viele Texte von Frauen versammelt sind, sondern auch, weil mit jeder Seite die Liebe zum Schreiben deutlich wird.

Ein Haus mit vielen Zimmern. Herausgegeben von Sophia Jungmann und Karen Nölle;
u.a. mit: Maragret Atwood, Tania Blixen, Siri Hustvedt, Anna Seghers, Virginia Woolf. edition fünf. 2015. 

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