Winterzauber – Winterhorror

von | 19.10.2017 | #Todesstadt, Buchpranger, Specials

„Dieser Roman lässt deine Knochen und dein Herz gefrieren.“ So prangt das Fazit von Horror-Altmeister Stephen King höchstpersönlich auf dem Titelblatt zu „Snowblind – Tödlicher Schnee“. Autor Christopher Golden möchte einen Stephen King-Roman schreiben – doch wird seinem Vorbild nicht ganz gerecht, muss Erzähldetektivin Annette feststellen.

Zwölf Jahre ist es her, seit Coventry in einem grausigen Schneesturm versank. Über ein Dutzend Tote hatte das kleine Städtchen in Neuengland damals zu beklagen. Todesfälle, die tiefe Spuren in den Leben der Hinterbliebenen hinterlassen haben. Jetzt steht Coventry ein noch viel schlimmerer Schneesturm bevor. Und auf das Grauen, das dieser mit sich bringen wird, ist niemand vorbereitet.
Erzählt wird aus Sicht verschiedener Personen, die vor zwölf Jahren jemanden verloren haben. Ein junger Fotograf trauert um seinen Bruder, ein Restaurantbesitzer um seine Mutter und ein Automechaniker und Gelegenheitsdieb vermisst seine Frau. Detective Joe Keenan hat den traumatischen Tod zweier Jungen nicht verwunden, deren Leben er im damaligen Sturm doch hätte retten sollen.

Wechselnde Erzählperspektive als Highlight

Die Perspektivenwechsel sind definitiv ein Pluspunkt des Buches und geben Figuren wie Handlung mehr Tiefe. Nach und nach setzt sich so auch für die Leser ein Bild des Grauens wie ein Mosaik zusammen und an einigen Stellen nehmen die Geschehnisse derart Fahrt auf, dass sie völlig in ihren Bann ziehen. Auch die Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart trägt zum Unterhaltungswert des Buches bei. Goldens Schreibstil ist dabei einfach, aber effektiv, auch wenn die häufigen Wiederholungen einiger Adjektive und Beschreibungen etwas störend und unbeholfen wirken.

Leider bleibt die eigentliche Handlung jedoch weit hinter diesen positiven Aspekten zurück. Während die Einwohner Coventrys noch dem Blizzard die Schuld an ihren Verlusten geben, wird den Lesern schnell klar, dass etwas Böses in dem Schneegestöber lauert. Während sich dieses beim letzten Sturm einige Opfer einverleiben konnte, wirkt der Grund, Jahre später nach Coventry zurückzukehren, lächerlich. Es soll nicht zu viel verraten werden, doch im weiteren Verlauf ergreifen Seelen Besitz von lebendigen Körpern und ein Geist warnt seine Liebsten vor dem drohenden Unheil. Die Motivation der Lebenden bleibt dabei ebenso platt, wie die Beschreibung der sie bedrohenden Gefahr.
Zeichnen sich Kings Werke durch eine sich langsam aufbauende Bedrohung aus, die sich nach und nach den Weg in den Alltag sucht, kommt das Grauen in „Snowblind“ mit Pauken und Trompeten, wodurch sich leider keine gelungene Gruselatmosphäre einstellen möchte. Zu abgehakt entwickeln sich die Ereignisse und zu leicht macht es sich der Autor mit seiner Auflösung.

Zwar gelingt es Golden sehr gut, die Kälte, Einsamkeit, aber auch Schönheit von Winter, Schnee und Sturm einzufangen. Die Sehnsucht der Protagonisten danach, sich mit Tee und einem guten Buch vor den Kamin zu kuscheln, überträgt sich auch auf die Leser. Alles in allem wird das Werk dem scheinbaren Anspruch des Autors jedoch nicht gerecht. Horrorfans, die eher Unterhaltung als eine durchdachte Gruselgeschichte wollen, können hier fündig werden. Insgesamt sollte für einen atmosphärisch-gemütlichen Abend auf der heimischen Couch jedoch lieber gleich zum „Original“ Stephen King gegriffen werden.

Snowblind – Tödlicher Schnee. Christopher Golden.
Übersetzung: Stephanie Pannen. Cross Cult. 2017.

Ein Fund aus der Todesstadt.

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