Wieso hast du Schiss, darüber zu sprechen?

von | 26.04.2022 | #OwnVoicesBK, Buchpranger, Sach- und Fachbücher, Specials

Psychische Erkrankungen sind für viele immer noch ein Tabu-Thema. Der Comedian Kurt Krömer hat mit diesem Tabu gebrochen und erzählt in „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ von seiner Depression. – Von Zeilenschwimmerin Ronja

Letztes Jahr stolperte ich zufällig über eine Folge von „Chez Krömer“ (rbb), in der Torsten Sträter zu Gast war. Die Sendung ist im Allgemeinen nicht so mein Fall, doch diesmal blieb ich hängen. Kurt Krömers freche, gern auch mal derbe Berliner Art trat hier in den Hintergrund. Es wurde auch kein Feuerwerk der Comedy. Stattdessen entspann sich ein aufrichtiges, ernsthaftes (und trotzdem auch mal lustiges) Gespräch über ihre Depressionen, das mit der Frage begann: „Wieso hast du Schiss darüber zu sprechen?“

Für Kurt Krömer (eigentlich Alexander Bojcan) war es das erste Mal, dass er öffentlich über seine Depression gesprochen hat – und er wurde daraufhin von der Vielzahl der positiven, dankbaren, aber auch hilfesuchenden Nachrichten überwältigt. Auch daraus entstand wohl die Idee für dieses Buch: „Ich kann nicht akut helfen, alles, was ich kann, ist meine Geschichte erzählen.“ (S. 13)

Diese Geschichte ist keine vollständige Biografie, aber natürlich schildert Bojcan Episoden aus seinem Leben, um die Depression anschaulich zu machen. Dabei ist das Buch in drei Abschnitte unterteilt. Teil eins widmet sich überwiegend dem Leben mit der Depression und ihren Symptomen. In Teil zwei berichtet Bojcan von seiner Therapieerfahrung und im kürzesten dritten Teil geht es um „das Danach“.

„Ich habe mich doch auf ein schönes, unterhaltsames Depressionsbuch gefreut.“ (S. 20)

Ertappt. Anfangs war ich wirklich überrascht vom Ton des Buches. Sicher habe ich nicht erwartet, es sei ein zum Schreien komisches Buch über so ein ernstes Thema, nur weil es von einem Comedian geschrieben wurde. Aber eine gewisse (naive) Erwartung war dennoch da. Das soll nicht heißen, dass es gar nichts zu lachen gibt. Gerade im zweiten Teil finden sich ein paar nette Anekdoten. Obwohl (oder gerade weil?) es Bojcan wohl zuerst schwer fiel, über seinen Klinikaufenthalt zu schreiben, ist dieser Abschnitt die besondere Stärke des Buches.

„Ich hatte eine schwere Depression, jetzt rede ich öffentlich darüber und kriege mordsmäßigen Zuspruch. Viele, viele Menschen haben gesagt: ‚Das ist geil. Das war stark, dieses Thema mal öffentlich zu machen.‘ Wenn das meine Fähigkeit sein sollte, Tabuthemen öffentlich anzusprechen, dann bin ich gerne der Ex-Depressive, der über seine Krankheit spricht.“ (S. 190)

Vor allem überzeugt das Buch aber mit einer Ehrlichkeit, die mich auch bei der „Chez Krömer“ Folge mit Torsten Sträter fesselte. Hier spricht nicht die Kunstfigur Kurt Krömer, auch wenn sie ihren Namen als Blickfang sicher gern zur Verfügung gestellt hat.

Für wen ist nun dieses Buch? Für Fans von Kurt Krömer, sicherlich. „Für alle, die Fragen habe zur Leidensgeschichte von Kurt Krömer […].“ (S.72) Aber auch für Leute, die mit der Kunstfigur Kurt Krömer eher wenig anfangen können (oder sie auch gar nicht kennen), dafür aber einen ermutigenden (und stellenweise lustigen) Erfahrungsbericht eines (ehemals) depressiven Menschen lesen möchten.

Du darfst nicht alles glauben, was du denkst. Kurt Krömer. Kiepenheuer & Witsch. 2022.

[tds_note]Hier geht es zur genannten Folge „Chez Krömer“ mit Torsten Sträter.

Ein Beitrag zum Themenjahr #OwnVoicesBK. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]

[tds_warning]Informationen und Hilfe für Betroffene und Angehörige

www.deutsche-depressionshilfe.de
www.diskussionsforum-depression.de
www.fideo.de (Diskussionsforum für Jugendliche ab 14 Jahren)

Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 (24|7 besetzt, kostenfrei)

Deutschlandweites Info-Telefon Depression: 0800 33 44 5 33 (kostenfrei; Mo, Di, Do: 13:00 – 17:00 Uhr & Mi, Fr: 08:30 – 12:30 Uhr)

In akuten Krisen und bei Suizidgedanken wendet euch bitte an behandelnde Ärzte, Psychotherapeuten oder den Notruf 112.[/tds_warning]

Ronja Storck

Ronja Storck

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