Wenn Nosferatus Schwester in deiner Wohnung stirbt…

von | 28.04.2015 | Belletristik, Buchpranger

Wenn Nosferatus Schwester in deiner Wohnung stirbt, heißt du vermutlich Loretta Luchs. Das ist die unfreiwillige Ermittlerin in Lotte Mincks Ruhrpott-Krimis. Eigentlich arbeitet Loretta bei einer Sexhotline, doch in ihrer Umgebung sterben immer wieder Menschen eines unnatürlichen Todes, diesmal sogar direkt in ihrer Wohnung. Ein gut lesbarer Regionalkrimi, der auch außerhalb des Ruhrpotts verständlich ist. – Von Zeilenschwimmerin Ronja

Nosferatus Schwester, so hat Loretta die unfreundliche und ständig alkoholisierte Agentin der jungen Schauspielerin Emily getauft. Nach einigen Drohanrufen flüchtet Emily zu Loretta. Als ihre Agentin sie völlig betrunken besucht und plötzlich umkippt, geht erst einmal niemand von Mord aus. Nach und nach erscheint Loretta das alles doch etwas seltsam. Als schließlich noch fast lebensechte Puppen in Särgen auftauchen, hat sie genug und will nur noch eins: Ihre Ruhe.

Der Beruf der Hauptfigur ist eine erfrischende Abwechslung zu den häufiger vertretenen Kommissaren, Detektiven und Journalisten. Loretta ist aber keinesfalls verrucht, vielmehr ist sie erfreulich normal, muss wegen ihres Berufs aber oft mit Vorurteilen kämpfen. Allgemein sind die meisten Charaktere sehr natürlich und die Unterhaltungen realistisch. Ein großer Pluspunkt.

Enttäuschend ist jedoch die Entwicklung der in die Geschichte verstrickten Schauspieler. Anfangs erscheinen sie als ganz normale Menschen, etwas exzentrisch vielleicht, aber wer hat schließlich keine kleinen Macken? Später verfällt Minck jedoch leider in das Klischee der egozentrischen, publicitysüchtigen Darsteller mit Stimmungsschwankungen, die selbst einen Mord als „Inspiration“ sehen.

Ruhrpott und Nordsee…

Bei einem Regionalkrimi sind eigentlich konkrete Verweise auf bestimmte Sehenswürdigkeiten einer Stadt oder Region zu erwarten. Nicht jedoch hier. Lotte Minck verzichtet sogar ganz auf die Nennung einer bestimmten Stadt. Auch den Dialekt setzt sie nur bei einigen wenigen Nebenfiguren ein, womit der Krimi auch überregional verständlich ist.

Noch mehr Überregionalität ergibt sich durch eine recht starke Verknüpfung zur Nordsee, da die beste Freundin der Hauptfigur zu Beginn des Buches dorthin zieht. Das wiederum hängt mit einem Urlaub im vorigen Roman zusammen. Auf die dortigen mörderischen Erlebnisse der beiden wird mehr als einmal verwiesen, was ein gängiges Mittel in Fortsetzungsromanen ist, um neugierig zu machen und gleichzeitig Zusammenhänge zu erklären. Nach dem dritten Hinweis hat es allerdings wohl jeder verstanden und Mincks Vorliebe dafür, ihre Hauptperson alle halbwegs wichtigen Vorfälle des aktuellen Romans mehr als einmal zusammenzufassen, knabbert zusätzlich etwas am Geduldsfaden.

Entschädigt wird man dafür allerdings mit teilweise recht unterhaltsamen Szenen, auch wenn sich über Lorettas Humor (und den der anderen Figuren) sicher manchmal streiten lässt.

Wenn der Täter unter ihnen ist…

Der eigentliche Fall kommt leider erst nach etwa einem Drittel des Buches ins Rollen. Ab diesem Zeitpunkt besitzt der Krimi jedoch einen vernünftigen Spannungsbogen und hält sich erfreulicher Weise auch an die inoffizielle Regel, dass der Täter keine völlig unbekannte Figur sein sollte, damit beim Lesen mitgeraten werden kann. Das Privatleben von Loretta hat gegenüber dem Fall jedoch Vorrang. Ob das nun gut oder schlecht ist, entscheiden die jeweils eigenen Vorlieben.

Auch wenn es kleinere Kritikpunkte gibt, ist „Wenn der Postmann nicht mal klingelt“ ein gut konstruierter Krimi, der sich flüssig lesen lässt und neugierig auf die anderen Fälle von Loretta Luchs macht. Eine nette Unterhaltung für Zwischendurch, nicht nur für die nächste Reise in den Ruhrpott.

Wenn der Postmann nicht mal klingelt. Lotte Minck. Droste Verlag. 2015.

Bücherstadt Magazin

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