Wenn Engel Plätzchen backen: Die Welt erklären mit Geschichten

von | 18.03.2021 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Zusammenhänge deuten und verstehen – gerade dann, wenn wir mit schwer fassbaren und umstrittenen Ereignissen konfrontiert sind, ist das ein tiefes menschliches Bedürfnis. Dabei geht es nicht allein um ein sachliches Erklären. Es geht auch um die Weisheit von Geschichten und um die tröstende Kraft der Poesie, die Bilder in uns weckt. Deshalb waren und bleiben Krisenzeiten in besonderer Weise Erzählzeiten. – Von Bücherstädterin Susanne Brandt

Geschichtenerzählen – das scheint etwas zu sein, was Menschen mit großer Ausdauer, bewusst oder unbewusst, über lange Zeiträume mal spielerisch, mal gedrängt von schwer lösbaren Fragen betreiben und dabei aus einem riesigen Vorrat an poetischen Bildern schöpfen können.

Der Autor Christian Peitz nimmt die Lesenden mit seinem neuen Buch „Wenn Engel Plätzchen backen” mit auf eine Entdeckungsreise zum Urgrund des Erzählens in der Geschichte der Menschheit wie in der Lebensgeschichte eines jeden einzelnen Menschen. Er geht dazu weit zurück in die Entwicklung des Denkens – Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung – und vergleicht Strukturen des Bewusstseins in der Phylogenese und Ontogenese.

Dabei gelingt ihm bei aller Komplexität des Themas immer wieder eine Anknüpfung an persönliche Erfahrungen, indem er zu jedem Abschnitt Reflexionsfragen für die Biographiearbeit anbietet und es durchgängig schafft, das Thema gut nachvollziehbar zu strukturieren: etwa durch die Darstellung von fünf Funktionen des Erzählens, durch die Herausarbeitung von Grundstrukturen (zum Beispiel der Heldenreise) im Märchen und durch eine hilfreichen Differenzierung nach verschiedenen literarischen Formen sowie Ansätzen, nach denen sich die Welt beschreiben lässt.

Bezüge zu einem breiten Spektrum an europäischer wie außereuropäischer Fachliteratur zum Thema, ergänzt mit treffend ausgewählten Zitaten von Khalil Gibran, Schiller oder Novalis, bilden ein tragfähiges Fundament für seine Ausführungen und öffnen Perspektiven zum Weiterlesen.

Sympathisch ist, dass das letzte Kapitel einen Ausblick zeigt und mit einem Fragezeichen endet. Denn zur langen Geschichte des Geschichtenerzählens gehört es auch, dass sie immer wieder neu im Licht der aktuellen Lebenswirklichkeit bedacht werden muss – durch Menschen, die erzählen.

Ich persönlich bin nach der Lektüre mit dem Buch in den Garten gegangen und habe ihm – für das Foto dieses Beitrags – einen Platz zwischen frischem Grün auf alten Steinen gegeben. Und ich ahne schon, dass auch bei dieser Entscheidung bestimmt Geschichten mit im Spiel waren…

Wenn Engel Plätzchen backen. Wie Erzählungen und Bilder die Welt erklären. Christian Peitz. TimpeTe. 2020.

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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