Wenn digitale Medien verteufelt werden

by Zeichensetzerin Alexa

Puh, ich musste jetzt einige Wochen über­le­gen, was ich mit dem Bil­der­buch „Komm, wir wol­len spie­len!“ von Ilan Bren­man und Rocio Bonilla mache. Denn der hier dar­ge­stellte Medi­en­um­gang kann natür­lich pro­ble­ma­tisch wer­den, aber ich bin grund­sätz­lich kein Fan von medi­en­pes­si­mis­ti­schen Betrach­tun­gen. – Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Im Kern geht es durch­gän­gig nur darum, dass der Prot­ago­nist Paul viel Zeit am Bild­schirm ver­bringt – und dabei alles um sich herum aus­blen­det. Wenn andere ihn zum Spie­len ein­la­den, reagiert er mit dem immer glei­chen Satz: „Aber ich spiele doch schon.“ Was in die­sem Bil­der­buch ver­mit­telt wird, sind Wert­un­ter­schiede: Ana­lo­ges Spie­len sei wich­ti­ger als digi­ta­les. Spie­len im Freien und mit ande­ren zusam­men sei fan­ta­sie­vol­ler und spa­ßi­ger als das, was das Kind am Bild­schirm tut.

Diese Ansicht wird nicht nur inhalt­lich ver­tre­ten, son­dern auch bild­lich: Wäh­rend Paul stets grau und ein­sam dar­ge­stellt wird, wer­den die spie­le­ri­schen Tätig­kei­ten ande­rer Kin­der und Fami­li­en­mit­glie­der auf ganz- oder auf­klapp­bar-dop­pel­sei­ti­gen, mit viel­fäl­ti­gen Far­ben fast kom­plett aus­ge­füll­ten Illus­tra­tio­nen prä­sen­tiert. Da ist Pauls Schwes­ter, die sich in der Bade­wanne vor­stellt, mit Mee­res­tie­ren in den Tie­fen des Mee­res zu schwim­men. Sein Freund Mar­kus, der eine Rakete und einen Astro­nau­ten­an­zug gebas­telt hat und sich aus­malt, wie er im Welt­all Außer­ir­di­schen begeg­net. Oder seine Eltern, die Aben­teuer in der Natur erle­ben. Nie­mand kann Paul zum Mit­spie­len ani­mie­ren, bis seine Groß­el­tern sich etwas Beson­de­res aus­den­ken: Sie gestal­ten einen Familienzirkus.

Warum aus­ge­rech­net diese Idee Paul über­zeugt, wird nicht klar. Und am Ende blei­ben einige wei­tere Fra­gen für das bes­sere Ver­ständ­nis offen: Zeigt sich in Pauls Medi­en­ver­hal­ten Sucht­po­ten­zial? Warum wid­met er sich lie­ber digi­ta­len Medien? Und was kon­kret spielt er da eigent­lich? Kann das, was er da macht, nicht auch die Krea­ti­vi­tät und Fan­ta­sie anre­gen? Warum spielt nie­mand mit ihm zusam­men ein digi­ta­les Spiel?

Die Kri­tik, die hier geübt wird, rich­tet sich ein­zig auf das Ver­hal­ten von Paul, aber nie­mand ver­sucht auch nur in Kom­mu­ni­ka­tion mit ihm zu tre­ten. Der in der Medi­en­päd­ago­gik oft ver­tre­tene Ansatz, sich mit dem Kind zusam­men mit Medien zu beschäf­ti­gen, um die davon aus­ge­hende Fas­zi­na­tion zu ver­ste­hen und diese im All­tag auf­zu­grei­fen, wird in die­sem Bil­der­buch kom­plett igno­riert. Ich hätte mir in die­ser Hin­sicht eine dif­fe­ren­zier­tere Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Thema früh­kind­li­ches Medi­en­ver­hal­ten gewünscht – auch mit Blick auf die Ver­mitt­lung von Medi­en­kom­pe­tenz. So wie das Bil­der­buch jedoch gestal­tet ist, ist es nichts wei­ter als die Ver­teu­fe­lung digi­ta­ler Medien, was aus mei­ner Sicht nicht mehr zeit­ge­mäß ist. Damit kann ich weder in der (medien)pädagogischen Arbeit noch als Mut­ter eines Klein­kin­des etwas anfan­gen – und somit auch keine Emp­feh­lung für das Buch aussprechen.

Komm, wir wol­len spie­len! Text: Ilan Bren­man. Illus­tra­tion: Rocio Bonilla. Jumbo. 2021. Ab 4 Jahren.

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