Weihnachtstipps: Sechs Bilderbuchschätze für Kinder

by Zeichensetzerin Alexa

Zwi­schen Weih­nachts­vor­be­rei­tun­gen, all­täg­li­chem Tru­bel und Lich­ter­ket­ten hat Zei­chen­set­ze­rin Alexa eine Truhe voll Ruhe und Bil­der­buch­schätze ent­deckt. Sechs die­ser Schätze hat sie für euch ins Schau­fens­ter des bücher­städ­ti­schen Buch­la­dens gestellt – kommt her­ein, wärmt euch am Kamin auf und stö­bert ein wenig!

Helfen und teilen: Die Sache mit den Tigerstreifen

Jas­min Schä­fer hat mit ihrem Bil­der­buch „Die Sache mit den Tiger­strei­fen“ ein far­ben­fro­hes Bil­der­buch über das Tei­len und Hel­fen gestal­tet. Im Mit­tel­punkt steht der Tiger, der sich eines Mor­gens auf den Weg macht. Unter­wegs begeg­net er unter­schied­li­chen Tie­ren, die seine Hilfe benö­ti­gen. Zunächst ver­sucht der Tiger, einem Hund dabei zu hel­fen, den Ball vom Baum her­un­ter­zu­ho­len. Doch Steine hoch­zu­wer­fen, zu klet­tern, eine Räu­ber­lei­ter zu machen und den Baum zu schüt­teln bringt nichts. Erst als der Tiger einige Tiger­strei­fen vom Fell ver­liert, schafft er es, eine Lei­ter zu bauen und den Ball vom Baum zu holen. Der Tiger geht wei­ter und hilft auf ähn­li­che Weise noch ande­ren Tie­ren: Mit sei­nen Strei­fen repa­riert er zum Bei­spiel das Dach der Käfer­fa­mi­lie und das Boot der Giraffe.

Am Ende des Tages kehrt der Tiger wie­der nach Hause zurück und muss fest­stel­len, dass alle seine Strei­fen ver­schwun­den sind. Dar­auf kann er die ganze Nacht nicht schla­fen. Doch am nächs­ten Mor­gen fin­det er ein Paket vor sei­ner Tür…

„Die Sache mit den Tiger­strei­fen“ ist eine Geschichte, die Freude berei­tet, weil sie zeigt, dass gute Taten Gutes her­vor­brin­gen kön­nen. Was man ande­ren gibt, kehrt am Ende zu einem selbst zurück – und dies kann viel schö­ner sein als das, was man zuvor hatte. Nicht zuletzt ist Tei­len und Hel­fen ein wun­der­ba­rer Anlass, Freund­schaf­ten zu knüp­fen. Diese Aus­sa­gen und die freund­li­che Gestal­tung des Bil­der­bu­ches machen „Die Sache mit den Tiger­stei­fen“ zu einem lesens- und ver­schen­kens­wer­ten Bilderbuch!

Teilen und reimen: Seht mal her, da sitzt ein Bär!

„Seht mal her, / da sitzt ein Bär / auf mei­nem Stuhl, / so dick und schwer, / und lässt für mich / kein Plätz­chen mehr. / Wir beide mögen / uns nicht sehr, / mit einem Stuhl / für Maus und Bär.“

Im Gegen­satz zum Tiger im Bil­der­buch „Die Sache mit den Tiger­strei­fen“ fällt es der Maus und dem Bären in „Seht mal her, da sitzt ein Bär!“ von Ross Coll­ins nicht so leicht, den ein­zi­gen vor­han­de­nen Stuhl zu tei­len. Was auch die Maus ver­sucht – den Bären mit Bli­cken „wie ein Speer“ anstar­ren, mit einer Birne vom Stuhl weg­lo­cken, kreuz und quer sprin­gen und viel mehr – der Bär bewegt sich nicht vom Fleck. Bis die Maus auf­gibt und davon­geht. Dass aber auch dies Teil eines Plans ist, erfährt der Bär recht bald…

„Seht mal her, da sitzt ein Bär!“ ist ein lus­ti­ges, in Rei­men ver­fass­tes Bil­der­buch zum Thema Tei­len. Vor allem auf den letz­ten Sei­ten ver­an­schau­licht es, dass etwas erst dann wirk­lich inter­es­sant ist, wenn es auch andere haben wol­len. Das Phä­no­men löst sich auf, sobald die Maus beschließt, davon­zu­ge­hen. Plötz­lich hat auch der Bär keine Lust mehr, auf dem Stuhl zu sit­zen. „Seht mal her, da sitzt ein Bär!“ bie­tet jeden­falls aus­rei­chend Dis­kus­si­ons­stoff für Kin­der: Warum will der Bär nicht tei­len? Wes­halb über­legt sich die Maus die­sen Plan? Und wie könn­ten die bei­den das Pro­blem mit dem Stuhl lösen? Ein schö­nes Buch zum Diskutieren!

Reimen und träumen: Nachts, wenn alles schläft…

„Nachts, wenn alles schläft, / rauscht der Wind in den Bäu­men. / Dann geh ich auf Rei­sen / in mei­nen Träumen.“

Wer gro­ßen Wert auf hoch­wer­tig gestal­tete Bil­der­bü­cher legt, sollte einen Blick in Britta Tecken­trups „Nachts, wenn alles schläft…“ wer­fen. Die Hap­tik sowie Ästhe­tik des Bil­der­bu­ches ver­mit­teln das Gefühl, etwas Wert­vol­les in den Hän­den zu hal­ten. Lay­out und künst­le­ri­sche Tech­nik tra­gen einen wich­ti­gen Teil dazu bei, dass die Bil­der anspruchs­voll erschei­nen: sich über­lap­pende Bild­ele­mente, ver­schie­dene Grund­mus­ter und Tech­ni­ken, die an Druck und Col­lage erin­nern. Die Far­ben sind hier­bei über­wie­gend dun­kel und somit zur The­ma­tik pas­send gesetzt. Es geht um ein Mäd­chen, das davon träumt, kleine Aben­teuer mit ihrem Freund, dem Löwen, zu erle­ben: durch die Nacht zu flie­gen, mit dem Wal zu tan­zen, tief ins Meer zu tau­chen. Eine schöne, anspre­chend gestal­tete Geschichte!

Träumen und erfinden: Der Fuchs und die verlorenen Buchstaben

Weih­nachts­zeit ist für mich auch immer Mär­chen­zeit. Im Stile eines Mär­chens ist das wun­der­schöne Bil­der­buch „Der Fuchs und die ver­lo­re­nen Buch­sta­ben“ von Pamela Zaga­ren­ski gestal­tet. Es erzählt auf eine beein­dru­ckende Weise von einem Mäd­chen, das ein Buch aus­leiht, unter­wegs aber alle Buch­sta­ben ver­liert. Wie aber soll es das Buch lesen, wenn die Buch­sta­ben feh­len? Da flüs­tert eine Stimme: „Lie­bes Kind, sei nicht ent­täuscht. Du kannst dir die Wör­ter doch aus­den­ken.“ Und das tut das Mäd­chen dann auch. Nach und nach ent­steht aus den Bil­dern im Buch ihre eigene Geschichte, die von magi­schen Wesen erzählt. Der Text ist hier­bei so gestal­tet, dass man als Lese­rIn ermu­tigt wird, das jewei­lige Kapi­tel wei­ter­zu­er­zäh­len: „Das war zwar ein wun­der­ba­rer Anblick, aber wir muss­ten schnell etwas unter­neh­men, damit …“

Mit „Der Fuchs und die ver­lo­re­nen Buch­sta­ben“ kann man viel Zeit ver­brin­gen, denn sowohl die Geschichte(n) als auch Illus­tra­tio­nen laden dazu ein, in einer Welt vol­ler Magie zu ver­sin­ken. Viele Details und anre­gende Motive, die mit den unter­schied­lichs­ten Farb­tö­nen und For­men spie­len, ani­mie­ren zum Ver­wei­len und regen die eigene Fan­ta­sie an. Denn längst nicht alles, was man sieht, fin­det sich auch im Text wie­der. Beson­ders schön finde ich die moti­vie­rende Aussage:

„Es gibt keine Regeln, kein Rich­tig oder Falsch in dei­ner Vor­stel­lung – Fan­ta­sie ist einfach.“

Erfunden oder lebendig: Leos wundersame Reise

Zaga­ren­skis „Leos wun­der­same Reise“ ist – ebenso wie „Der Fuchs und die ver­lo­re­nen Buch­sta­ben“ – ein ästhe­tisch beein­dru­cken­des Buch. Jede Seite ist ein Kunst­werk für sich! Auch die­ses Buch ani­miert zum län­ge­ren Betrach­ten der Illus­tra­tio­nen, zum Wei­ter­spin­nen der Geschichte und Ent­de­cken von nicht beschrie­be­nen Details. Vor allem die Dop­pel­sei­ten, wel­che gänz­lich ohne Text gestal­tet sind, set­zen vor­aus, dass die Betrach­te­rIn­nen mit­den­ken und die Hand­lung anhand der Bil­der verstehen.

Inhalt­lich geht es um das Kuschel­tier Leo als Bezugs­ge­gen­stand des Jun­gen Henry. Die­ser liebt sei­nen Leo sehr und mag sich seit sei­nem zwei­ten Geburts­tag, als er ihn geschenkt bekom­men hat, nicht mehr von ihm tren­nen. Dass für Henry die Welt unter­geht, als Leo nach einem Spa­zier­gang im Wald nicht mehr auf­zu­fin­den ist, kön­nen seine Schwes­ter und seine Eltern nicht ganz nach­voll­zie­hen. Denn Leo ist, ihrer Ansicht nach, nicht wirk­lich „leben­dig“. Für Henry aber ist Leo „genauso leben­dig wie seine Mut­ter, sein Vater und seine Schwes­ter. So wirk­lich wie ein Baum, eine Wolke, die Sonne, der Mond, die Sterne und der Wind.“

„Leos wun­der­same Reise“ spricht wich­tige The­men an: Zum einen geht es darum, dass der Wert eines Gegen­stan­des sub­jek­tiv ist. Für Henry ist sein Leo von größ­ter Bedeu­tung, für seine Eltern ist die­ser nur ein ersetz­ba­res Kuschel­tier. Zum ande­ren wird die Leben­dig­keit the­ma­ti­siert. Ab wann ist jemand oder etwas leben­dig? Und wie leben­dig ist Fan­ta­sie? Kuschel­tiere als Bezugs­ge­gen­stände haben für Kin­der eine hohe Bedeu­tung – die­ses Bil­der­buch nimmt das Thema ernst und macht die Pro­ble­ma­tik des Unver­ständ­nis­ses sicht­bar. Ein Buch, dem ich viele Lese­rin­nen und Leser wünsche!

Lebendige und fantastische Reise: Armstrong

Wer Tor­ben Kuhl­manns Werke („Lind­bergh“, „Maul­wurf­stadt“, „Arm­strong“) noch nicht kennt, sollte dies schleu­nigst nach­ho­len! Ob als lie­be­voll gestal­te­tes Bil­der­buch oder als span­nen­des Hör­spiel – es lohnt sich, in die unter­schied­li­chen Wel­ten ein­zu­tau­chen und das Betrach­ten der stim­mungs­vol­len Illus­tra­tio­nen ebenso wie das Lau­schen der Vor­le­ser­stimme zu genie­ßen. Die bei­den Hör­spiele kön­nen als Ergän­zung zum jewei­li­gen Buch betrach­tet wer­den. Und erst der Medi­en­wech­sel einer bereits bekann­ten Welt macht die Geschichte wirk­lich abwechs­lungs­reich. Wäh­rend man bei der Bild­be­trach­tung das Tempo selbst bestimmt, geht es in den Hör­spie­len so rich­tig span­nend zu!

Mit wel­chem Werk man beginnt, ist dabei ganz egal. Jedes ein­zelne von ihnen macht neu­gie­rig auf das nächste: Wem das Bil­der­buch gefal­len hat, der wird auch gerne zum dazu­ge­hö­ri­gen Hör­spiel grei­fen. Wer das Hör­spiel toll fin­det, freut sich mit Sicher­heit auch über das Bil­der­buch. Kuhl­manns Werke haben Sam­mel­cha­rak­ter. Man möchte sie alle haben! Glück­li­cher­weise kann ich auch für alle eine Emp­feh­lung aus­spre­chen. Das neu­este Hör­spiel zu „Arm­strong“ hat übri­gens kürz­lich den dies­jäh­ri­gen Kin­der­hör­buch­preis BEO in der Kate­go­rie „4 – 6 Jahre“ gewon­nen. Kein Wun­der! Der Jury-Begrün­dung kann ich mich nur anschließen:

„Die geglückte Mischung aus man­nig­fa­chen Stim­men, atmo­sphä­ri­schen Geräu­schen und der pas­sen­den Musik ver­bin­det die ein­zel­nen Sze­nen plas­tisch zu einem die Phan­ta­sie anre­gen­den Gesamt­kunst­werk, das jun­gen und älte­ren Hörern glei­cher­ma­ßen Spaß macht.“ (www​.tor​ben​-kuhl​mann​.com)

Die Sache mit den Tiger­strei­fen. Jas­min Schä­fer. Atlan­tis. 2016.
Seht mal her, da sitzt ein Bär! Ross Coll­ins. Über­set­zung: Ebi Nau­mann. Orell Füssli. 2017.
Nachts, wenn alles schläft… Britta Tecken­trup. Pres­tel. 2016.
Der Fuchs und die ver­lo­re­nen Buch­sta­ben. Pamela Zaga­ren­ski. Gun­dula Mül­ler-Wall­raf. Kne­se­beck. 2016.
Leos wun­der­same Reise. Pamela Zaga­ren­ski. Über­set­zung: Gun­dula Mül­ler-Wall­raf. Kne­se­beck. 2017.
Arm­strong. Tor­ben Kuhl­mann. Insze­nierte Lesung mit Musik mit Bas­tian Pas­tewka. Der Hör­ver­lag. 2016.

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2 comments

Pssst, bloß nicht aufwecken! – Bücherstadt Kurier 3. August 2019 - 11:05

[…] Nachts, wenn alles schläft… […]

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Ein Schatz in den Tiefen des Meeres – Bücherstadt Kurier 13. September 2019 - 19:15

[…] / Rezen­sion: Lind­bergh-Hör­spiel / Rezen­sion: Arm­strong / Rezen­sion: Arm­strong-Hör­spiel / Tor­ben Kuhl­mann im […]

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