Wahnhafte Vaterliebe „Der fürsorgliche Mr. Cave“ von Matt Haig

Der fürsorgliche Mr. CaveVol­ler Erwar­tun­gen hat Sei­ten­tän­ze­rin Michelle-Denise Matt Haigs Roman „Der für­sorg­li­che Mr. Cave“ begon­nen zu lesen. Lei­der fühlte sie sich von Seite zu Seite immer unwoh­ler mit dem über­für­sorg­li­chen Prot­ago­nis­ten Mr. Cave …

Der Anti­qui­tä­ten­händ­ler Terence Cave hat in sei­nem Leben schon drei schwere Schick­sals­schläge ver­kraf­ten müs­sen: den Selbst­mord sei­ner Mut­ter, die Ermor­dung sei­ner Frau und den Unfall­tod sei­nes Soh­nes. Als enge Ange­hö­rige bleibt ihm nur noch seine Toch­ter Bry­ony, und diese hütet er nach den Gescheh­nis­sen der Ver­gan­gen­heit wie sei­nen Aug­ap­fel. Ob auf dem Schul­hof, unter­wegs mit Freun­den oder zu Hause, Mr. Cave ver­folgt Bry­ony auf Schritt und Tritt. Der über­für­sorg­li­che Vater nimmt sei­ner Toch­ter all­mäh­lich die Luft zum Atmen und stellt immer stren­gere Regeln für sie auf, die in einer Kata­stro­phe zu enden drohen.

Angstgesteuerter Protagonist

Der Autor Matt Haig lässt in seine Bücher stets per­sön­li­che Erfah­run­gen mit Angst­stö­run­gen und Depres­sio­nen ein­flie­ßen. So auch in „Der für­sorg­li­che Mr. Cave“. In die­sem Roman erzählt der Ich-Erzäh­ler in der Retro­per­spek­tive die Gescheh­nisse aus der Sicht des angst­ge­steu­er­ten Prot­ago­nis­ten Terence Cave. Mr. Cave hat bereits alle Arten des Ster­bens in sei­nem fami­liä­ren Umfeld erle­ben müs­sen. Durch diese Erleb­nisse sieht er an jeder Ecke, in jedem Moment und in jedem Men­schen aus Bry­o­nys nahem Umfeld eine poten­ti­elle Gefahr. Der Vater pro­ji­ziert seine Ver­lust­ängste auf seine Toch­ter und sperrt sie in einen unsicht­ba­ren Käfig aus Kon­trolle und immer stren­ger wer­den­den Regeln.

Durch die Erzähl­weise des Romans lässt sich bereits erah­nen, dass das Buch in einer Kata­stro­phe enden wird. Immerzu spricht der Ich-Erzäh­ler Bry­ony an und ver­sucht sich und sein Han­deln für sie rück­bli­ckend trans­pa­rent zu machen und zu erklä­ren. Dadurch liest sich die Geschichte bereits ab der ers­ten Seite wie ein Abschieds­brief von Mr. Cave an seine Tochter.

Mir fiel es dabei schwer, einen Bezug zu den ande­ren Cha­rak­te­ren auf­zu­bauen. Außer dem Prot­ago­nis­ten konnte ich kei­nen Cha­rak­ter rich­tig grei­fen, da man ledig­lich die deut­lich vor­ein­ge­nom­mene Sicht von Mr. Cave auf andere Figu­ren kennenlernt.

Enttäuschte Erwartungen und innere Anspannung

Bevor ich das Buch auf­schlug, habe ich einen kom­plett ande­ren Roman erwar­tet. Das Cover ist dem Umschlag­de­sign ande­rer deutsch­spra­chi­ger Aus­ga­ben von Haig ange­passt und wirkt auf den ers­ten Blick anspre­chend und hoff­nungs­voll. Sowohl die blaue Farb­ge­bung mit sil­ber­nen Akzen­ten als auch der abge­bil­dete geöff­nete Käfig strah­len etwas Posi­ti­ves und Lebens­be­ja­hen­des aus. Die­ses Design ließ mich einen Roman erwar­ten, der sich zwar zen­tral mit dem Thema Angst beschäf­tigt, aber diese The­ma­tik fein­füh­lig und mit einem opti­mis­ti­schen Blick in die Zukunft behandelt.

Bereits auf der ers­ten Seite soll­ten diese Erwar­tun­gen ent­täuscht wer­den. Die Hand­lun­gen des Prot­ago­nis­ten Mr. Cave sind so beklem­mend, dass ich beim Lesen inner­lich ange­spannt war. Und das im nega­ti­ven Sinn. Ich wollte auch nicht wis­sen, warum er so agierte, denn ich wusste schon vor­her, dass ich kein Ver­ständ­nis für seine Begrün­dun­gen haben würde. Mr. Cave wirkte auf mich durch­weg unsym­pa­thisch und ich konnte keine Ver­bin­dung zu ihm auf­bauen. Er ver­hält sich so über­für­sorg­lich, dass es einem beim Lesen schon Angst macht. Durch die Schick­sals­schläge, die er in der Ver­gan­gen­heit erlebt hat, hatte ich erwar­tet, er würde eine Trau­er­be­wäl­ti­gung durch­le­ben, die auch den Lese­rin­nen und Lesern Mut machen könnte. Dem ist lei­der nicht so. Mehr­fach habe ich bereits auf den ers­ten Sei­ten damit geha­dert wei­ter­zu­le­sen, weil mir die bedrü­ckende, düs­tere Stim­mung des Romans auf das Gemüt schlug. Da das Buch mit 256 Sei­ten jedoch noch rela­tiv schmal ist, habe ich mich den­noch bis zum Ende mit der Geschichte befasst. Aber lei­der wirkte der Roman auf mich bis zur letz­ten Seite wie der Mono­log eines Psy­cho­pa­ten, der seine Toch­ter sowie deren Umfeld tyrannisiert.

Die zerstörerische Kraft der Liebe

Die Ori­gi­nal­aus­gabe erschien 2008 unter dem Titel „The Pos­ses­sion of Mr Cave“. Rück­bli­ckend finde ich den eng­li­schen Titel, der sich mit dem Besitz des Mr. Cave befasst, deut­lich pas­sen­der, da er die Dra­ma­tik stär­ker widerspiegelt.

„Der für­sorg­li­che Mr. Cave“ ist ein psy­cho­lo­gi­scher Roman über die zer­stö­re­ri­sche Kraft der Liebe. Lei­der bin ich mit fal­schen Erwar­tun­gen (sicher­lich auch durch die hoff­nungs­voll wir­kende Umschlags­ge­stal­tung) an das Werk her­an­ge­tre­ten. Auch der ver­söhn­li­che Ver­such auf den letz­ten Sei­ten konnte mich nicht von den Beweg­grün­den des Prot­ago­nis­ten über­zeu­gen. Zu düs­ter. Zu ver­stö­rend. Zu nega­tiv. Wer einen posi­ti­ven Weg der Trau­er­be­wäl­ti­gung erwar­tet, wird von die­ser Geschichte ent­täuscht werden.

Der für­sorg­li­che Mr. Cave. Matt Haig. Über­set­zung: Sabine Hüb­ner. Droe­mer. 2022.

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