Von Superhelden, Genderklischees und Teenagerproblemen Im Kino

by Bücherstadt Kurier

Das War­ten hat sich gelohnt: 14 Jahre nach dem ers­ten Teil kommt „Die Unglaub­li­chen 2“ in die deut­schen Kinos. Die Super­hel­den­fa­mi­lie ver­eint erneut den Fami­li­en­all­tag mit dem ereig­nis­rei­chen Job des Super­hel­den; dabei steht sie die­ses Mal vor völ­lig neuen Auf­ga­ben. - Von Nele Cichon und Sara Aitchafhi

Im Kampf gegen den zer­stö­re­ri­schen Schur­ken Tun­nel­grä­ber wur­den große Teile der Stadt Muni­ci­berg ver­wüs­tet. Obwohl die Super­hel­den­fa­mi­lie Parr die Gefahr ein­ge­dämmt hat, wird sie ver­haf­tet, denn ihr Ein­grei­fen war ille­gal. Da kommt das Ange­bot des rei­chen Super­hel­den-Enthu­si­as­ten Win­s­ton Dea­vor und sei­ner tech­nik­be­gab­ten Schwes­ter Eve­lyn – Inha­ber der Firma Dev­Tech – gerade recht: Mit Helen Parr alias Elas­ti­girl als Gesicht einer Kam­pa­gne wol­len sie das Gesetz bekämp­fen, das ein Dasein als Super­held verbietet.

Wäh­rend Elas­ti­girl nun wei­ter­hin die Ein­woh­ner ihrer Stadt ret­tet und als öffent­li­che Ver­tre­te­rin aller Super­hel­den fun­giert, bleibt ihr Ehe­mann Bob mit den drei Kin­dern Flash, Vio­letta und Jack-Jack zuhause. Obwohl er lie­ber wei­ter in der Rolle des „Mr. Incre­di­ble“ auf­tre­ten würde, muss er sich den All­tags­pro­ble­men stel­len und allein auf die Kin­der auf­pas­sen. Neben kom­pli­zier­ten Lie­bes­an­ge­le­gen­hei­ten der Tee­nie-Toch­ter und Mathe­haus­auf­ga­ben von Sohn Flash, für die Bobs Wis­sen nicht mehr aus­reicht, macht dem über­mü­de­ten Fami­li­en­va­ter der jüngste Spröss­ling zu schaf­fen: Bei Jack-Jack kom­men all­mäh­lich seine Super­kräfte zum Vor­schein. Mit jeder neuen Fähig­keit stellt er den gan­zen Haus­halt auf den Kopf und sein Vater kann den Scha­den nur mit Mühe eingrenzen.

Dabei ahnt nie­mand, dass eine große Gefahr auf alle Super­hel­den der Welt zukommt: Der als besiegt geglaubte, ver­schla­gene und Gedan­ken kon­trol­lie­rende Böse­wicht Screens­laver ist bedroh­li­cher als ange­nom­men. Nun sind die Kin­der von Fami­lie Parr gefragt, denn sie sind die ein­zi­gen, die noch hel­fen können.

Rück­kehr der Superheldenfamilie

Nach­dem immer wie­der Gerüchte über die Pro­duk­tion die­ser Fort­set­zung auf­ka­men, kehrte Brad Bird in seine Rolle als Dreh­buch­au­tor und Regis­seur der unglaub­li­chen Fami­lie zurück und prä­sen­tiert einen action­ge­la­de­nen und humor­vol­len Fami­li­en­film, der sich trotz der der­zeit belieb­ten und popu­lä­ren Super­hel­den­the­ma­tik von ande­ren Fil­men die­ses Gen­res abhebt: Auch die Fort­set­zung zeich­net sich durch ihren genauen Blick auf die Dyna­mik des Fami­li­en­le­bens einer Super­hel­den­fa­mi­lie aus, wäh­rend andere Super­hel­den­filme eher auf die Insze­nie­rung von Super­hel­den­kräf­ten fokus­siert sind.

Die Hand­lung von „Die Unglaub­li­chen 2“ knüpft direkt an den Cliff­han­ger des Vor­gän­gers an, in dem die Super­hel­den­fa­mi­lie erst­mals auf den Tun­nel­grä­ber trifft. Um die Figu­ren und das Gesche­hen gleich ein­ord­nen zu kön­nen, ist es also von Vor­teil, den ers­ten Film zu ken­nen: Die naht­lose Fort­set­zung hält sich nicht lange mit der Vor­stel­lung der Fami­li­en­kon­stel­la­tion auf, son­dern legt den Schwer­punkt auf die Ver­än­de­rung inner­halb der Fami­lie Parr. Alle Figu­ren ent­wi­ckeln sich wei­ter, allen voran Baby Jack-Jack. Die­ser ent­fes­selt unzäh­lige Fähig­kei­ten, wel­che für Chaos sor­gen und Haupt­trä­ger für den Humor des Films dar­stel­len. Damit stiehlt er allen die Show und ent­wi­ckelt sich zum denk­wür­digs­ten Cha­rak­ter. Neben der Fami­lie Parr keh­ren aber auch andere beliebte Figu­ren aus dem ers­ten Teil zurück, etwa der Fami­li­en­freund und Co-Super­held Fro­zone und die Mode­de­si­gne­rin Edna. Wie zuvor tre­ten sie als Neben­fi­gu­ren auf und sor­gen, vor allem in Kom­bi­na­tion mit den Kin­dern, für einige lus­tige Sze­nen. Es wer­den jedoch auch viele neue Figu­ren ein­ge­führt und es gibt neue Super­hel­den und Super­kräfte zu sehen. Dabei ist eine klare Tren­nung von guten und bösen Figu­ren erst gegen Ende des Films voll­stän­dig möglich.

Von nun an Hausmann

Die Dyna­mik der Fami­lie Parr geht hier über kon­ser­va­tive Gen­der-Erwar­tun­gen hin­aus, denn Bob nimmt als Fami­li­en­ober­haupt die Rolle des Haus­man­nes an, wäh­rend Helen einem ereig­nis­rei­chen Job nach­geht. Hier kann die Super­hel­din zei­gen, was in ihr steckt und ihr Kön­nen unter Beweis stel­len. Wie schon im ers­ten Teil ist sie auch hier sehr stark und bewährt sich in der Sphäre der män­ner­do­mi­nier­ten Super­hel­den­welt. Bob hin­ge­gen ist in sei­nem neuen Auf­ga­ben­reich über­for­dert und kommt ohne die Hilfe ande­rer nicht mit dem All­tag und den Kin­dern zurecht.

Im ers­ten Teil des Films waren Baby Jack-Jacks Kräfte noch fast gar nicht ent­wi­ckelt und Vio­letta zwar schon in der Puber­tät, ver­hielt sich aber weit­aus zurück­hal­ten­der. Im zwei­ten Teil ist sie rebel­li­scher und dies stellt den Fami­li­en­va­ter vor eine neue Her­aus­for­de­rung, die er nun ohne seine Frau bewäl­ti­gen muss. Somit schafft der Film Raum für den Gen­der­dis­kurs im all­täg­li­chen Fami­li­en­le­ben, weil beide Eltern den erwar­te­ten Auf­ga­ben­be­reich tau­schen und somit gän­gi­gen Kli­schees ent­ge­gen­wir­ken. Dis­kus­si­ons­wür­dig ist hier jedoch, dass Bob zu Beginn sei­ner neuen Tätig­keit als Haus­mann auf gan­zer Linie ver­sagt und der Film dies voll aus­schöpft und so wie­der das Kli­schee bedient, dass Män­ner den Haus­halt ohne weib­li­che Hilfe nicht bewäl­ti­gen können.

Ani­ma­tion, Action und Altersempfehlung

Dass viel Zeit zwi­schen den Ver­öf­fent­li­chun­gen der bei­den Filme ver­gan­gen ist, stellt sich als Vor­teil für die Bild­qua­li­tät des zwei­ten Teils im Ver­gleich zu „Die Unglaub­li­chen – The Incre­di­bles“ her­aus. Ins­be­son­dere die Figu­ren wir­ken in ihrer Ges­tik und Mimik aus­drucks­stär­ker als noch im ers­ten Teil, glei­ches gilt für die teils spek­ta­ku­lär insze­nier­ten Super­kräfte der Hel­den. Ein direk­ter Ver­gleich wird durch Jack-Jacks Fähig­keit, in Flam­men auf­zu­ge­hen, ermög­licht: Diese war bereits im ers­ten Teil zu sehen und taucht auch in die­ser Fort­set­zung wie­der auf, die Ani­ma­tion unter­schei­det sich jedoch in bei­den Tei­len. Das Feuer sieht rea­lis­ti­scher aus, gleich­zei­tig ist es noch mög­lich, seine Gesichts­aus­drü­cke zu sehen.

Der Film hat viele action­ge­la­dene und gru­se­lige Sze­nen, auch die Prot­ago­nis­ten befin­den sich oft in Lebens­ge­fahr. Es kommt in die­sen Sze­nen zur Ret­tung in letz­ter Sekunde, was für kind­li­che Rezi­pie­rende sehr stres­sig sein und starke Emo­tio­nen aus­lö­sen kann. Vor allem Sze­nen mit dem Ant­ago­nis­ten Screens­laver kön­nen durch blin­kende Lich­ter, schnelle Kame­ra­füh­rung und abrup­ten Schnitt als reiz­über­flu­tend und angst­ein­flö­ßend emp­fun­den wer­den. Es gibt zwei über­ge­ord­nete Hand­lungs­stränge, die sich ste­tig mit­ein­an­der abwech­seln und über­kreu­zen und den Rezi­pie­ren­den viele ver­schie­dene Figu­ren prä­sen­tiert. Dies führt zu einer Kom­ple­xi­tät des Films, die jün­ge­ren Zuschau­ern das Ver­ständ­nis der Hand­lung erschwe­ren kann. Attrak­tiv für das kind­li­che Publi­kum sind jedoch Baby Jack-Jacks humor­volle Eska­pa­den: Wäh­rend die­ser Sequen­zen kön­nen Kin­der lachen und ent­span­nen. Für Erwach­sene hin­ge­gen sind vor allem die ver­än­derte Fami­li­en­dy­na­mik der Super­hel­den­fa­mi­lie und die action­rei­chen Ver­fol­gungs- und Kampf­sze­nen span­nend und interessant.

Fazit

Der lang erwar­tete Film ver­eint Super­hel­den und den Fami­li­en­all­tag mit­ein­an­der und lie­fert neben vie­len humor­vol­len Sze­nen auch einige gru­se­lige Sequen­zen, die für die ganz Klei­nen teil­weise unge­eig­net sind. Die Erwar­tun­gen der alt ein­ge­ses­sene Film­an­hän­ger wer­den erfüllt, gleich­zei­tig über­zeugt der Film auch das neue Publi­kum. Die Alters­emp­feh­lung beträgt acht Jahre, weil jün­gere Kin­der, die Span­nung und Action nicht gut ver­ar­bei­ten kön­nen und sich auf nicht mehr als einen Hand­lungs­strang kon­zen­trie­ren kön­nen, mit dem Film über­for­dert sein könnten.

Die Unglaub­li­chen 2. Regie/Drehbuch: Brad Bird. Dar­stel­ler: Holly Hunter/Katrin Fröh­lich, Craig T. Nelson/Markus Maria Pro­fit­lich u.a. Walt Dis­ney Ger­many. 2018. Ab 8 Jahren.

Diese Rezen­sion ist außer­dem auf Kin​de​r​und​Ju​gend​me​dien​.de erschienen.

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