Von Superhelden, Genderklischees und Teenagerproblemen

von | 19.10.2018 | Filme, Filmtheater

Das Warten hat sich gelohnt: 14 Jahre nach dem ersten Teil kommt „Die Unglaublichen 2“ in die deutschen Kinos. Die Superheldenfamilie vereint erneut den Familienalltag mit dem ereignisreichen Job des Superhelden; dabei steht sie dieses Mal vor völlig neuen Aufgaben. – Von Nele Cichon und Sara Aitchafhi

Im Kampf gegen den zerstörerischen Schurken Tunnelgräber wurden große Teile der Stadt Municiberg verwüstet. Obwohl die Superheldenfamilie Parr die Gefahr eingedämmt hat, wird sie verhaftet, denn ihr Eingreifen war illegal. Da kommt das Angebot des reichen Superhelden-Enthusiasten Winston Deavor und seiner technikbegabten Schwester Evelyn – Inhaber der Firma DevTech – gerade recht: Mit Helen Parr alias Elastigirl als Gesicht einer Kampagne wollen sie das Gesetz bekämpfen, das ein Dasein als Superheld verbietet.

Während Elastigirl nun weiterhin die Einwohner ihrer Stadt rettet und als öffentliche Vertreterin aller Superhelden fungiert, bleibt ihr Ehemann Bob mit den drei Kindern Flash, Violetta und Jack-Jack zuhause. Obwohl er lieber weiter in der Rolle des „Mr. Incredible“ auftreten würde, muss er sich den Alltagsproblemen stellen und allein auf die Kinder aufpassen. Neben komplizierten Liebesangelegenheiten der Teenie-Tochter und Mathehausaufgaben von Sohn Flash, für die Bobs Wissen nicht mehr ausreicht, macht dem übermüdeten Familienvater der jüngste Sprössling zu schaffen: Bei Jack-Jack kommen allmählich seine Superkräfte zum Vorschein. Mit jeder neuen Fähigkeit stellt er den ganzen Haushalt auf den Kopf und sein Vater kann den Schaden nur mit Mühe eingrenzen.

Dabei ahnt niemand, dass eine große Gefahr auf alle Superhelden der Welt zukommt: Der als besiegt geglaubte, verschlagene und Gedanken kontrollierende Bösewicht Screenslaver ist bedrohlicher als angenommen. Nun sind die Kinder von Familie Parr gefragt, denn sie sind die einzigen, die noch helfen können.

Rückkehr der Superheldenfamilie

Nachdem immer wieder Gerüchte über die Produktion dieser Fortsetzung aufkamen, kehrte Brad Bird in seine Rolle als Drehbuchautor und Regisseur der unglaublichen Familie zurück und präsentiert einen actiongeladenen und humorvollen Familienfilm, der sich trotz der derzeit beliebten und populären Superheldenthematik von anderen Filmen dieses Genres abhebt: Auch die Fortsetzung zeichnet sich durch ihren genauen Blick auf die Dynamik des Familienlebens einer Superheldenfamilie aus, während andere Superheldenfilme eher auf die Inszenierung von Superheldenkräften fokussiert sind.

Die Handlung von „Die Unglaublichen 2“ knüpft direkt an den Cliffhanger des Vorgängers an, in dem die Superheldenfamilie erstmals auf den Tunnelgräber trifft. Um die Figuren und das Geschehen gleich einordnen zu können, ist es also von Vorteil, den ersten Film zu kennen: Die nahtlose Fortsetzung hält sich nicht lange mit der Vorstellung der Familienkonstellation auf, sondern legt den Schwerpunkt auf die Veränderung innerhalb der Familie Parr. Alle Figuren entwickeln sich weiter, allen voran Baby Jack-Jack. Dieser entfesselt unzählige Fähigkeiten, welche für Chaos sorgen und Hauptträger für den Humor des Films darstellen. Damit stiehlt er allen die Show und entwickelt sich zum denkwürdigsten Charakter. Neben der Familie Parr kehren aber auch andere beliebte Figuren aus dem ersten Teil zurück, etwa der Familienfreund und Co-Superheld Frozone und die Modedesignerin Edna. Wie zuvor treten sie als Nebenfiguren auf und sorgen, vor allem in Kombination mit den Kindern, für einige lustige Szenen. Es werden jedoch auch viele neue Figuren eingeführt und es gibt neue Superhelden und Superkräfte zu sehen. Dabei ist eine klare Trennung von guten und bösen Figuren erst gegen Ende des Films vollständig möglich.

Von nun an Hausmann

Die Dynamik der Familie Parr geht hier über konservative Gender-Erwartungen hinaus, denn Bob nimmt als Familienoberhaupt die Rolle des Hausmannes an, während Helen einem ereignisreichen Job nachgeht. Hier kann die Superheldin zeigen, was in ihr steckt und ihr Können unter Beweis stellen. Wie schon im ersten Teil ist sie auch hier sehr stark und bewährt sich in der Sphäre der männerdominierten Superheldenwelt. Bob hingegen ist in seinem neuen Aufgabenreich überfordert und kommt ohne die Hilfe anderer nicht mit dem Alltag und den Kindern zurecht.

Im ersten Teil des Films waren Baby Jack-Jacks Kräfte noch fast gar nicht entwickelt und Violetta zwar schon in der Pubertät, verhielt sich aber weitaus zurückhaltender. Im zweiten Teil ist sie rebellischer und dies stellt den Familienvater vor eine neue Herausforderung, die er nun ohne seine Frau bewältigen muss. Somit schafft der Film Raum für den Genderdiskurs im alltäglichen Familienleben, weil beide Eltern den erwarteten Aufgabenbereich tauschen und somit gängigen Klischees entgegenwirken. Diskussionswürdig ist hier jedoch, dass Bob zu Beginn seiner neuen Tätigkeit als Hausmann auf ganzer Linie versagt und der Film dies voll ausschöpft und so wieder das Klischee bedient, dass Männer den Haushalt ohne weibliche Hilfe nicht bewältigen können.

Animation, Action und Altersempfehlung

Dass viel Zeit zwischen den Veröffentlichungen der beiden Filme vergangen ist, stellt sich als Vorteil für die Bildqualität des zweiten Teils im Vergleich zu „Die Unglaublichen – The Incredibles“ heraus. Insbesondere die Figuren wirken in ihrer Gestik und Mimik ausdrucksstärker als noch im ersten Teil, gleiches gilt für die teils spektakulär inszenierten Superkräfte der Helden. Ein direkter Vergleich wird durch Jack-Jacks Fähigkeit, in Flammen aufzugehen, ermöglicht: Diese war bereits im ersten Teil zu sehen und taucht auch in dieser Fortsetzung wieder auf, die Animation unterscheidet sich jedoch in beiden Teilen. Das Feuer sieht realistischer aus, gleichzeitig ist es noch möglich, seine Gesichtsausdrücke zu sehen.

Der Film hat viele actiongeladene und gruselige Szenen, auch die Protagonisten befinden sich oft in Lebensgefahr. Es kommt in diesen Szenen zur Rettung in letzter Sekunde, was für kindliche Rezipierende sehr stressig sein und starke Emotionen auslösen kann. Vor allem Szenen mit dem Antagonisten Screenslaver können durch blinkende Lichter, schnelle Kameraführung und abrupten Schnitt als reizüberflutend und angsteinflößend empfunden werden. Es gibt zwei übergeordnete Handlungsstränge, die sich stetig miteinander abwechseln und überkreuzen und den Rezipierenden viele verschiedene Figuren präsentiert. Dies führt zu einer Komplexität des Films, die jüngeren Zuschauern das Verständnis der Handlung erschweren kann. Attraktiv für das kindliche Publikum sind jedoch Baby Jack-Jacks humorvolle Eskapaden: Während dieser Sequenzen können Kinder lachen und entspannen. Für Erwachsene hingegen sind vor allem die veränderte Familiendynamik der Superheldenfamilie und die actionreichen Verfolgungs- und Kampfszenen spannend und interessant.

Fazit

Der lang erwartete Film vereint Superhelden und den Familienalltag miteinander und liefert neben vielen humorvollen Szenen auch einige gruselige Sequenzen, die für die ganz Kleinen teilweise ungeeignet sind. Die Erwartungen der alt eingesessene Filmanhänger werden erfüllt, gleichzeitig überzeugt der Film auch das neue Publikum. Die Altersempfehlung beträgt acht Jahre, weil jüngere Kinder, die Spannung und Action nicht gut verarbeiten können und sich auf nicht mehr als einen Handlungsstrang konzentrieren können, mit dem Film überfordert sein könnten.

Die Unglaublichen 2. Regie/Drehbuch: Brad Bird. Darsteller: Holly Hunter/Katrin Fröhlich, Craig T. Nelson/Markus Maria Profitlich u.a. Walt Disney Germany. 2018. Ab 8 Jahren.

Diese Rezension ist außerdem auf KinderundJugendmedien.de erschienen.

 

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