Von leblosen Figuren und Whitewashing: Die Legende von Aang

von | 15.09.2020 | Filme, Filmtheater, Goldene Himbeere

„Die Legende von Aang“ erhielt die Goldene Himbeere in fünf Kategorien: der schlechteste Film, die schlechteste Regie, der schlechteste Nebendarsteller (Jackson Rathbone), das schlechteste Drehbuch und die schlechteste 3D-Umsetzung. Ich habe mich nicht davon abschrecken lassen und den Film dennoch geschaut. – Von Zeichensetzerin Alexa

Feuer, Wasser, Erde, Luft – in der Welt, in der „Die Legende von Aang“ spielt, können die Menschen diese Elemente bändigen. Doch nur einer ist in der Lage, sie alle zu beherrschen: der Avatar. Dieser wird immer wieder geboren, zuletzt im Körper von Aang. Er ist 12 Jahre alt, als er spurlos verschwindet. 100 Jahre vergehen, bis Katara und ihr Bruder Sokka ihn zusammen mit seinem Bison im Eis finden und ihn befreien. Hier beginnt Aangs Geschichte.

Vom Zeichentrick zum Realfilm

„Die Legende von Aang“ basiert auf der Zeichentrickserie „Avatar – Der Herr der Elemente“. Dass ein Film anders funktioniert als eine Serie mit mehreren Staffeln und die Handlung verändert sein kann, ist mir bewusst gewesen. Wichtiger war mir deshalb die originalgetreue Umsetzung der Charaktere und die Darstellung der Welt, in der die Geschichte spielt. Ich bin mit keinen großen Erwartungen an diesen Film herangegangen, denn ich habe bereits viel Schlechtes über den Realfilm gehört. Nicht nur wegen der Auszeichnung mit der Goldenen Himbeere, sondern auch weil der Film im Bekanntenkreis keinen guten Ruf hat. „Der kommt nicht an die Serie heran!“, hörte ich. Und: „Tu dir das nicht an. Das ist Zeitverschwendung.“ Ich bilde mir gerne selbst ein Urteil, also nahm ich es in Kauf, möglicherweise meine Zeit damit zu verschwenden.

Ich frage mich, ob die Umsetzung als Realfilm nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, da sich der Witz der überzeichneten Charaktermimiken und -handlungen aus der Zeichentrickserie nicht eins zu eins auf Schauspieler:innen übertragen lässt. Aber genau hier liegt die Stärke der Serie: mit individuellen Charakteren, die sehr unterschiedlich agieren und denken und sich auf diese Weise gegenseitig bereichern. Als Zeichentrickfiguren überzeugen sie mit ihren Eigenschaften, Mimiken und Gestiken. Das Übertriebene bringt Witz in eine Geschichte, die eine sehr ernste Hintergrundthematik beinhaltet.

Dies fehlt im Film gänzlich. Die Figuren wirken platt und allesamt austauschbar. Was ist mit dem verspielten Aang passiert? Warum ist es ihm im Film plötzlich nicht mehr wichtig, Spaß zu haben, herumzualbern und sich Quatsch auszudenken? Wer ist diese Katara, die so gar nicht aussieht wie Katara? Ist das wirklich der Sokka, der sonst gerne Witze reißt? Und wo bleibt diese Wut und der Hass, die Antagonist Zuko verkörpern sollte? Von all diesen Eigenschaften ist im Film nichts zu spüren. Es hätten auch völlig andere Figuren sein können, die nichts mit der Zeichentrickserie zu tun haben. Und damit hat der Film per se schon verloren.

Hallo Whitewashing

Es gibt neben der Charakterdarstellung noch einen Haufen weiterer Veränderungen, die negativ auffallen. Ein zentraler Punkt ist das Whitewashing: Obwohl die Charaktere in der Zeichentrickserie allesamt asiatische Züge und aufgrund unterschiedlicher Herkunft verschiedene Hauttöne haben, wird diese Darstellung im Realfilm beinahe komplett ignoriert. Die feindlich gesinnte Feuernation ist die einzige mit einem dunkleren Hauttyp und da fragt man sich schon, weshalb das so ist. Während die unterschiedlichen Hauttöne in der Zeichentrickserie Diversität aufzeigen, wirkt die Darstellung in Hell (gut) und Dunkel (böse) im Realfilm rassistisch.

Was mir weiterhin missfällt, ist die Veränderung von General Iroh, der im Realfilm im Gegensatz zur Zeichentrickserie schlank ist. Von seiner gutmütigen und ruhigen Art, die Prinz Zuko oftmals zurückgehalten hat, ist nichts zu merken. Wo ist seine Leidenschaft fürs Teetrinken und Paisho geblieben? Und auch hier wieder: Keine Spur von Diversität.

Gekürzt, gestrichen, verändert

„Die Legende von Aang“ bedient sich zwar der Geschichte aus der Zeichentrickserie, es wurde jedoch an so vielen Stellen herumgebastelt, dass der Film auch unabhängig von der Serie betrachtet werden könnte. Die Charaktere sind anders, manche wurden komplett weggelassen, die Handlung ist verändert und die asiatischen Kulturen kommen nicht mehr zur Geltung. Ist das Bändigen noch eine Anlehnung an verschiedene Kampfkünste? Was bedeutet Bändigen in dieser Welt überhaupt? Welchen Wert haben die vier Elemente und wie funktionieren sie? Hätte ich den Film geschaut, ohne die Serie vorher gesehen zu haben, wäre der Film für mich nur einer dieser 0815-Fantasyfilme, in denen Menschen mit Elementen zaubern können.

Fairerweise muss man dazusagen, dass in „Die Legende von Aang“ lediglich das erste Buch „Wasser“ behandelt wurde und somit zwei weitere Teile fehlen. Die Geschichte ist also noch nicht abgeschlossen und die Vermutung liegt nahe, dass ursprünglich eine Trilogie geplant war. Nachdem sich dieser Film als Flop herausgestellt hat, kann man sich aber denken, weshalb niemals eine Fortsetzung erschienen ist.

Netflix-Realserie

Netflix kündigte eine Realserie an, die auf der Zeichentrickserie basiert. Geplant war eine Zusammenarbeit mit den Schöpfern der Zeichentrickserie Michael Dante DiMartino und Bryan Konietzko, die kürzlich allerdings ihren Rücktritt bekannt gaben. Die Dinge hätten sich nicht wie erhofft entwickelt, wie DiMartino in seinem offenen Brief schrieb:

„Netflix said that it was committed to honoring our vision for this retelling and to supporting us on creating the series. And we expressed how excited we were for the opportunity to be at the helm. Unfortunately, things did not go as we had hoped.“ (www.michaeldantedimartino.com)

Das ist bedauerlich und die Befürchtung groß, dass auch diese Adaption zum Flop wird. Gespannt bin ich dennoch.

Fazit: Verdiente Goldene Himbeere?

Nochmal zur Erinnerung: „Die Legende von Aang“ erhielt die Auszeichnung in fünf Kategorien. Ich stimme zu, dass der Nebendarsteller Jackson Rathbone (Sokka) nicht überzeugend gespielt hat, andere Mitwirkende hätten diesen Preis jedoch genauso verdient. Alle negativen Punkte, die ich aufgeführt habe, lassen sich mit einem schlechten Drehbuch und einer schlechten Regie erklären – und das allein reicht schon für den Stempel „schlechtester Film“. Einzig zur 3D-Umsetzung kann ich nichts anmerken, da ich sie nicht gesehen habe.

Mein Fazit also: Ja, „Die Legende von Aang“ hat die Goldene Himbeere zu Recht bekommen, vor allem, wenn man den Film mit der Zeichentrickserie vergleicht. Hätte diese nicht als Vorlage gedient, würde weniger auffallen, was schief gelaufen ist. Dann hätte der Film möglicherweise bessere Chancen gehabt.

Die Legende von Aang. Regie & Drehbuch: M. Night Shyamalan. Darsteller: Noah Ringer, Dev Patel, Jackson Rathbone, Nicola Peltz u.a. Paramount Pictures. 2011.

[tds_note]Ein Beitrag zum Special #GoldeneHimbeere. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]

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