Von Geschlechterzuordnung und gesellschaftlichen Normen

von | 11.04.2018 | Bilderbücher, Buchpranger

Rosa für Mädchen, Blau für Jungs. Prinzessin, Pferde und Puppen vs. Ritter, Dinosaurier und Roboter. Geschlechterzuschreibungen wie diese finden ständig statt. Doch warum eigentlich? Buchschatzmeisterin Rosi geht dem im Bilderbuch „Puppen sind doch nichts für Jungen!“ nach.

Zum Geburtstag erhält Nico von seiner Tante eine Puppe, die er sehr mag und auf den Namen „Mimi“ tauft. Seine Eltern sind entsetzt, denn: „Puppen sind doch nichts für Jungen!“ Als Nico seine Puppe auch noch mit zur Schule nehmen will, ist für die Eltern das Maß voll. Der Vater will mit Nico ein „richtiges“ Spielzeug für Jungen kaufen.

Auf 32 Seiten setzt sich der belgische Autor Ludovic Flamant mit dem Thema Geschlechterzuordnung und gesellschaftliche Normen auseinander. Sein Text wird untermalt mit den Zeichnungen des belgischen Comiczeichners Jean-Luc Englebert. In einfacher Kindersprache wird die Geschichte von Nico und seiner Puppe aus Sicht seines älteren Bruders erzählt. Dieser begrenzt die Erzählung dabei mit klaren, kindlichen Worten auf das Wesentliche. Die Leser können sich so ganz genau in die beschriebene Situation hineinversetzen und verstehen, was gerade geschieht und wie die einzelnen Charaktere empfinden.

Eltern fällt es manchmal schwer, das Verhalten ihrer Sprösslinge zu verstehen

Als Mutter kann ich mich an eine ähnliche Situation erinnern: Mein Sohn war sechs Jahre alt, als er sich zu Weihnachten eine Puppe wünschte – und wir Eltern ihm diese schenkten. Die Großeltern reagierten genauso wie die Eltern in unserem kleinen Büchlein. Mein Sohn jedoch liebte seine Puppe und ging sehr fürsorglich mit ihr um; vor allem auch dann, wenn er „Familie“ mit seinen älteren Schwestern spielte und er der „Vater“ war.

In solchen Spielen und eben auch mit Puppen haben Jungen – und Mädchen – die Möglichkeit, ihr späteres Leben als richtiger Vater quasi „vorwegzunehmen“. Die Mutter in dieser Erzählung drückt dies sehr schön aus: „Warum soll sich dein Sohn nicht um ein Baby kümmern, das hast du doch auch getan!“ Schließlich bedeutet die Begeisterung für eine Puppe ja nicht, dass Jungen sich nicht auch für „typische“ Jungen-Spielsachen interessieren. Unser Nico und sein Bruder jedenfalls wissen beides miteinander zu verbinden.

Eltern fällt es manchmal schwer, sich das Verhalten ihrer Sprösslinge zu erklären. Das zeigt sich auch in diesem Buch. Und noch eines wird deutlich: Die spezifischen Geschlechterzuordnungen und Normen werden in unserer Gesellschaft immer noch so ausgelegt, wie es gerade passt: Wieso muss denn ausgerechnet Papa mit seinen Söhnen basteln, wenn er dazu keine Lust hat? Das kann dann doch die Mama tun. Und vieles, was früher einmal einer Geschlechterzuordnung durch die Gesellschaft unterworfen war, wird heutzutage ganz selbstverständlich von beiden Geschlechtern erledigt, so wie der Abwasch – und keiner stört sich daran!

Ein feinsinniges Buch für Kinder und Erwachsene

Das Buch „Puppen sind doch nichts für Jungen!“ von Ludovic Flamant und Jean-Luch Englebert setzt sich auf charmante Art mit dem heißen und vieldiskutierten Thema „Geschlechterzuordnung und gesellschaftliche Normen“ auseinander. Es ist in einer einfachen, kindgerechten Sprache geschrieben und mit feinsinnigen, zum Text passenden Zeichnungen untermalt. Nach Angaben des Picus Verlages soll es für Kinder ab 4 Jahren geeignet sein. Dies trifft meiner Meinung nach nicht zu; aufgrund seiner Thematik erscheint dieses Buch für ältere Kinder ab 7 Jahren, aber auch für Erwachsene geeignet. Auf jeden Fall ist es ein empfehlenswertes kleines Büchlein, das beim Lesen Freude bereitet und zum Nachdenken anregt.

Puppen sind doch nichts für Jungen. Ludovic Flamant und Jean-Luc Englebert.
Picus Verlag. 2017. BK-Altersempfehlung: 7 Jahre.

Bücherstadt Magazin

Bücherstadt Magazin

Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir sind umgezogen!

Wir sind kürzlich umgezogen und müssen noch einige Kisten auspacken. Noch steht nicht alles an der richtigen Stelle. Solltet ihr etwas vermissen oder Fehler entdecken, freuen wir uns über eine Nachricht an mail@buecherstadtmagazin.de – vielen Dank!

Newsletter

Erhaltet einmal im Monat News aus Bücherstadt. Mehr Informationen zum Newsletter gibt es hier.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner