Von „Ally“ bis „Yellowfacing“

von | 02.11.2022 | #OwnVoicesBK, Buchpranger, Sach- und Fachbücher, Specials

Tupoka Ogette ist eine der führenden Stimmen in Deutschland im Kampf gegen Rassismus. Die Antirassismus-Beraterin und Autorin hat mit „Ein rassismuskritisches Alphabet“ nach ihren zwei Büchern „exit Racism“ und „Und jetzt du!“ nun ein Instagram-Projekt als Buch herausgebracht. – Von Satzhüterin Pia.

Im April 2021 ging der letzte Post des rassimuskritischen Alphabetes, das Tupoka Ogette auf Instagram immer donnerstags veröffentlichte, online. Unter Z geht es „Zurück zum Anfang“ – den Anfang macht A für „Ally“, Verbündete:r sein. Nein, eigentlich steht ganz am Anfang Ogettes Vorwort, das eins dieser absolut lesenswerten, klugen Vorworte ist.

Nachschlagewerk …

Wie man es als Leser:in ihrer ersten beiden Bücher „exit Racism“ und „Und jetzt du“ bereits von ihr kennt, hat die Autorin zuerst einmal ihren eigenen Blickwinkel kategorisiert. Was macht mich zu einer privilegierten, was zu einer benachteiligten Person? Tupoka Ogette schärft den Blick dafür, den eigenen Standpunkt in den Fokus zu setzen und sich bewusst zu machen, dass dieser die persönliche Sichtweise immer beeinflusst – ein interessanter Aspekt, wenn es zum Beispiel um Mehrfachdiskriminierungen geht. Auch betont sie, dass die alphabetische Reihenfolge nicht die logische Aufklärungsreihenfolge sei, sie ersetze keinen Rassismusworkshop und sei lediglich eine Sammlung von Begriffen zum Thema Rassismus.

… und Impulsgeber

Aber was genau ist denn nun dieses „rassismuskritische Alphabet“? Eine Schlagwortsammlung, könnte man sagen. Der Aufbau ist dabei immer gleich: Jedes „Kapitel“ startet mit einer Illustration des jeweiligen Buchstabens (eine pfiffig-kreative Anlehnung an das Wort unter diesem Buchstaben), gefolgt von einer Begriffsdefinition und einem Kommentar von Ogette und endet schließlich mit einem Impuls. Manchmal ist dies eine Frage, die die Autorin ihren Leser:innen stellt, an anderer Stelle eine Aufforderung irgendetwas zu tun oder zu überlegen oder die Seite gibt Platz für eigene Gedanken her sowie Hinweise auf weiterführende Informationen.

Dank den kommentierenden Seiten von Ogette und den Impulsseiten geht das Buch über die Postings bei Instagram hinaus, denn die Bilder und Definitionen sind für das Buch selbst nicht verändert worden.

Kompakt …

„Ein rassismuskritisches Aphabet“ ist durch die geringe Seitenanzahl und die übersichtlichen Informationen kompakt und zusätzlich durch die Impulse auch interaktiv nutzbar. Ogette spricht Leser:innen direkt an, arbeitet viel mit Bildern und Vorstellungen oder auch umgedrehten Beispielen, um die Problematiken leichter greifbar und – besonders für weiße Leser:innen weniger „abstrakt“ zu machen. Damit ist das Buch sehr leicht zugänglich, wenn auch kein allesumfassendes Nachschlagewerk.

„Rassismus ist ein großes, komplexes Thema. Rassismuskritisch denken und Leben zu lernen ist eine lebenslange Reise.“ (Vorwort von Tupoka Ogette)

Durch die Impulse und die lebhafte Sprache ist Ogettes Alphabet mehr als nur ein (erster) Kontakt zu rassismuskritischer Auseinandersetzung. In der Aufgabe zu F wie „Farbignoranter Rassismus“ ruft sie zum Beispiel dazu auf, eigene Antworten auf eine Aussage wie „Ich sehe aber keine Hautfarben“ zu überlegen. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass es nicht selten schwerfällt, in einem Gespräch mit anderen Menschen direkt gute Argumente verständlich ausformuliert im Kopf zu haben – selbst wenn man hierzu viel gelesen und gehört hat und sich gut informiert wähnt.

… und interaktiv

Auch auf anderen Wegen gibt das Buch uns Leser:innen Futter für weitere Recherchen: Markierte Begriffe in den Texten verweisen entweder auf ein Keyword bei einem anderen Buchstaben, oder heben wichtige Personen hervor und nennen weitere maßgebliche Begriffe im Rahmen antirassistischer Aufklärungsarbeit.

In „Ein rassismuskritisches Alphabet“ gibt es also an vielen Stellen leicht zugängliche Möglichkeiten, sich mit dem Thema Rassismus weiter und vertieft auseinanderzusetzen und auch sich selbst immer wieder zu überprüfen und weiterzubilden. Von mir eine klare Empfehlung – für Aussteiger aus Happyland oder Fortgeschrittenere, und überhaupt alle Interessierten ab etwa 14 Jahren.

Ein rassismuskritisches Alphabet. Tupoka Ogette. cbj Verlag. 2022.

Pia Zarsteck

Pia Zarsteck

Pias Liebe zur Literatur hat sie vor Jahren an die Uni Bremen geführt, wo sie bis zum Masterabschluss Germanistik studierte. Heute ist sie Vorsitzende im Bücherstadt e.V., Mama einer Vierjährigen und beruflich ganz woanders unterwegs - aber immer noch vernarrt in Bücher und Spiele. Ein Leben ohne die Bücherstadt kann sie sich nicht vorstellen.

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