Vom Bahnhof in die große Welt

von | 03.08.2017 | Auditorium, Hörbücher

Was muss passieren, damit ein vollkommen zurückgezogener Mensch plötzlich aufgerüttelt wird und seine Lebensfreude zurückgewinnt? Vielleicht muss einfach mal die Liebe bei ihm anklopfen! Das jedenfalls passiert in „Die wundersame Reise eines verlorenen Gegenstands“ von Salvatore Basile. Worteweberin Annika hat das Hörbuch in der Lesung von Annina Braunmiller-Jest gehört.

Der dreißigjährige Michele arbeitet und lebt an einem kleinen italienischen Bahnhof, den er auch sonst nicht verlässt. Zwei Mal am Tag, einmal morgens, einmal abends, hält hier ein Zug. Jeden Abend kontrolliert Michele, ob im Zug etwas liegengeblieben ist, danach kocht er sich eine Suppe. Die verlorenen Gegenstände bewahrt er in seiner Wohnung auf, wo sie ihm die einzige Gesellschaft sind, mit der er sich wohlfühlt.

So geht es jeden Tag, bis plötzlich Elena vor seiner Tür steht, die plappert wie ein Wasserfall und durch Micheles beschauliches Leben wirbelt. Sie bringt ihn dazu, seit vielen Jahren zum ersten Mal das Bahnhofsgelände zu verlassen und seine Gewohnheiten zu hinterfragen. Und sie gibt ihm den Mut, nach seiner Mutter zu suchen, die die Familie verließ, als Michele noch ein Kind war. Um sie wiederzufinden, muss Michele sich auf eine Reise durch Italien begeben, bei der er einiges über sich und das Leben lernt.

Die Figuren Elena und Michele erscheinen sehr liebenswürdig und Annina Braunmiller-Jest gelingt es in der Lesung gut, beiden Figuren Charakter zu verleihen. Auch wenn man daran zweifeln kann, ob es jemanden wie Michele im richtigen Leben geben könnte, macht es Spaß, seine Verwandlung mitzuverfolgen und mit ihm auf Reisen zu gehen. Auch die anderen Figuren, die Michele während seiner Reise kennenlernt, sind interessant und machen die Geschichte abwechslungsreich, zum Beispiel seine plötzlich auftauchende Schwester mit dem putzigen Sohn, der mit einem Fernglas nach Eisbären Ausschau hält.

Doch es gibt auch Kritikpunkte an Micheles Geschichte. Nach nur einigen kurzen Gesprächen ist ihm und Elena klar, dass sie einander unendlich lieben. Da beide Figuren schrullig sind und Michele außerdem nicht gerade geübt im Umgang mit Menschen, gibt es einige Missverständnisse zwischen den beiden – die aber nichts daran ändern, dass beide sich immer sicher sind, in einander die große Liebe gefunden zu haben.

Worüber aber nicht geredet wird, so dass man die beiden manchmal am liebsten anstupsen würde, damit sie endlich zueinander finden können. Diese unausgesprochene Sicherheit zwischen den Liebenden wirkt übertrieben und erscheint nicht besonders glaubwürdig. Gleichzeitig macht sie die Geschichte stellenweise sehr vorhersehbar und langatmig. So ist das Hörbuch von „Die wundersame Reise eines verlorenen Gegenstands“ eine nette Unterhaltung für zwischendurch und dürfte zum Beispiel Fans von „Das Rosie-Projekt“ gut gefallen, vermag aber nicht komplett zu fesseln.

Die wundersame Reise eines verlorenen Gegenstands. Salvatore Basile. Gekürzte Lesung mit Annina Braunmiller-Jest. Random House Audio. 2017.

 

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