Ungeschreiblich: Über wirklich schlechte Literatur

von | 23.11.2018 | Belletristik, Buchpranger

Wir alle haben schon einmal von einem Buch behauptet, dass es schlecht ist. Zeilenschwimmerin Ronja hat nun allerdings in einer wagemutigen Expedition den Boden der Schlechtigkeit durchbrochen und ist in die Kellergewölbe hinabgestiegen.

Vor mindestens zwei Jahren, es können aber auch schon drei sein, schenkte mir jemand „Ein Licht in der Dunkelheit“ von  Stephanie Rose. Meine Begeisterung beim Anblick des Covers und nach Durchsicht des Klappentextes hielt sich ehrlich gesagt schon damals in Grenzen, der Hauptgrund dafür, dass dieses Buch so lange in meinem Stapel der ungelesenen Bücher (SuB) gelegen hat. Dort hätte es vermutlich noch einige Zeit weiter geschlummert, bis es irgendwann ungelesen in einem öffentlichen Bücherschrank gelandet wäre (diese Gefahr besteht bei geschenkten Büchern, so Leid es mir tut), wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, dieses Jahr möglichst viele SuB-Leichen zu lesen (Bücher, die länger als ein Jahr ungelesen sind). Und was wäre mir da fast entgangen!

Ein Paradebeispiel schlechter Literatur! Schlecht in gleich mehrfacher Hinsicht. Wenn es so schlecht ist, warum habe ich es dennoch durchgelesen? Aus schlichter, stumpfsinniger Albernheit. Meiner Mitbewohnerin und mir war langweilig. Gedankenlos zog ich ein Buch hervor und begann, vorzulesen. Nach wenigen Seiten stand für uns fest, dass es besser wäre, dieses Buch zur Seite zu legen. Stattdessen packte uns der – nennen wir es mal – Ehrgeiz und aus unserer Verzweiflung angesichts der Schlechtigkeit entstand ein Trinkspiel der anderen Art: für jede der zahlreichen, ständig wiederholten Standardformulierungen einen Schluck Wasser. Nach zwei Kapiteln (nicht einmal 40 großzügig bedruckte Seiten) hatten wir (jede für sich) beinahe drei Liter getrunken. Es muss nicht erläutert werden, warum dieses Trinkspiel keinen Fortbestand haben kann.

Nachfolgend möchte ich (sehr ausführlich) darlegen, warum „Ein Licht in der Dunkelheit“ so schlecht ist, dass dieses Urteil nicht mehr allein auf Geschmack oder eine gewisse Leseerfahrung zurückzuführen ist. Bevor ich anfange, möchte ich mich aber noch bei der Person entschuldigen, die mir das Buch geschenkt hat: Ich weiß das Geschenk trotzdem zu schätzen und es hat mir einige Stunden – nicht Lesevergnügen, das kann man nicht sagen – Lesezeit beschert. Und deine Widmung war wirklich sehr nett.

Die formale Schlechtigkeit

Das Cover wirkte auf mich, wie gesagt, bereits abschreckend. Langweilig und nicht sonderlich hingebungsvoll gestaltet (auch wenn die Illustration durchaus von jemandem mit grundlegendem zeichnerischen Talent gefertigt wurde). Jetzt muss ich allerdings sagen: Das Cover ist so ziemlich das Beste am ganzen Buch, gemeinsam mit der stabilen Bindung. Der Klappentext ist ziemlich nichtssagend, gibt die Geschehnisse falsch wieder und noch dazu wird nur eine der Hauptpersonen namentlich erwähnt. Aber Klappentexte sind ja häufig schlecht, hier steht er nur bereits sinnbildlich für den Rest des Romans.

Die formale Schlechtigkeit entsteht vor allem durch das bescheidene Layout und das noch bescheidenere Lektorat (sofern es eines gab, was ich anzweifle). Das „Layout“ besteht aus Word-Standardelementen wie etwa den Überschriften, einem automatisch generierten Inhaltsverzeichnis und Times New Roman in Schriftgröße 12. Das kann man grundsätzlich schon machen, aber bitte mit etwas Mühe dahinter! Bei so vielen Zeilenumbrüchen ist der Blocksatz kaum noch vom Flattersatz zu unterscheiden, geschweige denn, dass so viele Zeilenumbrüche überhaupt sinnvoll und notwendig sind. Dasselbe gilt für die zahlreichen überflüssigen Absätze, die die Erwartung wecken, dass nun ein Orts- oder Zeitwechsel folgt, was häufig nicht der Fall ist. Gleichzeitig fehlen andernorts die Absätze, sodass eben jene Orts- und Zeitwechsel von einer Zeile zur anderen erfolgen und erst einmal Verwirrung stiften.

Das „Lektorat“ scheint mir überwiegend aus der Rechtschreibkorrektur von Word bestanden zu haben (welche ja mittlerweile wirklich recht zuverlässig ist) und dennoch sind noch einige grobe Schnitzer drin. Mein Lieblingsfehler ist „ungeschreiblich“, da er ungewollt ein beschreibendes Wort für den Roman hervorgebracht hat. Aber abseits von verzeihlichen Tipp-, Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehlern (davor ist ja niemand ganz gefeit), hätte ein Lektorat auch auf vieles andere achten müssen, auf das ich in den folgenden Abschnitten eingehen werde. Aber was will man von einem Lektorat erwarten, wenn nicht einmal die angehängten kurzen Werbetexte für andere seltsame Bücher des Verlags (dazu später mehr) fehlerfrei sind?*

Die sprachliche Schlechtigkeit

Kommen wir nun zur Formulierung und dem sprachlichen Stil, sofern man es Stil nennen möchte. Es ist allerdings eher stillos, wenn es zu solch sprachlichen Blüten wie „raubvogelartige Vögel“ kommt. Vor allem aber ist das Vokabular, mit dem der Roman auskommt, insgesamt sehr begrenzt. Der Gefühlsausdruck der Figuren beschränkt sich weitgehend auf folgende Reaktionen: erschauern (alternativ auch erschaudern geschrieben), betrübt, nicken, kopfschütteln, zittern, erröten, lächeln, blicken, stirnrunzeln, Augen zusammenkneifen, rollenden Tränen und einem schneller schlagenden Herz. Wenn sie einmal grinsen, ist schon die höchste Variation erreicht. Noch schwerer zu ertragen werden diese ständigen Wiederholungen dadurch, dass sie nicht selten innerhalb von wenigen Zeilen, manchmal gar im selben Satz aufeinanderfolgen.

Das gleiche gilt für zahlreiche altbekannte Standardfloskeln (wie etwa „die Augen zu Schlitzen zusammenkneifen“). Dazu gesellen sich wenig innovative Metaphern („ihr Haar glänzte wie Sternenlicht“) und die übermäßige und meist unnötige Nutzung von Adjektiven. Anstatt die Taten oder Aussagen ihrer Figuren für sich sprechen zu lassen, schafft die Autorin ständig Dopplungen im Stil von: „Ja“, nickte sie zustimmend. Darüber hinaus sind einige Wörter auch noch falsch verwendet. Ich kann nicht sagen, wie häufig eine Figur entgeistert war, obwohl sie vielmehr genervt oder lediglich milde überrascht hätte sein sollen. Entgeistert ist man im Alltag (und die Figuren erleben sehr viel Alltag) in der Regel nicht sehr häufig.

Platt und hölzern fällt die wörtliche Rede vor allem dadurch auf, dass sich die Autorin scheinbar nicht zwischen der altertümlich angehauchten Anredeform Ihr und Eurer und einer sehr umgangssprachlichen Rede entscheiden konnte. Besondere Highlights dabei sind: ok (immer wieder auch okay geschrieben), cool und Kumpel. Und bestes Beispiel für die ungewollte Komik der wörtlichen Rede ist ein „Bösewicht“, der „Es war mir eine Freude, euch zu unterwandern!“ sagt.

Die inhaltliche Schlechtigkeit

Dieser Abschnitt muss noch weiter aufgeteilt werden, da die drei Aspekte, die hier besprochen werden sollen, sehr umfangreich sind. Zuerst soll es um die Figuren gehen, anschließend werden auch die phantastische Welt und die Handlung an sich in den Fokus gerückt.

Die Schlechtigkeit der Figuren

In ein oder zwei Amazon-Rezensionen zu diesem Buch ist davon die Rede, dass es zu viele Charaktere gäbe und man sie dadurch häufig durcheinander bringe. Ich behaupte das Gegenteil: Es sind nicht zu viele Charaktere (alles in Allem um die 15 Stück, das sollte man sich merken können). Es sind eigentlich gar keine Charaktere. Um diese Bezeichnung zu verdienen, müssten sie so etwas wie Charaktereigenschaften besitzen. Dafür sind jedoch sämtliche Figuren zu blass gezeichnet, und selbst blass ist noch zu hoch gegriffen.

Äußerliche Beschreibungen der Figuren beschränken sich (sofern es überhaupt dazu kommt) auf Haar- und Augenfarbe, ab und zu noch mal ein Kleidungsstück. „Charakterliche“ Beschreibungen werden meist von anderen Figuren in wörtlicher Rede oder Gedanken vorgenommen, anstatt das Verhalten der Figuren für sich sprechen zu lassen. Auf diese Weise erhalten anfangs wenigstens manche der Hauptfiguren eine Eigenschaft. Besonders hervorgehoben wird hier die „Mütterlichkeit“ und Häuslichkeit von Yvannie, die ihr tatsächlich auch konstant erhalten bleibt. Dafür verschwindet ihre schwermütige, verantwortungsvolle (sinnlose) Ernsthaftigkeit vom Anfang scheinbar über Nacht, sodass sie am Ende von einer anderen Figur um ihre „ständige Fröhlichkeit“ beneidet wird. Das restliche Personal hat zumeist keine einzige individuelle Eigenschaft. Sie verhalten sich grundlegend gleich: Die Guten vermeiden Gewalt, lächeln viel, weinen viel, geraten kaum aneinander (und wenn, dann nur aus sehr fadenscheinigen Gründen) und die Bösen sind einfach böse, einen Grund braucht es dafür wohl nicht.

Dabei gibt es nicht einmal viele Figuren, die böse sind. Insgesamt werden nur fünf „Böse“ eingeführt, von denen eine von Beginn an zu den Guten überlaufen will, ein anderer auch schon mit einer anscheinend angeborenen Gutmütigkeit „geschlagen“ ist und zwei weitere durch Überzeugungsarbeit, Magie und Versprechen auf die gute Seite überlaufen, sodass am Ende nur die böse Königin als Gegner übrigbleibt. Aber was will man auch von Bösewichten erwarten, die sich als Spion unter Guten aus einer inkriminierenden Situation mit „Ich musste auf Toilette!“ herausreden? Das muss in der Tat ein sehr stilles Örtchen sein, auf dem man eine schreiende Menschenmenge in der  Nähe nicht hören kann. Aber gegen natürliche Zwänge kann man eben nichts tun.

Die Namensgebung ist ein weiterer Kritikpunkt. Während die erste Hälfte der Figuren Phantasienamen erhalten hat, stoßen plötzlich nur noch Leute mit alltäglichen (englischen) Namen dazu (Chris, Ellias und Lauren). Genauso inkonsistent ist ihr Alter. Es scheint so, als wäre sich die Autorin selbst nicht sicher, wie alt ihre Figuren sein sollen. Figuren, die zu Beginn als „Mädchen“ beschrieben werden, sind später auf einmal alt genug, damit sich eine romantische Beziehung zu einem „jungen Mann“ entwickeln kann. Das gilt auch umgekehrt: Ein Junge, dessen Alter als einziges konkret angegeben wurde (zwölf) ist später in die erwachsene, böse Königin verliebt (welche die Gefühle – zumindest dem Anschein nach – auch noch erwidert). Das kann mir niemand damit schön reden, dass er eine „alte Seele“ hat (dazu mehr im nächsten Themenbereich).

Wo wir gerade schon bei zwischenmenschlichen Beziehungen sind: Die entwickeln sich hier generell sehr sprunghaft. Kaum ist jemand aufgetaucht, scheint es allen schon so „als würden sie sich ewig kennen.“ Ein gesundes Misstrauen Fremden oder auffälligen Personen gegenüber, die einfach so im Nirgendwo auftauchen oder in den ungünstigsten Momenten plötzlich auf die Toilette verschwinden, scheint allen unbekannt zu sein. Genauso schnell schmeißen sie sich gegenseitig an die Hälse, im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt fast keine Hauptfigur (oder Nebenfigur), die nicht zu irgendeinem Zeitpunkt mal wegen einer anderen Figur erschauert oder Gefallen an jemandem findet. Dass am Ende keine große Massenhochzeit stattfindet, ist tatsächlich ein Wunder.

Es bleiben aber immer noch genug Klischees, keine Sorge. Die traditionelle Rollenverteilung der Geschlechter ist geradezu par excellence abgebildet: Kochen und Spülen ist Frauensache, die Männer werden aus der Küche verjagt, die Frauen und Mädchen zittern ständig (ob vor Kälte oder Angst ist ganz egal) und die Männer müssen die armen, wehrlosen Frauen natürlich beschützen. Daher ist es ganz selbstverständlich, dass auch nur die Männer der Reisegruppe ein Schwert erhalten. Selbst diejenigen Frauen, die sich mit Magie zur Wehr setzen könnten (und es gelegentlich auch mal tun), werden weiterhin als wehrlos dargestellt und bleiben oft bereitwillig hinter den Männern zurück.

Zu all dem gesellt sich schließlich noch eine ermüdende Pseudo-Emotionalität. Überall glitzert gleich eine Träne im Auge oder platte, unlustige Bemerkungen lösen eine wahre Lachsalve aus. Dabei wird dann auch noch die angebliche Schicksalsgeschlagenheit der Figuren betont, aber niemals erklärt, was nun eigentlich so furchtbar an ihrer Vergangenheit ist. Eine Figur etwa hat – wie im ersten Drittel ständig betont wird – ihre Eltern verloren und hasst Regen (hassen, nicht nur „nicht mögen“). Hat der Tod ihrer Eltern eine Bedeutung? Wie sind sie gestorben? Hat ihr Hass gegenüber Regen damit etwas zu tun? Scheinbar nicht, es wird später nie wieder angesprochen, obwohl vorher so ein Brimborium darum gemacht wurde.

Die Schlechtigkeit des World Buildings

„Ein Licht in der Dunkelheit“ ist eindeutig ein Fantasyroman, der nicht in unserer Welt spielt. Es gibt Einhörner (mit lila Mähne!), Magie und eine ausgedachte, sehr mangelhafte Sprache (deren Klang sich aus der Schreibweise rein gar nicht erschließt). Nun ergibt sich allerdings das Problem, dass überhaupt nicht deutlich wird, wie man sich diese Welt vorzustellen hat. Eine Karte ist in diesem Genre zwar häufig dabei, aber ja kein Muss. In diesem Fall hätte sie vor allem auch gar nichts gebracht, da nur ein Land einen Namen hat und die Himmelsrichtungen manchmal ein wenig durcheinander zu fliegen scheinen, wenn Figuren, die auf dem Weg nach Norden sind, auf einmal nach Westen oder Osten gehen – ohne Angabe eines Grundes. Landschaftsbeschreibungen sind fast genauso spärlich gesät wie Personenbeschreibungen. Am ausführlichsten wird noch ein See beschrieben, der immer ruhig und warm ist (warum, wird nicht geklärt), an dessen Ufer eine sprechende Weide steht (wieso sie sprechen kann und vor allem, warum sie plötzlich eingeht, erfährt man nicht). Daneben gibt es noch ein Tal der Einhörner, eine Einöde, einen Sumpf und natürlich Wälder. Einer davon beherbergt besondere Bäume, deren Seelen in menschenartiger Gestalt umherwandern können. Bloß wieso? Was sind das genau für Wesen? Weitere Fragen, die ungeklärt bleiben.

Genauso ungewiss ist auch das gesamte Konzept der Magie, das die Grundlage für den Roman ist. Es soll ein Gleichgewicht zwischen Gut und Böse geben, das plötzlich gestört wird. Schön und gut. Aber warum und von wem wurde es gestört? Warum gibt es eine Auserwählte, die das Gleichgewicht wieder herstellen kann? Und wie schafft sie das? Noch verwirrender wird die Störung des Gleichgewichts, als es plötzlich heißt, dass für jeden Anhänger der dunklen Magie, der auf die gute Seite wechselt, jemand von den Guten zu den Bösen überläuft. Wie kann dann das Gleichgewicht gestört werden? Und noch wichtiger: Wie kann am Ende das Gleichgewicht wieder hergestellt sein, wenn das Böse vollständig besiegt wurde?

Bleiben wir gerade noch einmal bei den Bösen. Diese werden konstant als Morva bezeichnet. Allerdings scheinen sie sich von Menschen äußerlich nicht weiter zu unterscheiden, dennoch werden sie sofort als solche erkannt. Außer natürlich der Meister des Unterwanderns, Herr Ich-War-Auf-Der-Toilette, der sich tagelang erfolgreich als jemand anderes ausgeben kann. Daneben gibt es noch sogenannte Gwa’ath, deren Gestalt äußerst unbestimmt bleibt. Sie scheinen furchterregend auszusehend – der Reaktion der Figuren nach –, haben Arme (mit denen sie mit Vorliebe drohend umherwedeln) und können sprechen. Doch nicht einmal die Gwa’ath sind unverrückbar auf der dunklen Seite, am Ende laufen auch einige von ihnen über. Zumindest kurzfristig. Das ist schon ein Kapitel später überhaupt nicht mehr relevant, obwohl dort die „große Abschlussschlacht“ stattfindet.

Nun, wie versprochen, zu den „alten Seelen.“ Fast sämtliche Hauptfiguren sind wiedergeborene, uralte Seelen, die sich alle aus ihrem früheren Leben kennen. Sie sind „die Wächter.“ Ausgelöst durch das Aufeinandertreffen mit einer vorerst scheinbar magie-unbegabten Person, erinnern sie sich plötzlich an ihr früheres Leben. Diese Erinnerungen brauchen bei den ersten Wächtern mehrere Tage, wenn nicht gar Wochen (schwer zu sagen, wenn immer Vollmond und nur eine Nacht Neumond ist), um wiederzukommen. Bei fortschreitender Handlung und jedem neu hinzukommenden Wächter kehren die Erinnerungen schneller, beinahe augenblicklich, zurück. Passenderweise können sie sich aber immer ausgerechnet an die Dinge nicht erinnern, die „unvorhergesehene Entwicklungen“ in der Handlung vorweggenommen hätten. Beispielsweise die frühere Affäre des (nun) zwölfjährigen Jungen mit der bösen Königen, die seinen Verrat rechtfertigen soll, zuvor aber überhaupt nicht angedeutet wurde. Was mich zu …

Der Schlechtigkeit der Handlung

… führt. Ein großer Teil guter und erfolgreicher Romane nutzt überraschende Wendungen, um Spannung aufkommen zu lassen. Je nachdem, wie viel man selbst schon gelesen hat und wie ausgefuchst die Wendung ist, ist die Überraschung manchmal nicht mehr ganz so groß, aber der Wille zählt, heißt es ja. Der Wille zu unvorhergesehen Wendungen war auch bei Stephanie Rose vorhanden, doch es fehlt etwas Entscheidendes: der faire Einsatz von Hinweisen. Wenn eine Wendung, so wie hier des Öfteren, eintritt, ohne dass es auch nur eine Chance zum Mitraten gab, weil keine einzige Figur sich auffällig verhält, dann ist sie nicht mehr unvorhergesehen, sondern unvorhersehbar und damit keine Wendung mehr, sondern Willkür.

Sicherlich ebenfalls in der Absicht, die Spannung zu steigern, halten auch mehrere Figuren wichtige Informationen (etwa über ihre eigene Person), den LeserInnen (und anderen Figuren) gegenüber, mehrere Kapitel lang zurück, obwohl klar ist, dass sie sie kennen. Was einige Seiten verzeihlich ist, wird schnell nervig. Wirklich verwirrend wird es dort, wo die Kontinuität durch das Auslassen von Informationen verloren geht. Ganz plötzlich befinden sich Figuren an anderen Orten oder hat sich die Reisegruppe getrennt, ohne dass man weiß, was dazwischen passiert ist. Manchmal werden die Informationen nachgereicht, doch anderes fällt einfach unter den Tisch. So verschwinden etwa die hilfreichen, riesigen „raubvogelartigen Vögel“ von einer Seite auf die andere, ohne danach jemals wieder erwähnt zu werden. Vermutlich weil sie einfach jedes Problem gelöst hätten, so wie in „Der Herr der Ringe“.** Diese Auslassungen werden noch zusätzlich ermüdend, da die Autorin es tatsächlich durchgängig schafft, ausgerechnet die Stellen mit echtem Spannungspotenzial nicht zu erzählen: Herr Ich-war-Auf-Der-Toilette verzaubert die anderen und führt einen Teil von ihnen fort – nicht berichtet. Zwölfjähriger Junge tötet ein Mitglied der Reisegruppe und flieht anschließend – nicht berichtet. Auffinden der Leiche am Morgen – nicht berichtet.

Stattdessen kommt die Handlung einfach nicht in den Gang. Aufbrüche zur nächsten Reiseetappe werden immer wieder aus langweiligen Gründen verschoben, die dann ganz ausführlich in ellenlangen Unterhaltungen wiedergegeben werden. Bis zur Hälfte des Romans ist eigentlich noch nichts wirklich passiert und selbst danach ist Spannung eindeutig das falsche Wort. Sämtliche Hindernisse, denen die Reisegruppe begegnet, können sie ohne größere Probleme überwinden. Der Grad ihres Zitterns und ihrer Verzweiflung ist immer größer als das eigentliche Hindernis.

Ein ernsthafter Einwurf zur Zwielichtigkeit des Verlages

Ein ganz eigenes Thema ist auch noch der Verlag, der „Ein Licht in der Dunkelheit“ veröffentlicht hat: „Das Neue Licht Verlag“, ein Teil des „Jim Humble Verlag“. Nun sind beide Namen nicht bekannt und dafür gibt es einige gute Gründe, von denen die literarischen bereits angesprochen wurden. Weshalb ich jedoch noch einmal besonders auf den Verlag eingehen möchte, erklärt sich aus der zwielichtigen Werbung am Ende des Buches und den fragwürdigen Waren, die auf der Website des Verlages feilgeboten werden. Dort wird etwa für Tropfen geworben, die angeblich Wasser von jeglicher Verunreinigung reinigen sollen (und sie meinen wirklich jegliche: Viren, Bakterien, Schwermetalle, chemische Rückstände und Plastik – wer nur etwas im Chemieunterricht und in Biologie aufgepasst hat, weiß, dass das bei so unterschiedlichen Krankheitserregern und Stoffen mit nur einem Mittel völlig unmöglich ist).

Dazu gibt es dann gleich noch die passenden Fachbücher, die die Anwendung eben jener Tropfen für eine ganze Bandbreite von Krankheiten (inkl. AIDS) empfehlen (wohlgemerkt, es sind dieselben Tropfen, die auch Chemikalien, Schwermetalle und Plastik entfernen sollen – wohl bekomm‘s). Die Erklärung, warum ein solches Allheilmittel (geradezu eine Eierlegende-Woll-Milchsau, nicht wahr?) nicht allgemein bekannt ist, wird gleich mitgeliefert: Die Pharma-Industrie lässt das nicht zu. Die Grenze zwischen alternativer, ergänzender Naturheilkunde und potenziell gesundheitsgefährdenden Verschwörungstheorien ist hier schon längst überschritten.***

Ein aufmunterndes Schlusswort: Es kann nur besser werden

Ich habe schon bei einigen Büchern behauptet, dass sie schlecht sind, doch rückblickend muss ich sagen: So schlecht waren die meisten davon gar nicht. Manche davon haben mich wenigstens wütend gemacht, andere hatten zumindest phantasievolle, ungewöhnliche Ideen oder eine angenehme Sprache. „Ein Licht in der Dunkelheit“ hat mich völlig kalt gelassen. Nicht einmal die Schlechtigkeit selbst hat mehr Emotion als Resignation ausgelöst. Wenn ich also auf Teufel komm raus irgendeinen positiven Aspekt aus dieser Lektüre herausziehen müsste, dann wäre es die Tatsache, dass dadurch eine Menge anderer Bücher in deutlich besserem – Hehe! – Licht dastehen.

* Von dem Gedicht, das an den Was-Danach-Geschah-Epilog anschließt, dessen positive Eigenschaft das Nichtvorhandensein von „Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende“ ist, will ich gar nicht erst anfangen.

** Dazu zwei Anmerkungen: a) Ich möchte „Der Herr der Ringe“ keineswegs mit „Ein Licht in der Dunkelheit“ vergleichen. Die zwei sind wie – aufgepasst, Wortwitz – Licht und Schatten. Aber da das plötzliche Verschwinden der Riesenvögel wohl darauf zurückzuführen ist, dass die ganze Reise danach wegfallen würde, erinnerte ich mich b) an die YouTube-Videos von „How It Should Have Ended“ zur Herr-der-Ringe- und Hobbit-Trilogie. Wer sie noch nicht kennt, sollte mal bei ihrem Kanal vorbeischauen.

*** Üblicherweise ist der Bücherstadt Kurier kein Ort für derlei mahnende Hinweise. Das hier ist mir jedoch ein persönliches Anliegen.

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