Ungeschreiblich: Über ein Hai-Light des schlechten Films

von | 25.09.2019 | Filme, Filmtheater

Der Titel „Sharknado“ dürfte einigen bekannt sein und somit für gehobene Augenbrauen und möglicherweise leicht hysterisches Lachen sorgen. All jene Glücklichen, die ihn nicht kennen, sollten schleunigst das Weite suchen. Wir begeben uns nun in himmel- oder vielmehr haischreiende Untiefen des Films. – Von Zeilenschwimmerin Ronja

Eine Erklärung vorab: Ja, ich habe mir diesen Film freiwillig angesehen. Und ja, ich glaubte zu wissen, was mich erwartet. Und nein, ich bin nicht verrückt, jedenfalls nicht mehr als andere Menschen hier. Warum also habe ich  mir das angetan? Alles begann mit einem Buch, das sich als das schlechteste Buch entpuppte, das ich bisher gelesen habe.* Daraus entstand ein – sagen wir mal – wissenschaftliches Interesse an schlechter Literatur. Gibt es so etwas wie „objektive Schlechtigkeit“? Und wenn ja, was sind die Kriterien dafür? Meine Studien dauern an und werden festgehalten. Weitere Einblicke folgen, sofern ich vorher nicht verzweifle.

Ausgehend von diesem Interesse an schlechter Literatur, lag ein Abstecher in Bereiche des schlechten Films sehr nahe. Dem Internet sei Dank – oder auch nicht –, gibt es zahlreiche Vorschläge für schlechte Filme. Ganz wie bei Büchern habe ich auch schon von vielen Filmen behauptet, sie seien schlecht. Etwa jene Robin Hood-Verfilmung, in der sie mit Kutschen über geteerte Straßen fahren. Oder der zehntausendste platte Liebesfilm, bei dem man den Dialog voraussagen kann. Diese Filme sind weiterhin nicht gut. Aber, wie ich jetzt weiß, sie sind auch nicht von vollkommener Schlechtigkeit.

Aller schlechten Dinge sind zu viel

Kommen wir also zu „Sharknado“ – genauer: zum ersten Teil, denn mittlerweile wurden fünf oder sechs Teile produziert. (Es ist zum Verzweifeln.) Was genau in den  Folgefilmen passiert, kann ich nicht sagen, denn die habe ich mir nicht angetan, doch ich gehe davon aus, dass sie sich alle in „Stil“ und „Inhalt“ recht ähnlich sind. Etikettenschwindel kann man „Sharknado“ immerhin nicht vorwerfen, es geht genau um das, was der Titel besagt: um einen Tornado, in dem Haie fliegen. Fragt nicht, das bringt ohnehin nichts.

Eigentlich ist das auch mein Fazit zum Film: Fragt einfach nicht. Logische Fragen zu stellen ist schon bei besseren Filmen nicht immer ratsam. Hier jedoch fällt das Konstrukt schon zusammen, ohne dass man überhaupt irgendeine Frage gestellt hat. Natürlich, wir bewegen uns hier im Genre des trashigen, actiongeladenen Hai-„Horrors“, Logik und physikalische sowie biologische Gesetze sind ohnehin kein Maßstab, an dem ein derartiger Film gemessen werden sollte. Und dennoch ist es unmöglich, sich nicht darüber zu wundern, dass tausende von Haien einen Schwarm bilden, von einem Tornado in die Luft gesogen werden und dort – ohne Wasser zum Atmen – überleben können.

Nicht, dass das nötig wäre, aber: Achtung, Spoiler …

Genauso unglaublich ist eine Szene am Ende des Films: Nachdem die einzige taffe, weibliche Figur von einem Hai verschluckt wurde, springt später der als Held gezeichnete Familienvater und Protagonist des Films in irgendeinen Hai, mit laufender Motorsäge voran. Es gelingt ihm nicht nur, sich unverletzt von innen aus dem Hai heraus zu sägen, nein, es ist ausgerechnet der Hai, der zuvor die Frau verschluckt hat und – Wunder, oh, Wunder – sie ist ebenfalls unverletzt. Obwohl sie von einem Hai verschluckt wurde. Obwohl sie wer weiß wie lange in einem Haimagen war. Obwohl unser Held mit einer laufenden Motorsäge in eben diesen Haimagen gesprungen ist.

Wohlgemerkt, nicht alles an diesem Film ist grottenschlecht. Ich habe schon schlechtere visuelle Effekte gesehen (was nicht heißt, dass sie gut sind). Ich habe auch schon schlechtere Kameraaufnahmen gesehen (was ebenfalls nicht heißt, dass sie gut sind). Und den Schauspieler*innen ist immerhin anzurechnen, dass sie ihre Zeilen aufsagen konnten, ohne durchgehend zu lachen.

Aus rein akademischem Interesse

Einerseits ist es mir ein Rätsel, wie etwas so Schlechtes wie „Sharknado“ Kultstatus erlangen und so erfolgreich sein kann, dass gleich mehrere Fortsetzungen produziert wurden. Andererseits wundert es mich nicht. In seiner puren Unlogik und Absurdität ist es genau das, was man in jugendlichem Leichtsinn und anderen mild-unzurechnungsfähigen Stimmungen ansieht, um danach behaupten zu können, man habe einen der schlechtesten Filme gesehen. Ich habe ihn selbstverständlich aus rein akademischem Interesse gesehen.

Wenn ihr euch gerade in einer derartigen mild-unzurechnungsfähigen Stimmung befindet oder aus wie auch immer gearteten anderen Gründen meint, euch „Sharknado“ ansehen zu müssen, bitte ich euch um zwei Dinge: a) Seht euch den Film bloß nicht alleine an. Nicht weil er besonders gruselig oder eklig wäre. Er ist in einer Gruppe nur leichter zu ertragen. Und b) bitte kauft diesen Film nicht neu, nicht auf DVD, Blu-Ray oder online. Leiht ihn aus, in einer Bibliothek, Mediathek, einer Videothek (sofern es die noch irgendwo gibt), von jemandem, der diesen Film seltsamer Weise besitzt. Falls ihr derart verzweifelt seid, kauft ihn gebraucht. Aber finanziert derartigen Wahnsinn nicht auch noch.

* Wer mehr über diese Episode  meiner „ungeschreiblichen“ Erlebnisse erfahren möchte, kann sie hier nachlesen.

Sharknado – Genug gesagt! Regie: Anthony C. Ferrante. Drehbuch: Thunder Levin. Mit Ian Ziering, Tara Reid, John Heard u.a. The Asylum. 2013.

 

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