Über traurige Elefanten und wütende Löwen

von | 04.11.2022 | Bilderbücher, Buchpranger

Dass wir Menschen erst mit der Zeit lernen, unsere Gefühle zu regulieren, vergisst man schnell und es wird erst wieder besonders deutlich, wenn man selbst ein Kind hat. Satzhüterin Pia hat sich zwei Neuerscheinungen zu starken Gefühlen für Kinder ab 4 Jahren genauer angesehen.

„Mein Elefant ist traurig“

Eines Morgens wacht die Hauptfigur in Melinda Szymaniks Kinderbuch „Mein Elefant ist traurig“ mit genau so einem auf der Brust auf: einem blauen Elefanten! In sehr minimalistischem Design mit viel Weiß auf den großformatigen Seiten, folgen wir der warmherzigen und einfühlsam erzählten Geschichte eines Kindes mit einer großen Traurigkeit.

Der in Blautönen getuschte Elefant ist omnipräsent, das Kind teilweise kaum zu sehen, während die Traurigkeit es überlagert. Stück für Stück schafft das Kind es mit Hilfe der Familie, die schwere Bläue des Elefanten in ein warmes und fröhliches Rosarot zu färben und gar neue Farben für das Gefühlstier zu erobern.

Die Geschichte ist mutmachend und hoffentlich hilfreich und erhellend für dunkle Gefühle oder Tage junger Kinder – damit kann es „ein bestärkendes Buch für weniger gute Tage“ sein, wie der Untertitel es auf den Punkt bringt. Dezente Elemente zum Schmunzeln, wie die amüsanten Buchtitel der Ratgeber, die die Mutter des Kindes liest, hellen die Stimmung auf – ein Buch über bedrückende Stimmungen muss schließlich nicht auch bedrückend sein.

„Ich wollte spazieren gehen, aber ich konnte ja nicht laufen, solange ein Elefant auf meiner Brust saß.“

Ein besonders schönes Detail ist, dass das Kind gleichermaßen weiblich wie männlich gelesen werden kann. Es bekommt weder per Pronomen noch Namen oder geschlechtsspezifischer Kleidung ein Geschlecht zugeordnet und erzählt selbst aus der Ich-Perspektive. So geht klischeefrei vorlesen!

Sehr gelungen ist auch, dass der Elefant – Sinnbild für die Traurigkeit – das Kind nicht ganz verlässt, wohl aber ein freundlicher Begleiter wird und keinesfalls eine Last ist, oder jemand, gegen den man kämpfen muss. Positive Menschen und Beschäftigungen sind dagegen der Fokus: „Blau lebt noch immer bei uns. Ich gehe mit ihm spazieren und wir machen alles, was uns Spaß macht, damit er immer rosa bleiben kann.“

Mein Elefant ist traurig. Ein bestärkendes Buch für weniger gute Tage. Melinda Szymanik (Text). Vasanti Unka (Illustrationen). cbj Kinderbuch. 2022. Altersempfehlung vom Verlag: ab 4 Jahren.

„Roarrr! Theo Wutlöwe im Gefühle-Dschungel“

Theos Bauklotzturm fällt um, just als er diesen stolz seinem Papa zeigen will. Die Wut kocht hoch … und über – Theo ist so wütend! Plötzlich findet er sich nicht mehr in seinem Kinderzimmer wieder, sondern in einem Dschungel. Er ist Theo Wutlöwe und findet sich nicht mehr zurecht.

Anfangs noch brüllend und über alles ungehalten, helfen ihm tierische Begleiter dabei, das Gefühl zu regulieren: sein netter Begleiter, der Papagei, eine ängstliche Maus, ein lustiger Affe und ein trauriges Krokodil – nach und nach wird Theo von ihnen aus dem „Rotsehen“ rausbegleitet.

Und hier ist schon die erste große Stärke dieses Bilderbuches über (kindliche) Wut: Das Kind wird begleitet, der Wut wird Raum gegeben und im Prozess nicht überlagert oder unterdrückt. Ein weiteres starkes Detail ist, dass es der Papa ist, der das Kind hier emotional begleitet – noch ein Positivbeispiel für klischeefreies Vorlesen.

„Löwen haben nicht nur ein LöwenWUT. Sie haben auch LöwenMUT.“

Durch die eher langen Textblöcke und die vielen Metaphern darin schätze ich die Altersempfehlung von 4 Jahren tendenziell als schwierig einzuhalten ein. In ruhigen Momenten kann man das Buch aber wohl auch vierjährigen Kindern gut vorlesen, über Gefühle ins Gespräch kommen und auf den gut gefüllten Seiten so einiges entdecken. Nur wenn das Kind selbst gerade ein „Theo Wutlöwe“ ist, dürfte das eher umfangreiche Bilderbuch nicht den Zugang erleichtern, dieses starke Gefühl zu meistern. Aber Geschichten wie die von Theo und seinen gefühlvollen Begleitern können vielleicht helfen, den Gefühlen ein Gesicht zu geben und sie einzuordnen.

Roarrr! Theo Wutlöwe im Gefühle-Dschungel. Eva Hierteis (Text). Andrea Stegmaier (Illustrationen). Penguin Junior. 2022. Altersempfehlung vom Verlag: ab 4 Jahren.

Pia Zarsteck

Pia Zarsteck

Pias Liebe zur Literatur hat sie vor Jahren an die Uni Bremen geführt, wo sie bis zum Masterabschluss Germanistik studierte. Heute ist sie Vorsitzende im Bücherstadt e.V., Mama einer Vierjährigen und beruflich ganz woanders unterwegs - aber immer noch vernarrt in Bücher und Spiele. Ein Leben ohne die Bücherstadt kann sie sich nicht vorstellen.

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