Über sich selbst im Bilde

von | 12.05.2017 | Belletristik, Buchpranger

Mit „Liebe mit zwei Unbekannten“ wurde Antoine Laurain international bekannt. Inzwischen ist auch sein Debütroman „Das Bild aus meinem Traum“ auf Deutsch erschienen. Worteweberin Annika hat ihn gelesen.

Pierre-François, der Protagonist in „Das Bild aus meinem Traum“, liebt Antiquitäten. Wahrscheinlich mehr als seinen Job als Jurist, auf jeden Fall aber deutlich mehr als seine Frau Charlotte. Sie kann nicht verstehen, dass Pierre-François in den alten Gegenständen die Seelen ihrer vorigen Besitzer zu spüren glaubt und verbannt deswegen alle Antiquitäten in ein kleines „Arbeitszimmer“. Die Begegnung zwischen Pierre-François und einem Gemälde setzt eine Kette von Ereignissen in Gang, die sein Leben – und das Dasein der Antiquitäten im Arbeitszimmer – aus den Fugen hebt.
Im Auktionshaus stolpert er nämlich über ein altes Portrait, auf dem er sich ganz deutlich selbst erkennt. Aber wie kann das sein? Und warum können die Menschen in seinem Umfeld die Ähnlichkeit nicht erkennen? Pierre-François beginnt nachzuforschen, und reist schließlich in die Bourgogne, um der Sache auf den Grund zu gehen.

„Das Bild aus meinem Traum“ ist ein kurzer Roman über Identität und darüber, sich selbst wiederzuentdecken. Pierre-François muss nämlich lernen, dass er erst ganz er selbst sein kann, wenn er sich aufgibt. Dass er dabei auch noch eine neue Liebe findet, ist vielleicht typisch für Antoine Laurain, in dessen anderen beiden auf Deutsch erschienenen Romanen die Liebe immer mindestens eine Nebenrolle gespielt hat.
Aber ebenso wie „Liebe mit zwei Unbekannten“ und „Der Hut des Präsidenten“ ist auch Laurains erster Roman, „Das Bild aus meinem Traum“ nicht kitschig oder pathetisch. Gleichwohl hat auch die Geschichte um Pierre-François etwas Traumhaftes, selbst wenn sich für alle Ereignisse um das Portrait logische Erklärungen finden. Für diese Erklärungen hätte sich der Roman ruhig ein wenig mehr Zeit nehmen können, statt zum Beispiel den Grund für die Ähnlichkeit von Pierre-François und dem porträtierten Mann in nicht mehr als einem Satz abzuhandeln. Dadurch hätte der Hauptcharakter an Tiefe und die Handlung an Spannung dazugewinnen können.

Möglicherweise erkennt man an diesen Punkten, dass es sich um Laurains ersten Roman handelt. Dafür ist aber besonders die Liebe des Protagonisten zu Antiquitäten deutlich spürbar – kein Wunder eigentlich, arbeitet doch der Autor selbst als Antiquitätenhändler (und Drehbuchautor) in Paris.

Das Bild aus meinem Traum. Antoine Laurain. Aus dem Französischen von Sina de Malafosse. Atlantik. 2016.

Liebe aus der Handtasche

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