Über Familientradition und Zugehörigkeit „Adam und seine Tuba“

by Zeichensetzerin Alexa

Adam und seine TubaSchwer­ter schlu­cken, Feuer spu­cken, auf einem Seil tan­zen, jon­glie­ren – die Artis­ten­fa­mi­lie Purz­l­ov­ski in Žiga X Gom­bačs und Maja Kas­te­lics neuem Bil­der­buch „Adam und seine Tuba“ begeis­tert in ihrem bun­ten Zir­kus­zelt kleine und große Zuschauer*innen auf der gan­zen Welt. Nur das jüngste Fami­li­en­mit­glied Adam scheint das alles nicht zu inter­es­sie­ren. – Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Adams Fami­lie hat alles ver­sucht, um ihm ver­schie­dene Artis­ten­tä­tig­kei­ten näher­zu­brin­gen, doch ver­ge­bens. Er kann weder mit Schwer­tern umge­hen noch eine mensch­li­che Pyra­mide bil­den noch Ein­rad fah­ren. Bald fra­gen sich seine Eltern: Was haben sie bloß falsch gemacht? Aber bei einer Zusam­men­kunft der gesam­ten Fami­lie, aus­ge­nom­men Adam, bei der es um genau die­ses „Pro­blem“ geht, wird ein noch viel wich­ti­ger Gedanke geäu­ßert: „Ver­su­chen wir her­aus­zu­fin­den, was ihm gefällt.“ Wieso ist die Fami­lie nicht schon viel frü­her dar­auf gekommen?

„Adam und seine Tuba“ ist ein schö­nes Bei­spiel für Grup­pen­dy­na­mi­ken, in denen es darum geht, sich anzu­pas­sen. Die Fami­lie Purz­l­ov­ski hat eine sehr kon­krete Vor­stel­lung davon, wel­che Kunst­stü­cke in einen Zir­kus gehö­ren, und ver­sucht dem­entspre­chend, Adam ihre eige­nen Inter­es­sen über­zu­stül­pen. Im Bil­der­buch wird das zwar als lie­be­volle Absicht ver­packt, doch diese täuscht nicht dar­über hin­weg, dass die Fami­li­en­mit­glie­der der Ansicht sind, etwas stimme mit Adam nicht. Und außer­dem: Statt sich mit ihm zu unter­hal­ten, wird über ihn gespro­chen. Aber immer­hin sehen sie ihren Denk­feh­ler ein, als sie Adam Tuba spie­len hören:

„Die ganze Zeit woll­ten wir ihn nach den Maßen unse­rer berühm­ten Artis­ten­fa­mi­lie schnei­dern, statt dass wir ihm ein­mal zuge­hört hät­ten. Wie trau­rig und betrof­fen er wohl sein muss!“

Adam ist aber weder trau­rig noch wütend, obwohl er so lange über­gan­gen wurde. Und nun, da sein Inter­esse für Musik ans Licht gekom­men ist, löst sich das Fami­li­en­pro­blem in Luft auf: Adam schlägt von sich aus vor, die Kunst­stü­cke der ande­ren mit sei­ner Tuba zu beglei­ten. Schluss­end­lich ist es also genau das, was seine Fami­lie von Anfang an wollte – ein ange­pass­tes, unkom­pli­zier­tes Kind, das Teil der Fami­li­en­tra­di­tion wird. Und dann hat es auch noch ein ver­bor­ge­nes Talent. Per­fekt, nicht wahr?

„Adam und seine Tuba“ soll ein Bil­der­buch über Zuge­hö­rig­keit und ver­bor­gene Talente sein. An sich funk­tio­niert die Geschichte auch: Adam fin­det sei­nen Platz in der Fami­lie, er kann sich ein­brin­gen, er wird gese­hen und wert­ge­schätzt. Und doch fragt man sich die ganze Zeit, ob Adam wirk­lich sei­nen eige­nen Weg geht, wes­halb die Lösung des Fami­li­en­pro­blems ein Talent sein muss und warum es nicht reicht, inner­halb der Fami­lie akzep­tiert zu wer­den, ohne Leis­tung erbrin­gen und sich bewei­sen zu müssen.

Alles in allem ist „Adam und seine Tuba“ ein schön gestal­te­tes Bil­der­buch mit inhalt­li­chen Schwä­chen. Maja Kas­te­lics Illus­tra­tio­nen in war­men, erdi­gen Far­ben, über­wie­gend Sepia, erin­nern an die Ver­gäng­lich­keit von Zir­kus­wel­ten und strah­len den­noch eine ange­nehme Ruhe und Gebor­gen­heit aus. Schade, dass die­ses Gefühl nicht auch über den Text trans­por­tiert wird.

Adam und seine Tuba. Text: Žiga X Gom­bačs. Illus­tra­tio­nen: Maja Kas­te­lics. Aus dem Slo­we­ni­schen von Alex­an­dra Nata­lie Zalez­nik. Nord­Süd. 2022.

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