Die Liebe ist ein besonderes Gefühl, dem sich sehr viele Kinderbücher widmen. Worteweberin Annika, Satzhüterin Pia und Zeichensetzerin Alexa stellen drei Bilderbücher vor, mit denen man gut auf Wolke 7 reisen kann.

„Weißt du, wo die Liebe wohnt?“

Tom möchte unbedingt wissen, wie die Liebe aussieht. Also soll Opa ihm verraten, wo sie wohnt – aber klingeln kann man ja nicht bei der Liebe?! Wo die Liebe stattdessen überall im Kinderalltag zu finden ist, davon kann der Opa in Lisa Weisbrods Bilderbuch „Weißt du, wo die Liebe wohnt?“ berichten.

„Die Liebe wohnt in Pflastern, Kühlakkus und Taschentüchern. Und auch in den Fingern, die dich kitzeln, bis du laut lachen musst.“

Die Erklärung führt uns durch einen warmherzigen Familienalltag: Kekse, Hustensaft, frische Windeln und sogar Verbote haben mit der Liebe zu tun! Den Care-Aufgaben, die oft übersehen werden, bringt der Großvater in seiner Erzählung viel Wertschätzung entgegen. Außerdem thematisiert das Bilderbuch ganz nebenbei die Sinne: Man kann die Liebe nämlich schmecken, riechen, hören, fühlen und sehen. Wie genau, das verraten jeweils zwei Doppelseiten mit vielen bunten Illustrationen von Nini Alaska. Überall findet man darin kleine Herzen, ob als Blätter an Bäumen, als Fahrradklingel oder als Pflaster. Besonders gut gefällt mir, dass sowohl die Texte als auch die Bilder klischeefrei sind: Hier kocht der Vater und wäscht dem Kind die Haare – die Care-Aufgaben liegen also nicht nur, wie in anderen Bilderbüchern so oft, bei der Mutter. Toms bester Freund, dem wir im Buch immer wieder begegnen, ist Schwarz und macht das Bilderbuch so zumindest etwas divers. Am Ende stellt Tom fest, dass die Liebe doch eine Adresse hat, oder eigentlich ganz viele:

„Die Liebe wohnt in allen Häusern, in denen die Menschen ihr die Tür öffnen.“

So gelangt Tom am Ende aus der Rolle des fragenden Kindes in eine wissende Position. Nicht nur der Großvater, auch Tom kennt sich aus und das Verhältnis wirkt so ausgeglichener.

„Weißt du, wo die Liebe wohnt?“ ist ein ansprechend illustriertes Bilderbuch mit viel Herz, das Kindern die Augen für die Liebe in ihrem Alltag öffnen kann. (wa)

„L wie Liebe“

Als „ein starkes Bilderbuch über Toleranz und Diversität“ wird Martin Baltscheits Buch „L wie Liebe“ untertitelt. Illustriert ist die farbenfrohe Reise durch verschiedene Familienmodelle mit jeder Menge Alltagsliebe von Sandra Brandstätter.

„Was ist das eigentlich, die Liebe?“

Diese Frage stellt sich das kleine Mädchen Anna. Sie schwingt sich auf ihr Skateboard und macht sich mit einigen Schmetterlingen um sie herum auf die Suche. Ähnlich bunt und beweglich wie die filigranen Insekten ist nämlich auch die Liebe, wie Anna nach und nach feststellt. Und so finden sich die kleinen Tierchen auf allen Seiten wieder.

Fröhlich springt sie mit „Anfangsliebe“ direkt ins Thema rein, denn sie liebt ihre Mama und ihren Papa und die lieben sich gegenseitig und natürlich Anna. Und Anna möchte das auch einmal für sich, vielleicht wird sie einmal einen jungen Mann lieben? Es folgt die Familienliebe, Filmliebe und Männerliebe, Lebensliebe und und und. Dabei geht das Buch über die klassischen Familienmodelle und homosexuellen Paare hinaus und thematisiert auch Bisexualität, Asexualität und Polyamorie. Spaßig sind auch Ausflüge in Bereiche wie die Eigenliebe – zu viel des Guten sei dann Narzissmus – und die Bücherliebe.

Dabei wird nicht alles entsprechend explizit benannt. „L wie Liebe“ ist definitiv kein Aufklärungsbuch, das mehr als etwas „name-dropping“ betreibt, aber es macht neugierig auf unsere diverse Gesellschaft und sorgt sicherlich für Gesprächsstoff auch nach der Lektüre. Annas Geschichte ist ein blassroter Faden im Hintergrund, wir lernen nur durch die Protagonist:innen ein bisschen von ihrem Leben kennen und an manchen Stellen wirkt es sogar so, als sei der Inhalt zum Seitenthema irgendwie verloren gegangen. Auf der Seite zur „Bücherliebe“ geht es zum Beispiel mehr um eine Anekdote eines muffeligen Nachbarn, der über einen Igel eine Apothekerin kennenlernte (ja, etwas verwirrend, aber auch amüsant geschrieben), und deutlich weniger um die Liebe zu Büchern …

„Familienliebe gibt es aber nicht nur zwischen Männern und Frauen und ihren Kindern. Der Bruder meines Vaters zum Beispiel, der liebt einen Mann.“

Zwar zeigt „L wie Liebe“ viele Formen der Familienkonstellation, durch den Einstieg mit „Mutter-Vater-Kind“ wirkt alles andere aber wie ein Abweichen von der Norm. Das fällt immer wieder auf, wenn Diversität in zum Beispiel (Kinder-)Büchern gezeigt werden soll: Es ist am Ende immer irgendwie ein Abweichen von der Norm, was aus meiner Sicht den gewünschten Effekt dämpft.

Dennoch macht Baltscheit mit diesem bunten und amüsant getexteten Bilderbuch sehr viel richtig und bringt damit sicherlich die ein oder andere konservative Person zum Nachdenken, während andere Menschen sich über das eigene abgebildete Familienmodell freuen können – was bei einigen selten genug vorkommt. Schade, dass das Buch insgesamt sehr oberflächlich bleibt. Dafür zaubern uns Betrachter:innen die farbenfrohen und lebendigen Illustrationen von Brandstätter direkt ein Lächeln ins Gesicht. (sp)

„Was, wenn es sich anfühlt wie Liebe?“

Kürzlich habe ich in der Stadtbibliothek ein älteres Bilderbuch entdeckt, das sich mit der Frage beschäftigt, wie Liebe wahrgenommen wird. Dass Liebe ein kompliziertes Gefühl sein kann, wurde schon in vielen anderen Büchern thematisiert. „Was, wenn es sich anfühlt wie Liebe?“ von Oscar Brenifier und Jacques Després lenkt den Blick aber noch genauer darauf, dass das, was wir als „Liebe“ bezeichnen, völlig verschiedene Assoziationen hervorrufen kann. Unsere Vorstellungen von Liebe können dabei sehr gegensätzlich sein:

„Manche denken, dass man mehr als alles andere auf der Welt Ideen lieben kann, denn sie stehen für das Streben nach Gerechtigkeit, das Gute oder die Wahrheit. Andere finden, dass Ideen nichts bedeuten und man nur Menschen lieben kann – aus Fleisch und Blut und Gefühlen.“

Es geht in diesem Bilderbuch also nicht nur um die Liebe, die Menschen füreinander empfinden können, sondern auch um Dinge, Tätigkeiten und Tiere, die man lieben kann. Dabei werden vor allem durch die Gegenüberstellung verschiedener Meinungen Leser:innen dazu angeregt, sich Gedanken zu machen: Wie würden sie sich positionieren? Sind sie der gleichen Meinung oder denken sie ganz anders? Muss man die Eltern lieben, nur weil sie die eigenen Eltern sind? Bedeutet Liebe, dass man sich niemals streitet? Ist man irgendwann zu alt dafür, sich richtig zu verlieben? Oder zu klein, um Liebe zu empfinden?

Oscar Brenifier ist Doktor der Philosophie und diesen Hintergrund merkt man den vielfältigen Fragen an. Zusammen mit Jacques Després hat er ein tiefgründiges Buch geschaffen, das nicht nur inhaltlich, sondern auch künstlerisch besonders ist. Die Bilder, umgesetzt im Animationsstil, zeigen Interpretationen des Textinhalts und geben weitere Impulse. Das Bilderbuch bleibt dabei stets auch für Kinder zugänglich – sowohl was die Sprache als auch Ästhetik betrifft. Kinder ab etwa 4 Jahren werden mit diesem Bilderbuch sicherlich einige Anregungen zum Nachdenken finden! (za)

  • Weißt du, wo die Liebe wohnt? Text: Lisa Weisbrod. Illustration: Nini Alaska. dtv. 2021. Ab 4 Jahren.
  • L wie Liebe. Text: Martin Baltscheit. Illustration: Sandra Brandstätter. Kindermann Verlag. 2022. BK-Altersempfehlung: Ab 4 Jahren.
  • Was, wenn es sich anfühlt wie Liebe? Text: Oscar Brenifier. Illustration: Jacques Després. Übersetzt aus dem Französischen von Tobias Scheffel und Anja Kootz. Gabriel Verlag. 2013. BK-Altersempfehlung: Ab 4 Jahren.
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