Über das Anderssein und den Krieg

von | 25.02.2020 | Bilderbücher, Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Konflikte, Ungerechtigkeiten, das Anderssein und der Krieg – diesen Themen widmen sich die Bilderbücher „Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“ und „Wie ist es, wenn man anders ist?“, zwei von vier Bilderbüchern einer Reihe mit ernsten Themen. Zeichensetzerin Alexa hat einen kritischen Blick darauf geworfen.

Im ersten Moment erscheinen die Titel und ihre Aufmachung (zusammengelegt ergeben die vier Bücher optisch ein Bild, in dessen Mitte die Weltkugel ist) sehr interessant und bedeutsam. Denn es ist wichtig, dass sich Kinder mit Themen wie dem Anderssein, dem Krieg, der Armut und der Flucht beispielsweise mithilfe von Bilderbüchern auseinandersetzen können. Viele bringen Fragen in diese Richtungen bereits mit, wenn sie ihre Umwelt wahrnehmen. Sie merken, dass andere Kinder eine andere Hautfarbe haben, sie bekommen mit, wenn plötzlich ein neues Kind in die Kita kommt, das eine andere Sprache spricht. Kinder habe ich in dieser Hinsicht als sehr neugierig erlebt. Im Gegensatz zu Erwachsenen haben sie keine Scheu, all ihre Fragen auch zu äußern, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob ihre Fragen angemessen sind.

Mit diesem pädagogischen Hintergrund bin ich an die zwei Sachbilderbücher „Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“ und „Wie ist es, wenn man anders ist?“ herangegangen und habe sowohl Stärken als auch Schwächen entdeckt. Schon einmal vorab: Es handelt sich hierbei um Bücher, die im Bücherregal der Kita für Kinder zugänglich aufbewahrt werden können – es sind also keine Bücher, die die Begleitung einer erwachsenen Person erfordern –, denn sie sind harmlos.

„Wie ist es, wenn man anders ist?“

In diesem Bilderbuch geht es um „kleine und große Ungerechtigkeiten“, wie auf dem Cover angekündigt wird. Es wird verdeutlicht, dass auf der Welt die unterschiedlichsten Menschen leben, die verschiedene Interessen und Lebensweisen haben. Viele leben in Frieden zusammen, manche lehnen Menschen, die anders sind als sie, ab. „Wenn du unfair behandelt wirst, weil du eine andere Hautfarbe hast oder aus einem anderen Land kommst, nennt man das Rassismus.“ (S. 6)

Es geht außerdem um Intoleranz und Vorurteile, aber auch darum, dass es Menschen und Organisationen gibt, die anderen helfen, wenn sie in Not sind. Das Bilderbuch spricht in jedem neuen Kapitel ein wichtiges Thema an und animiert dazu, über Fragen, die die Kinder beschäftigen, zu sprechen, und sich weiter zu informieren. Hilfreich sind hierbei die weiterführenden Links am Ende des Buches.

Der Text ist in einfacher Sprache verfasst und spricht Leserinnen und Leser direkt an. Besonders positiv fallen die Sätze auf, die Empathie fördern: „Wie würdest du dich fühlen, wenn dir das passiert?“ (S. 15) Dieser Perspektivwechsel könnte auch der Grund dafür sein, dass die Illustration im Kapitel „In der Schule“ zeigt, wie mehrere Kinder, die ein Kopftuch tragen, ein anderes Kind (ohne Kopftuch) ausschließt.

Grundsätzlich fällt auf, dass die Illustrationen mehr erzählen wollen, als im Text steht. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut, da die Ansätze keinem durchgängigen Konzept folgen. So entstehen Verwirrungen hinsichtlich der Aussagen – ist die Illustration nun als Perspektivwechsel gemeint oder soll sie die Realität abbilden? Vor allem im Kapitel „Was ist Rassismus“, in dem es unter anderem auch um die Hautfarbe geht, entsteht Verwirrung, da in den Illustrationen keine PoC (People of Color) abgebildet werden.

„Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“

Das Bilderbuch „Wie ist es, wenn es Krieg gibt“ weckt trotz der wichtigen, ernsten Themen, die darin behandelt werden, den Eindruck, dass Krieg etwas Normales und Unabwendbares ist. Insbesondere Aussagen darüber, dass der Krieg nach bestimmten Regeln abläuft, rufen Skepsis hervor. Und auch Sätze wie „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Terrorist dir oder deiner Familie in irgendeiner Weise wehtun wird, ist aber sehr, sehr gering“ (S. 10), erscheinen unrealistisch.

Nicht selten fragte ich mich beim Lesen dieses Bilderbuches, welche Zielgruppe hier konkret angesprochen wird und ob Kindern nicht zugetraut wird, die Wahrheit zu erfahren. Es wird nämlich an keiner Stelle ausreichend verdeutlicht, dass der Krieg etwas sehr Schlimmes ist, dass Menschen, die den Krieg miterleben, alles verlieren können. Das, was im Bilderbuch „Wie ist es, wenn man anders ist“ in Ansätzen gut funktioniert hat, nämlich der Perspektivwechsel, geht in diesem Buch verloren. Am Ende bleibt das Gefühl der Ignoranz und damit verbunden der Eindruck: Das, was außerhalb meiner friedlichen Lebenswelt geschieht, geht mich nichts an, es betrifft mich nicht.

Selbstverständlich sollte es gerade bei solchen Themen nicht darum gehen, Ängste hervorzurufen. Etwas zu verharmlosen ist jedoch genauso kontraproduktiv. Der beste Weg ist es, den richtigen Ton zu treffen und Kindern das Gefühl zu vermitteln, dass sie ernst genommen werden – und sie vertragen viel mehr Wahrheit, als von vielen Erwachsenen angenommen wird.

Ein Fazit?

Beide Bilderbücher konnten mich nicht gänzlich überzeugen – „Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“ ist dabei deutlich schwächer als „Wie ist es, wenn man anders ist?“. Am Ende ließen mich die Bücher etwas ratlos zurück. So fragte ich mich beispielsweise, weshalb alle Menschen im Bilderbuch „Wie ist es, wenn es Krieg gibt?“ weiß dargestellt sind, wenn Konflikte und Kriege doch aufgrund von Rassismus entstehen können. Möglicherweise wurde hierbei versucht, Neutralität herzustellen – als seien die Hautfarbe und Herkunft für den Krieg irrelevant –, was allerdings vollkommen an der Realität vorbeiführt.

Ich kann die Bilderbücher daher nur eingeschränkt empfehlen; für eine erste Auseinandersetzung mit den darin behandelten Themen sind sie geeignet, für einen ernsthaften Blick darauf bedarf es jedoch weiterer Literatur mit mehr Tiefe, Information und Realitätsbezug, der sich nicht nur an der friedlichen Lebenswelt der hier angesprochenen Zielgruppe orientiert.

Wie ist es, wenn man anders ist? / Wie ist es, wenn es Krieg gibt? Text: Louise Spilsbury. Illustration: Hanane Kai. Übersetzung: Jonas Bedford-Strohm. Gabriel Verlag. 2019. BK-Altersempfehlung: Ab 5 Jahren.

 

Bücherstadt Magazin

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