Twilight: Alles schrecklich und furchtbar?

von | 19.08.2020 | Filmtheater

Das, was man Neudeutsch „Twilight-Bashing“ nennen kann, ist mittlerweile online ebenso wie offline fast gute Tradition. Vielleicht schiebt man noch vorweg, dass man die Bücher damals gerne las, aber man lernt ja dazu, nicht wahr? Zeilenschwimmerin Ronja ist da keine Ausnahme.

Schaffen wir eines direkt zu Anfang mal aus dem Weg: Auch ich mache mich gern mal über „Twilight“ lustig oder rege mich darüber auf, obwohl ich die Bücher damals, als sie erschienen sind, sehr gern las. Doch mit jedem Buch und jedem Film sank mein Enthusiasmus, mein Lesegeschmack entwickelte sich in eine andere Richtung und zusätzlich ging mir die schwärmerisch-kreischende Begeisterung für die Filme ­– oder vielmehr für ihre (männlichen) Darsteller – wirklich auf den Geist. Jahre später kam eine feministische Sichtweise auf die Bücher hinzu, in der sie nicht unbedingt gut dastehen und mir daher nun auch auf dieser Ebene nicht mehr zusagen. Meine persönliche Haltung zu diesen Romanen wollte ich hier nur kurz festhalten, damit nachfolgend mein Erstaunen besser nachvollzogen werden kann.

So wie „Twilight“ mir mittlerweile nicht mehr zusagt, hat es den Personen hinter dem YouTube-Kanal „Screen Junkies“ ganz offensichtlich noch nie gefallen. Ihre mal ironischen, mal bissigen und immer unterhaltsamen „Honest Trailers“ zu aktuellen und älteren Filmen sind immer dann besonders lustig, wenn sie sich darin wirklich über einen Film aufregen. Das war bei jedem „Twilight“-Film der Fall. Die „Trailer“ sind dabei nicht das einzige Format der Gruppe, Filmkommentare oder sogenannte „Moviefights“ mischen sich auch darunter. Letztes Jahr erschien auf ihrem Zweitkanal „Fandom Entertainment“ ihre erste „Fandom Uncovered“-Dokumentation. Ausgerechnet über das „Twilight“-Fandom.

Eine Überraschung

In dem Wissen, dass die guten „Screen Junkies“ nicht gerade eine liebevolle Beziehung zu den Filmen pflegen, klickte ich auf das Video in der Erwartung, dreißig Minuten lang gut unterhalten zu werden. Stattdessen erhielt ich dreißig Minuten Dokumentation, die mir zwar nicht auf magische Weise eine neue Wertschätzung der Bücher und Filme vermittelt hat. Allerdings ist die Grundlage gelegt für ein neues Verständnis von und größeren Respekt für Fandoms, mit denen ich persönlich nichts anfangen kann. Tatsächlich fühlte ich mich etwas ertappt, als es darum ging, dass viele Leute ihr eigenes Fandom als wichtiger oder besser bewerten als das anderer. Ohne speziellen Grund und ohne Berechtigung. Ich selbst rege mich immer über jene Goethe-Schiller-Lessing-Fans auf, die den Begriff Hochliteratur mit einer Inbrunst für ihre Idole beanspruchen und moderne ‚normale‘ Literatur herabsetzen, dass es durchaus einem Fandom gleichkommt. Gleichzeitig blicke ich von meinem Bücherstapel aus „Harry Potter“, „Tintenherz“, Agatha-Christie-Krimis, Terry Pratchett und Astrid Lindgren auf „Twilight“-Fans und andere hinab. Also bin ich kein Stück besser, oder?

Ich werde an mir arbeiten. Es wird kaum dazu kommen, dass ich die Bücher deshalb noch mal lese, geschweige denn wieder so gerne lesen würde wie damals. Aber vielleicht muss ich nicht mehr mit den Augen rollen. Der erste Schritt der Wertschätzung ist jedenfalls, die Dokumentation über ein Fandom zu teilen, dem ich nie angehören werde.

Eine Ergänzung

Kürzlich stolperte ich über ein weiteres Video zum Thema. Unter dem Titel „How bad is Twilight really?“ setzt sich James Tullos erstaunlich sachlich mit Büchern und Filmen auseinander. Erneut ist das Endergebnis kein schreiendes Lob, das mich bekehrt. Es bestätigt und wiederholt viele der (berechtigten) Kritikpunkte. Aber Tullos stellt der äußerst problematischen Beziehung zwischen Bella und Edward (oder auch Bella und Jacob) die eigentlich positiven, aber wenig beachteten Beziehung zu ihrem Vater und ihren Freund*innen gegenüber. Letztlich, meint Tullos, entspricht das Ausmaß der Kritik (oder eher Verachtung) nicht der Bedeutung und dem Zweck des Werks.

Was heißt das nun? Würde ich die Bücher heute jemandem empfehlen? Nein. Haben sie mir nachhaltig (psychologisch) geschadet? Wer weiß das schon? Davon aber einmal abgesehen, hat sich meine Beurteilung dessen, was wirklich schlechte Literatur ist, in den letzten Jahren stark verändert. Wenn ihr wissen wollt, wieso, könnt ihr meinen Leidensbericht nachlesen.

Bild: Summit Entertainment

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