Tote Briefkästen oder: Berlin 1948

von | 24.11.2018 | Kreatives Häppchen, Kreativlabor

Lieber „Z“, bin angeschossen, zum Glück kann ich noch schreiben. Die Sowjets sind mir auf den Fersen. Habe einen Jungen gebeten, für eine Packung Zigaretten diese Nachricht zu deponieren. Bitte suche so schnell wie möglich den anderen toten Briefkasten auf. Dort findest Du zwei Sachen: eine Zigarettenpackung und einen Briefumschlag. Der Brief ist sehr wichtig! Übergib ihn dem Engländer, er bringt ihn über die Sektorengrenze in den Westen. Wo und wann Du den Briten treffen kannst, steht auf einem Zettel, der in der Zigarettenpackung ist. Sei vorsichtig! Viel Glück, mach et jut, Dein „Hotte“.

„Z“ blickt stirnrunzelnd auf, nachdem er das Schreiben im Halbdunkel der Bahnhofstoilette entziffert hat. Zerreißt es, spült die Papierfetzen weg, verlässt das Örtchen und den Bahnhof. Eilt davon durch die nächtlichen Straßen, immer in Sorge vor Patrouillen oder Streifen. Da ist der tote Briefkasten. Ein Baum in der Nähe einer Parkbank. Verkrüppelt, unverkennbar.

Der Brief und die Zigarettenpackung sind da! Schnell einstecken und dann weg! Wieder auf einer Straße. Plötzlich in der Morgendämmerung ein Mann. Unverkennbare Uniform, sowjetisch. „Hast Feuer?“ „Z“ steckt sich auch eine an, beide rauchen. Der Sowjetrusse wirkt gutmütig. Fragt: „Was machen um diese Zeit?“ „Z“ holt die Dienstmütze mit dem Posthorn aus seiner alten Aktentasche und sagt, die Mütze aufsetzend: „Post, wir stehen früh auf!“ Der Russe grinst mit breiter Zahnlücke, legt die Hand zum Abschied an seine sowjetische Militärmütze, was „Z“, der Postler, erleichtert imitiert. Dann macht er sich auf, um einen ganz bestimmten Brief „zuzustellen“.

Stadtbesucher Jürgen Rösch-Brassovan

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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