Tasten, Schmecken, Riechen, Hören, Sehen

by Worteweberin Annika

Von den fünf Sin­nen hat schon fast jeder ein­mal gehört. Doch wie genau wer­den eigent­lich aus Schall­wel­len Geräu­sche, aus Ner­ven­im­pul­sen Ein­drü­cke in unse­rem Gehirn? Worte­we­be­rin Annika ist mit Dr. Matteo Fari­nella und der Gra­phic Novel „Die Sinne“ in die Tie­fen des mensch­li­chen Ner­ven­sys­tems abgetaucht.

Bei der Arbeit an einem Aug­men­ted-Vir­tual-Rea­lity-Sys­tem wird Diane, die Prot­ago­nis­tin der Gra­phic Novel, in die Welt der Sinne hin­ein­ge­zo­gen. Wäh­rend sie, wie es scheint, bewusst­los am Boden liegt, durch­läuft sie nach und nach unter­schied­li­che Sta­tio­nen unse­res Kör­pers. In der Haut erfährt sie alles über den Tast­sinn, über Mecha­n­o­re­zep­to­ren, Schmer­zen und warum Men­schen eigent­lich kein Fell haben. Wei­ter geht es auf die Zunge, wo sie den ver­schie­de­nen Papil­len begeg­net und sich über die Geschmacks­rich­tun­gen informiert.

Ein Hund trägt sie in die Welt des Rie­chens, in der es zu einem lus­ti­gen Auf­ein­an­der­tref­fen mit Mar­cel Proust auf der Suche nach einem Made­leine, ähm, einer Erin­ne­rung, kommt. Mit einer Fle­der­maus gelangt sie dann in die Ohren, wo es auch um die The­men Musik und Spra­che geht. Ein letz­ter Abste­cher führt mit dem Exper­ten in Sachen Sehen, George Wald, ins Reich der opti­schen Wahr­neh­mung. Schließ­lich gelingt es Dia­nes Freun­den, sie zurück in die Rea­li­tät zu holen und nach einem kur­zen Exkurs in das The­men­ge­biet „Kör­per und Geist“ ist sie heil­froh, ihr Aben­teuer über­stan­den zu haben.

Ein Wun­der­land

Wenn man „Die Sinne“ liest, sollte man sich nicht ganz so viele Gedan­ken über die Logik der Hand­lung machen. Ein Hund mit Pro­pel­ler fliegt durch die Nase, ein Auto mit Gabel auf der Küh­ler­haube biegt ab auf die Zunge und von irgendwo taucht Mar­cel Proust in unse­rer Geschichte auf. Auch die Rah­men­hand­lung um Dia­nes Aug­men­ted-Vir­tual-Rea­lity-Sys­tem kann ver­wir­ren: Gehört der lehr­rei­che Abste­cher zu die­sem Pro­gramm, ist es ein Ohn­machts­traum? Wenn man aber abschal­ten kann und diese Welt der Sinne als eine Art Wun­der­land akzep­tiert, kann man viel ler­nen und mit den auf­tau­chen­den Figu­ren aus Wis­sen­schaft und Kul­tur sei­nen Spaß haben.

Visua­li­sie­rung

Matteo Fari­nella forscht an der Colum­bia Uni­ver­sity daran, wie Wis­sen­schaft durch Visua­li­sie­rung ver­ständ­li­cher gemacht wer­den kann – im Prin­zip ja genau das, was er in der Gra­phic Novel „Die Sinne“ und dem Vor­gän­ger „Das Gehirn“ (Kunst­mann 2018) umge­setzt hat. Er bezieht aktu­elle wis­sen­schaft­li­che Dis­kus­sio­nen und Theo­rien mit ein, die er erklärt, gegen­über­stellt und in den Anmer­kun­gen außer­dem mit zusätz­li­chem Wis­sen unter­füt­tert. Eini­ges muss man sicher­lich mehr­fach lesen oder wei­ter recher­chie­ren, um es genau zu ver­ste­hen, denn die Vor­gänge in unse­rem Kör­per sind kompliziert.

Wer sich nach der Lek­türe noch wei­ter in die Welt der Sinne ver­tie­fen will, erhält dazu am Ende geeig­nete Lese­emp­feh­lun­gen. Ich könnte mir vor­stel­len, dass sich Teile aus dem Buch gut für den Bio­lo­gie­un­ter­richt eig­nen könn­ten – aber auch für all jene von uns, die abends auf der Couch nicht nur unter­hal­ten wer­den wol­len, son­dern noch dazu eine Klei­nig­keit ler­nen, wer­den mit „Die Sinne“ ihren Spaß haben.

Die Sinne. Dr. Matteo Fari­nella. Aus dem Eng­li­schen von Ben­ja­min Schil­ling. Ver­lag Antje Kunst­mann. 2019.

Mehr zum For­schungs­pro­jekt von Matteo Fari­nella fin­det ihr hier.

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