So geht Weltgeschichte

von | 07.05.2018 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Weltkarten sind meist folgendermaßen aufgebaut: Norden ist oben und Europa liegt in der Mitte. Sie sind nur ein Ausdruck dessen, was man Eurozentrismus nennt. Auch Geschichte wird häufig eurozentrisch erzählt. Mit „Die Geschichte der Welt“ versucht Ewald Frie daran etwas zu ändern. – Von Zeilenschwimmerin Ronja

Eurozentrismus ist der Fachbegriff für eine Weltanschauung, die alles ausschließlich aus europäischer/westlicher Perspektive betrachtet. Die großflächige Ausbreitung der europäischen Kultur, europäischer Werte- und Normenvorstellungen und die oft damit einhergehende Unterdrückung oder gar Auslöschung anderer Kulturen führte dazu, dass wir heute in einer Welt leben, in der europäisch-westliche Weltdarstellungen, Kultur(en) und Lebensweisen von einem Großteil der Welt (insbesondere von den westlichen Ländern selbst) als Norm angesehen werden.

Doch die Welt besteht nicht nur aus Europa und Nordamerika. Die Mehrheit der Weltbevölkerung lebt in Asien. Im Schulunterricht habe ich nichts über die Geschichte Asiens gelernt. Nichts über die Geschichte Afrikas oder Südamerikas. Es wurde ja nicht einmal thematisiert, warum die Weltkriege tatsächlich WELTkriege waren, da der Fokus immer nur auf den Geschehnissen in Europa lag. Dabei sind alle Kontinente schon seit Urzeiten durch Völkerwanderungen, Kriege und Handel miteinander verknüpft.

„Der Ausgangspunkt der Weltgeschichte ist also gar kein Punkt. Er ist ein großer Raum voller Nebel. Sehr unterschiedliche Dinge passierten dort gleichzeitig, über die wir nicht viel wissen.“ (S. 14)

Ewald Frie hat sich eine gewaltige Aufgabe vorgenommen, die Weltgeschichte „neu zu erzählen.“ Selbstverständlich ist es unmöglich einen vollständigen Rundumblick, rein objektiv und ausgewogen, zu erschaffen. Schon gar nicht auf knapp 470 Seiten. Aber darum geht es hier erst einmal nicht. Sinn und Zweck – so wie ich es verstanden habe – ist es, ein Geschichtsbuch anzubieten, das über den europäischen Rand hinausschaut, Verknüpfungen aufzeigt und das Weltbild der (europäischen) LeserInnen etwas mehr in die Waage bringt.

„Die Geschichte der Welt“ richtet sich dabei vornehmlich an Laien, nicht an Geschichtsprofis, die vieles darin vermutlich ohnehin schon wissen. Auch als wissenschaftliches Fachbuch kann es nicht angesehen werden, da keine Fußnoten verwendet werden. Dafür bietet es zahlreiche farbige Illustrationen von Sophia Martineck, die dafür sorgen, dass kein typisches (optisch) langweiliges Geschichtsbuch entstanden ist. Trotz des eher kindlichen Stils der Illustrationen sehe ich das Publikum eher in Jugendlichen und Erwachsenen. Darüber hinaus lässt sich „Die Geschichte der Welt“ für ein Geschichtsbuch erstaunlich gut lesen, da sich die Menge an Daten meist in Grenzen hält (lediglich im Kapitel zum römischen Reich hat sich Frie etwas hinreißen lassen). Ganz ohne Daten kommt ein Geschichtsbuch natürlich nicht aus.

„So wie Cook sollten wir Weltgeschichte nicht als Staffellauf des Fortschritts betrachten, sondern als neugierige und vorsichtige Forschungsreise.“ (S. 32)

Besonders angenehm ist die Aufteilung der Kapitel, die jedes den Fokus auf einen anderen Kulturraum legen. Dabei schreitet die Zeit von Kapitel zu Kapitel chronologisch voran, die Verbindungen untereinander gehen jedoch nicht verloren. Frie greift immer wieder auf vorige Inhalte zurück, um Entwicklungen, Kriege oder das Verschwinden einer Kultur zu erklären. Dadurch entsteht ein deutlich besseres Verständnis der Weltgeschichte und der Verschränkungen zwischen Nationen und Kulturen, die ihren Lauf vielfältig beeinflussen.

„Die Geschichte der Welt“ ist ein Geschichtsbuch, das in chronologischer Reihenfolge einen guten Einstieg in die tatsächliche WELTgeschichte bietet.

Die Geschichte der Welt. Neu erzählt von Ewald Frie. Illustration: Sophia Martineck. C. H. Beck. 2018.

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