Sieben Mann auf des toten Manns Kiste

von | 17.10.2019 | #Todesstadt, Belletristik, Buchpranger, Specials

Als die Marry Russel 1828 im Hafen von Cove in Irland anlegt, liegt fast die gesamte Mannschaft tot unter Deck. Hat die Besatzung eine Meuterei geplant oder ist der Kapitän wahnsinnig geworden? Worteweberin Annika hat die „Sieben Lichter“ aus Alexander Pechmanns Roman beobachtet.

Eher zufällig erfahren der Ich-Erzähler und sein frischgebackener Schwager William Scoresby von den unheimlichen Geschehnissen, als sie im Hafen am Schiff des Grauens vorbeifahren. Unweigerlich fühlen sie sich von der Geschichte angezogen und begeben sich an Bord, um mehr zu erfahren. Auf der Marry Russel bietet sich ihnen ein Bild des Schreckens – unter Deck liegen sieben schlimm zugerichtete Leichen.

Die Aussagen von Besatzung und Kapitän William Stewart widersprechen sich – während er sich von einer Meuterei bedroht fühlte, keinen anderen Ausweg als die sieben Morde sah und schließlich floh, halten ihn die Überlebenden für wahnsinnig. Der Fall lässt die beiden Protagonisten bis zur Gerichtverhandlung nicht los, und auch danach hängen ihnen die Geschichte und die sieben Lichter, also die sieben Toten nach.

Echte Seefahrererinnerungen

Pechmanns Roman „Sieben Lichter“ beruht auf einem wahren Kriminalfall, der im 19. Jahrhundert für Aufsehen sorgte. Während der Ich-Erzähler eine unscheinbare Gestalt ist, stellt der zweite Protagonist William Scoresby eine gut dokumentierte, wenn auch inzwischen vergessene Figur dar. Der Seefahrer und spätere Theologe berichtete in seinem Buch „Memorials of the Sea“ tatsächlich über die Geschehnisse der Marry Russel. Wer mehr über die Hintergründe des Romans erfahren möchte, bekommt nicht nur dort, sondern auch im Nachwort des Autors viele Informationen und Anhaltspunkte.

Da es sich um einen tatsächlichen Fall handelt, der im Roman beschrieben wird, ergeben sich zwangsläufig auch Einschränkungen für das Erzählen der Geschichte. So kann das Ende des Romans unter Umständen etwas unbefriedigend wirken, wenn man auf eine lückenlose Aufklärung des Kriminalfalls hofft. Doch ist es gerade das Unsichere, Ambivalente, das uns auch im richtigen Leben begegnet und das die besondere Stimmung von „Sieben Lichter“ ausmacht. Bei diesem Roman heißt es: zurücklehnen, gruseln und die Stimmung genießen!

Den Ton getroffen

Pechmanns Roman erinnert – wie im Klappentext angekündigt – an die großen Seefahrer- und Piratengeschichten von Robert Louis Stevenson oder Herman Melville. Auch sprachlich passt der Erzähltext hervorragend in diese Zeit, ohne angestaubt oder bemüht zu wirken. Hier zahlen sich mit Sicherheit die ausführlichen Recherchen des Autors aus, aber auch, dass er Texte von Stevenson, Melville, Mary Shelley und anderen ins Deutsche übersetzte.

Hervorzuheben ist auch die besonders gefällige Ausstattung von „Sieben Lichter“, das vom Steidl Verlag neben der ansprechenden Umschlaggestaltung einen griffigen Leineneinband und sehr hochwertiges Papier erhalten hat, das man einfach gerne umblättert. Wenn es dann noch mit einer so stimmungsvollen, spannenden Geschichte bedruckt ist, natürlich umso lieber.

Sieben Lichter. Alexander Pechmann. Steidl Verlag. 2017.

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  1. Alexander Pechmann im Interview – Bücherstadt Kurier - […] als Über­set­zer und Her­aus­ge­ber im Lite­ra­tur­be­trieb tätig ist, hat er mit „Sie­ben Lich­ter“ (2017) und „Die Nebel­krähe“ (2019) inzwi­schen…

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