Sie fürchtet den Tod nicht

von | 13.08.2017 | Belletristik, Buchpranger

Nnedi Okorafor erzählt schonungslos, atemberaubend und berührend, findet Buchstaplerin Maike. Der preisgekrönte Science-Fiction-Roman „Wer fürchtet den Tod“ verbindet hochaktuelle Themen in einem postapokalytischen Setting. Im Mittelpunkt: Ein Mädchen, das die Welt verändert.

Sie weiß, dass sie sterben wird. Doch ihr Name bedeutet „Wer fürchtet den Tod?“ und so erzählt Onyesonwu vor ihrer Hinrichtung ihre Geschichte. Das postapokalyptische Afrika ist wortwörtlich verwüstet. Nach alter Überlieferung haben die hellhäutigen Nuru das Recht, die dunkelhäutigen Okeke zu versklaven. Onyesonwu ist ein Kind, das bei der brutalen Vergewaltigung einer Okeke-Frau durch einen Nuru entstanden ist. Durch ihr Aussehen und Vorurteile gegenüber „Ewus“ wie sie ist sie ausgestoßen, wohin sie mit ihrer Mutter auch zieht. Doch je älter sie wird, desto mehr lernt Onyesonwu über die Ungerechtigkeit der alten Traditionen und ihre eigenen Fähigkeiten. Denn sie beherrscht starke Magie. Zusammen mit Freunden bricht sie in die Wüste auf, um die Geschichte ihres unterdrückten Volkes umzuschreiben – und Rache an ihrem leiblichen Vater zu nehmen.

Vielschichtig und atemberaubend

„Wer fürchtet den Tod“ ist mehr als Coming of Age in magischem Setting. Okorafor verschmilzt leichte und brutale Momente in Onyesonwus Lebensgeschichte zu einer Einheit. Mit Onyesonwu als Ich-Erzählerin können trotz des sehr ernsten Plots „normalen“ Elementen des Erwachsenwerdens Raum gegeben werden, seien es Freundschaften, Liebe, Sexualität oder das Austesten der eigenen Grenzen. Tatsächlich hat der Roman solche unbeschwerten Momente dringend nötig, denn durch die Augen der Protagonistin wird schonungslos erzählt. Der Blick der LeserInnen wird ausgedehnt auf Szenen der Gewalt und Kriegsverbrechen wie etwa Vergewaltigungen gezwungen.
So verlangt das Buch Atempausen, aber nie sind brutale Szenen grundlos eingesetzt. Stattdessen bilden sie Unrecht ab, welches die Pläne der aufbrausenden Onyesonwu begründen. Hinter ihren Rachegelüsten verbirgt sich viel mehr: Indem sie sich über unhinterfragte Traditionen hinwegsetzt und plant, die Geschichte umzuschreiben, auch wenn sie dafür alles riskieren muss, wird Onyesonwu zu einem Vorbild. Dass sie als Protagonistin vielschichtig, voller Stärken und Schwächen geschrieben ist, macht sie nahbar. Allen voran ihr hitziges Temperament beflügelt und bremst sie gleichermaßen.

Science-Fiction, Fantasy, Afrofuturismus?

Okorafor verpackt in dem postapokalypisch-magischen Setting hochaktuelle Themen, die nicht nur in Dystopien, sondern auch in den Nachrichten ihr Abbild finden. Sie verarbeitet in „Wer fürchtet den Tod“ neben Bürgerkriegen so auch weibliche Genitalverstümmelung, frauenfeindliche Gesetze und Rassismus. Mit Onyesonwu hat sie der Hoffnung auf Veränderung ein Gesicht gegeben. In dieser Hinsicht ist Nnedi Okorafor eine Science-Fiction-Autorin, die man nicht aus den Augen verlieren sollte: Sie bedient vor allem das Genre des Afrofuturismus, welches afrikanische Erfahrungen, vermischt mit Mythologien und Magie, in das Zentrum der Erzählungen stellt. Eine Perspektivverschiebung, die den Buchmarkt zu Recht aufmischt: Nicht nur, dass „Wer fürchtet den Tod“ mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet wurde, kürzlich hat sich George R. R. Martin als Produzent für eine Serienverfilmung des Romans gefunden.

Wer fürchtet den Tod. Nnedi Okorafor. Übersetzung: Claudia Kern.
Cross Cult. 2017. BK-Altersempfehlung: 16 Jahre.

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