Rote Haare brennen nicht

von | 18.02.2016 | Belletristik, Buchpranger

1989: Silke ist fünfzehn Jahre alt, als ihre Mutter ihren jüngeren Bruder und einen Koffer nimmt und sie und ihren Vater verlässt. Der Bruder ist nur mitgegangen, sagt sich Silke gute zehn Jahre später. Die Mutter hat sie alleine gelassen. Mit Magengrummeln macht sie sich auf die Suche nach der Spur des abwesenden Teils ihrer Familie.

Die (Haar-)Farbe Rot spielt für Silke eine besondere Rolle. Sie fühlt sich Zeit ihres Lebens von Rothaarigen fasziniert und angezogen: Die russischen Adjektive „краcивый“ (schön) und „краcньый“ (rot) haben immerhin denselben Wortstamm, wie Natascha, eine Freundin und Liebhaberin des Vaters, erklärt. Aufgrund dieser Verwandtschaft müssen sie auch zusammengehören, oder? In „Rot ist schön“ zeichnet Rita König in Form von Rückblenden ein Leben in den Umbrüchen der letzten Rot ist schönJahre der DDR und den ersten Jahren des neuen Deutschland. Die innenpolitische Unruhe spiegelt sich in Silkes Familienleben wider. Sie sucht in den neuen Frauen des Vaters, im Elternhaus, im Beruf, in der sexuellen Beziehung, in Freundschaften nach der Stabilität, die der Fortgang der Mutter ihr entzogen hat.

Dieser Roman braucht vor allem eines: Zeit – um sich ein Leben erzählen zu lassen. Silke verliert sich während der Zugfahrt zur Mutter, die sich über Stunden hinzieht, in ihren Erinnerungen und Gedanken, läuft einen Pfad der Erinnerung nach dem anderen ab. Manchmal wird dies anstrengend ob wirrer Formulierungen, manchmal plätschern die Geschehnisse vor sich hin, bis ein Stein aus der Gegenwart in den Erinnerungsfluss ragt – das Umsteigen von einem Zug in den anderen etwa.
Die Sprache des Romans bleibt dabei sehr einfach, klar und verständlich, während sich vor Leserin und Leser die vergangene Welt der Deutschen Demokratischen Republik in Redeweisen und Gängen zum Lebensmittelladen eröffnet. Dies ist tatsächlich ein absoluter Höhepunkt des Romans: Die Aufzeichnung der vergangenen Welt der DDR, die sich die letzten zwei Generationen nicht mehr vorstellen können. Im Gegensatz dazu steht der wenig fassbare Charakter der Protagonistin. Wenngleich es Silkes Leben ist, das beschrieben wird, hat man als Lesender nicht das Gefühl, sich ihrer Psyche anzunähern. Man bleibt gefangen in den aufblitzenden roten Haaren in Silkes Umfeld, ohne wirklich zu ihr durchzudringen.

Erika

Rot ist schön. Rita König. Der Kleine Buch Verlag. 2015. www.rita-koenig.de.

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