Revolution in der Bananenrepublik

von | 02.02.2018 | Belletristik, Buchpranger

Mit dem jungen Horrorfilmliebhaber Bruno ist Worteweberin Annika auf eine obskure Reise quer über eine namenlose Inselrepublik am Rande einer Revolution gegangen. Was Sascha Macht in „Der Krieg im Garten des Königs der Toten“ aussagen möchte, ist ihr dabei aber nicht ganz klar geworden.

Bruno, der Ich-Erzähler, ist siebzehn, lebt mit seinen Eltern im beschaulichen Dorf Kajagoogoo auf einer Insel, die sich in den 1940er Jahren nach Atomwaffentests aus dem Ozean erhob und Heimat für Alt-Hippies und Aussteiger wurde. Eines Tages fahren Brunos Eltern mit dem Bus weg und kommen nie wieder. Bruno schlägt sich also alleine durch, indem er seine Tage von nun an mit Horrorfilmen auf VHS füllt, die er im Laden des Schönen Hans meist sogar umsonst bekommt – sonst kann sich in Kajagoogoo niemand dafür begeistern.

Neben den Filmen ist Brunos Leben fast inhaltslos: Seine Kochkünste sind bescheiden, dafür trinkt er viel und hat ein seltsam stumpfes Verhältnis zur Sexualität. Schon dadurch wirkt er nicht wirklich wie ein Junge seines Alters, wobei ein Junge auf der Inselrepublik wahrscheinlich auch ganz anders sozialisiert wird, als man das aus Europa kennt. Doch auch Brunos Sprache erinnert nicht wirklich an einen Teenager, denn meistens drückt er sich reichlich kompliziert aus. Ein Hinweis darauf ist ja auch schon der Titel „Der Krieg im Garten des Königs der Toten“. Verbunden mit sehr langen Satzkonstruktionen weiß man hier bald nicht mehr, wo vorne und wo hinten ist.

Träume und erste Unruhen

Unterstützt wird das noch durch das unzuverlässige Erzählen: Brunos Träume vermengen sich mit den tatsächlichen Ereignissen, die teilweise ebenso skurril sind wie seine Träume. Noch mehr verschwimmen die Grenzen durch das Fehlen von Anführungszeichen. Verwirrung und Verunsicherung scheinen hier beabsichtigt zu sein.

Damit zusammen hängt wohl auch die Geschichte, die sich kaum zusammenfassen lässt: Bruno trifft in einer Kneipe auf den „Preußen“, einen deutschen Touristen, mit dem er in die Provinzhauptstadt Savannah fährt und dort Zeuge von Unruhen wird. Als die beiden die Stadt wieder verlassen wollen, wird der Preuße von einer Straßensperre aufgehalten und bleibt in den Händen des Militärs. Doch Bruno ist nicht lange alleine, bald trifft er auf Sylvie und Johnny, die mit ihrem Sohn Liam mit dem Wohnwagen unterwegs sind. Die beiden Dokumentarfilmer kommen mit Bruno nach Kajagoogoo, um Rast zu machen. Bald sind sie jedoch wieder verschwunden, wahrscheinlich zu den Republikanischen Filmfestspielen in die Hauptstadt, dafür ist der Mexikaner El Corazón plötzlich im Wohnzimmer aufgetaucht.

Eine Revolution

Bruno beschließt, Kajagoogoo zu verlassen, um mit einer Reisetasche voller Videokassetten ebenfalls zu den Filmfestspielen zu reisen, begleitet von El Corazón. Beim Trampen gelangen die beiden an den Sheriff und seine Familie. Bei einer Rast wird die Reisegruppe von Revolutionären gefangen genommen und Bruno und die anderen werden in ein Schloss entführt. Bruno lernt dort die Revolutionäre kennen, die aber nicht wirklich organisiert zu sein scheinen und nach und nach verschwinden, bis Bruno mit dem sterbenden Anführer alleine bleibt.

Schließlich entkommt der Junge mit El Corazón, trifft unterwegs auf den verwundeten Preußen, und gelangt in die Hauptstadt. Nach einem weiteren Zwischenstopp schafft Bruno es gerade noch pünktlich zu den Filmfestspielen, reist dann mit Johnny und Liam weiter. Die wollen Sylvie einsammeln, die die Revolutionäre bei ihrer Machtübernahme an der Küste gefilmt hat. Unterwegs muss Bruno feststellen, dass sein Dorf bei den Umstürzen zerstört wurde und landet schließlich in der Küstenhauptstadt.

Eine skurrile Bananenrepublik

Figuren tauchen hier plötzlich auf und verschwinden wieder, wodurch sie austauschbar erscheinen. Nach dem Warum scheint man bei Brunos Reisen und Begegnungen gar nicht fragen zu brauchen. Das alles passiert einfach. Die Leser werden zu bloßen Zuschauern und ehrlich gesagt kann ich auch rückblickend noch nicht verstehen, worauf die Geschichte eigentlich hingesteuert ist, denn auch das Ende bleibt rätselhaft.

Natürlich hat Sascha Machts Roman aber auch positive Seiten, schließlich versteht der Autor etwas von seinem Handwerk. Nach einem Abschluss am Deutschen Literaturinstitut Leipzig hat Macht dort inzwischen einen Lehrauftrag und ist in der Forschung tätig. Abgesehen von den langen Sätzen im Nominalstil überzeugt Machts Sprache mit lustigen, überraschenden Bildern. Da wären außerdem die skurrilen Einfälle, die zum Merkmal der Gesellschaft auf der Inselrepublik werden: eine Michael-Jackson-Universität, fiktive Horrorfilme mit den abgedrehtesten Handlungen, abwegige Figuren mit lustigen Hobbys und Geschichten. Ansonsten bleibt die Republik im Vagen. Zwar erfährt man einiges über die politische Situation, doch ich hätte gerne mehr über diese Insel gelesen, die so unorganisiert und irrsinnig erscheint, dass man sie gut und gerne als Bananenrepublik bezeichnen kann.

Mehr aber auch nicht

Vielleicht ist diese Skurrilität auch der Grund dafür, dass man in der Handlung von „Der Krieg im Garten des Königs der Toten“ gar nicht nach einem Sinn suchen sollte. Trotzdem geht der Roman nicht ganz in dieser Skurrilität auf, denn irgendwann ist es auch mal gut mit lustigen Einfällen – viel mehr kann ich aber in diesem Roman nicht finden. Es steckt hinter dem, was wie ein Gedankenexperiment einer ganz anderen Gesellschaft in Endzeitstimmung und Krieg anmutet, so scheint es, nicht besonders viel. Falls doch, dann kann zumindest ich es nicht entschlüsseln. So kann „Der Krieg im Garten des Königs der Toten“ leider weder besonders gut unterhalten, noch gelingt es ihm, in sich stimmig und aufschlussreich zu sein.
Wer sich aber mal gehörig verwirren lassen möchte oder ein großes Interesse am Horrorfilm hat, für den könnte „Der Krieg im Garten des Königs der Toten“ genau das richtige Buch sein.

Der Krieg im Garten des Königs der Toten. Sascha Macht. Dumont. 2016.

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