Plötzlich Ungeziefer

von | 18.09.2015 | Buchpranger, Graphic Novels, Comics, Manga

Eigentlich wollte Herr Kafka nicht, dass wir seine Werke zu Gesicht bekommen. Sein letzter Wunsch: all sein Werk sollte vernichtet werden. Nur dachte sein Freund nicht daran und veröffentlichte es. Noch zu Lebzeiten erschien „Die Verwandlung“. – Von Zeichensetzerin Alexa

Schaben, Kakerlaken, Ungeziefer – allein die Vorstellung ruft einen Ekel in mir hervor. Diese kleinen Wesen mit haarigen Beinen und einem glänzend schwarzbraunen Rücken. Dabei sind es auch nur Lebewesen. Keine Aliens, die plötzlich riesig werden und einen auffressen – wobei: in Kafkas Erzählung verwandelt sich der Protagonist in ein Ungeziefer, das so groß ist wie ein Mensch: „Als Gregor Samsa eines Morgens erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken. Sein von bogenförmigen Versteifungen geteilter Bauch war gewölbt und braun, und seine kläglich dünnen Beine flimmerten vor seinen Augen.“

Was ist nur mit ihm geschehen? Ein Traum – so stellt Gregor bald fest – ist es nicht. Seine Lebenswelt ist unverändert: das Zimmer, in dem er liegt, genauso wie seine Familie, die sich zu sorgen beginnt, als Gregor keine Anstalt macht, das Zimmer zu verlassen. Doch wie nur soll er sich in einer solchen Gestalt blicken lassen? Irgendwann glaubt er, keine Wahl zu haben, öffnet die Tür und seine Familie erblickt das Ungeziefer. Entsetzt über diesen Anblick wird Gregor zurück in sein Zimmer vertrieben. Die Familie berät sich über das weitere Vorgehen und beschließt abzuwarten.

Der Alltag nimmt seinen Lauf und nun sind die Eltern gezwungen, eine Arbeit aufzunehmen, um für die Familie sorgen zu können. Zuvor war Gregor es, der das Geld nach Hause gebracht hat. Die finanziellen Sorgen können soweit gelöst werden. Doch wie soll es mit Gregor weitergehen? Eines Abends eskaliert die Situation, als Gregor sein Zimmer verlässt und sich vor den Untermietern blicken lässt. Die Schwester fordert: „Wir müssen versuchen, es loszuwerden!“

Die bildliche Umsetzung von Horne gibt die dunkle Stimmung der Erzählung wider. In den Illustrationen dominiert die Farbe schwarz: die Farbe des Ungeziefers, das dunkle Zimmer, die Schatten, die selbst bei Tag groß sind. Bildinformationen sind nur angedeutet, auf Details und farbige Abstufungen wird verzichtet. Mit dieser Methode fängt der Illustrator die Atmosphäre der Erzählung ein, welche sich hier eng an den Originaltext hält.

Und wer – genauso wie ich – einen Ekel verspürt, wenn er ein Ungeziefer sieht, der sei an dieser Stelle beruhigt: In dieser Graphic Novel ist das Tier so detailarm dargestellt, dass man sich schnell an seinen Anblick gewöhnt. Dies soll also keineswegs ein Hindernis sein, dieses Buch zu lesen.

Die Verwandlung. Franz Kafka, Eric Corbeyran. Illustration: Richard Horne. Übersetzung: Kai Wilksen. Knesebeck. 2010.

Kleiner Tipp für Hörbuchfans: Auf vorleser.net gibt es so manche Erzählung Kafkas. Wer also lieber hören statt sehen will, dem sei „Die Verwandlung“ als Hörbuch empfohlen. Mehr über Kafka und sein Werk „Eine kleine Frau“ könnt ihr am 20.09. bei den Feuilletönen erfahren. Hört doch mal rein!

 

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

2 Kommentare

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      Hehe! Diese Reaktion habe ich mir erhofft. Danke für die Rückmeldung! 😀

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