„Northanger Abbey“: Ein Kloster zum Verlieben?

von | 21.03.2020 | Auditorium, Hörspiele

In einem ihrer frühen Werke, „Northanger Abbey“, schickt Jane Austen ihre Heldinnen und Helden auf der Suche nach der Liebe nach Bath und in ein schauriges Kloster. Worteweberin Annika hat sie in der stimmungsvollen Hörbuchbearbeitung von Silke Hildebrandt begleitet.

Ehen bahnen sich an, Verlobungen werden gelöst, Bälle veranstaltet: Die Saison in Bath ist aufregend für die junge Catherine Morland, die mit Freunden der Familie der heimatlichen Provinz entfliehen darf. Auch ein Heiratskandidat für die hübsche Catherine, die aber „von Natur aus keine Romanheldin“ ist, ist mit Henry Tilney bald gefunden. Doch natürlich stehen dem Glück der beiden einige Verwicklungen, das liebe Geld und ein Nebenbuhler im Weg. Ob sie den Mann ihres Herzens dennoch für sich gewinnen kann?

Der Verstand der Frauen

Die Rollen des Hörspiels sind zumeist hochkarätig besetzt. Als Erzähler verleiht Ulrich Noethen der Geschichte zusätzliche Ironie und Witz, ohne die Figuren – teils unheldenhaft, teils naiv, teils etwas hohl – zu ernst zu nehmen. Der ironische Ton schwingt in der ganzen Erzählung mit, ganz typisch für Jane Austens Blick auf ihre Zeit.

„Miss Morland, niemand könnte vor dem Verstand der Frauen mehr Respekt haben als ich. Ich finde, die Natur hat ihnen so viel davon mitgegeben, dass sie es nie nötig befinden, mehr als die Hälfte zu benutzen.“

Die Naivität von Catherine Morland transportiert auch deren Stimme, Anna Drexler, hervorragend. So wird man schnell von der Geschichte absorbiert. Dazu trägt auch die von Jakob Diehl extra komponierte Streichmusik bei, die die bekannten Jane-Austen-Verfilmungen in Erinnerung ruft und teilweise ganze Gesprächspassagen atmosphärisch untermalt.

Schaurige Fantasie

Auf dem Anwesen der Tilneys, dem titelgebenden Northanger Abbey, verfällt Catherine ihrer Leidenschaft für Schauergeschichten. Sie wittert ein Verbrechen und bringt sich damit in die Bredouille. Die Beschreibungen mischen sich hier mit Lesungen aus Catherines Lieblingsbuch „Udolfo“ auf Englisch, die verdeutlichen, wie die junge Britin in ihre realitätsfremde Gedankenwelt abtaucht.

Ein weiteres Plus am Hörbuch ist eindeutig die Aufmachung: Die CD-Schuber sind in ein kleines Büchlein eingebunden, in dem sich ein ausführliches Vorwort von Hans Pleschinski befindet. Darin erklärt er den Kontext, in dem Jane Austen ihre Romane schrieb und ordnet „Northanger Abbey“ in ihr Werk und die Zeit ein. Die Gestaltung mit den weiß-goldenen Blumen vor schwarzem Hintergrund macht das Hörspiel zudem zu einem Augenschmaus.

Das Hörspiel „Northanger Abbey“ fängt das Flair von Jane Austens Zeit mit einer aufwändigen Produktion, tollen Sprecherinnen und Sprechern und stimmungsvoller Musik ein. Das macht Lust auf mehr, ob in Buchform oder als Hörbuch, denn die nächste Austen-Produktion des Hessischen Rundfunks erscheint bereits im April.

Northanger Abbey. Jane Austen. Aus dem Englischen von Andrea Ott. Regie und Bearbeitung: Silke Hildebrandt. Mit Anna Drexler, Ulrich Noethen, Anne Müller u.a. Produktion: Hessischer Rundfunk. Der Hörverlag. 2019.

[tds_note]Was wäre, wenn Catherine Morland heute leben würde? In der Rezension von Satzhüterin Pia zur Adaption von „Northanger Abbey“ von Val McDermind könnt ihr es nachlesen.[/tds_note]

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