Nimm dich in Acht vor der Wanderin

von | 17.10.2020 | #Todesstadt, Belletristik, Buchpranger, Specials

Mit blutigen Füßen lauert sie auf die Sünderinnen und Sünder – „Melmoth“ die Wanderin geistert durch Sarah Perrys gleichnamigen Roman. Worteweberin Annika hat ihr aufgelauert.

Helen Franklin lebt ein mehr als karges Leben, und dafür gibt es auch einen Grund. In ihrem kleinen Zimmer gibt es keine Bilder, keine Farbtupfer, in ihrem Bett schläft sie ohne Laken unter einer kratzigen Decke. Ihr Essen kann sie schon lange nicht mehr genießen, ein Lachen sieht man bei ihr so gut wie nie. Das alles macht Helen, um sich für einen Fehler zu bestrafen, den sie vor zwanzig Jahren als junge Frau beging. Doch ihr Leben in Prag ändert sich bald, als ihr einziger Freund Karel ihr ein Manuskript über Melmoth die Wanderin überreicht.

Melmoth, so heißt es, habe Jesus‘ Auferstehung geleugnet, und büße seitdem dafür, indem sie Jahr ein, Jahr aus mit blutigen Füßen zu den Sünderinnen und Sündern wandern müsse. Nachdem Karel das Manuskript gelesen hat, in dem ein Deutscher über seine Begegnung mit Melmoth berichtet, fühlt er sich verfolgt, hat Angst. Auch Helen wird in eine Spirale aus Angst, Verfolgungswahn und Schuldgefühlen gezogen. Doch Melmoth lässt sie nicht mehr los und sie stellt weitere Recherchen an. Wird Melmoth sie schließlich einholen?

Der Autorin Sarah Perry gelang 2017 mit ihrem Roman „Die Schlange von Essex“ ein großer Erfolg. Handelte es sich dabei um einen historischen Roman, ist „Melmoth“ nun eher eine Schauergeschichte. Vermischt wird die mystische Figur Melmoth mit philosophischen Fragen nach Schuld und der Pflicht zur Wahrheit – eine Mischung, die für mich nicht immer gut funktioniert hat. Die schaurigen, fast übernatürlichen Elemente fühlten sich für mich eher wie Fremdkörper in den tragischen Geschichten von Helen und ihren Wegbegleiterinnen an. Auch wenn sich die Figur von Melmoth der Wanderin letztendlich als Metapher lesen lässt, hat mich der Roman so inhaltlich doch nicht ganz überzeugen können.

Stilistisch hingegen, zum Beispiel durch eine allwissende, die Leserinnen und Leser ansprechende Erzählfigur, zeigt Sarah Perry hier ihr Können und macht Lust auf ihre anderen Romane. „Melmoth“ empfehle ich trotzdem nur Fans der Autorin und denjenigen, die einfach jeden Schauerroman gelesen haben müssen oder sich unsterblich in die wirklich hübsche Cover-Abbildung verliebt haben.

Melmoth. Sara Perry. Aus dem Englischen von Eva Bonné. Eichborn. 2019.

[tds_note]Ein Beitrag zum Special #Todesstadt. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]
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