Nehmt das Leben nicht so ernst „Herr Wondrak, wie kommt man durchs Leben?“ von Janosch

Cover Herr WondrakMit Wond­rak hat Janosch einen Hel­den erschaf­fen, der auf alles eine Ant­wort weiß. In „Herr Wond­rak, wie kommt man durchs Leben?“ hat Sei­ten­tän­ze­rin Michelle-Denise eine Ant­wort auf die titel­ge­bende Frage gesucht – und gefunden.

Für eine wöchent­li­che Car­toon-Kolumne, die das aktu­elle Zeit­ge­sche­hen bebil­dert kom­men­tie­ren sollte, suchte das ZEIT­ma­ga­zin 2013 eine Autorin oder einen Autor. Es stellte sich schnell her­aus, dass kein gerin­ger als der inter­na­tio­nal bekannte Zeich­ner, Autor, Illus­tra­tor und Lebens­künst­ler Janosch als Wunsch­kan­di­dat galt.

Janosch wuchs in Polen auf und führte in jun­gen Jah­ren ein Leben, das von Ent­beh­run­gen, Alko­hol und Gewalt domi­niert war. Selbst den kleins­ten Lese­rin­nen und Lesern gau­kelte er nie etwas vor, denn das Leben ist nicht nur unun­ter­bro­chen schön und bunt. Tod und Ver­lust sind Bestand­teile des Lebens und fin­den auch in sei­nen Zeich­nun­gen statt. Die Fähig­keit, Momente und kleine Augen­bli­cke sowie Liebe und Freund­schaft wert­zu­schät­zen, hel­fen den Men­schen. Es wer­den die wun­der­sams­ten Dinge von ein­fa­chen Leu­ten voll­bracht; Hel­den des All­tags, so wie du und ich. Wer konnte also pas­sen­der sein für die neue Kolumne als Janosch?

Die­ser reagierte auf die Anfrage des Maga­zins jedoch recht zurück­hal­tend. So hatte er sich doch bereits seit über 10 Jah­ren aus der Öffent­lich­keit wei­test­ge­hend zurück­ge­zo­gen und zog es vor, sei­nen Lebens­abend ent­spannt in der Hän­ge­matte zu ver­brin­gen. Künst­le­risch wurde er nur noch gele­gent­lich aktiv. Jedoch konnte Janosch den­noch über­zeugt wer­den und erschuf eigens für die neue Tätig­keit einen neuen Cha­rak­ter: Wondrak.

‚Herr Janosch, wozu brau­chen wir denn einen Wondrak?‘

‚Damit er uns von oben Trost spen­det. Uns die Kraft gibt. Sonst kom­men wir nicht durch. Oder so.‘ (KW 46, Novem­ber 2014)

Wond­rak ist ein dick­li­cher Mann mit fast voll­stän­di­ger Glatze. Ver­ein­zelt las­sen sich noch kurze Haare mit­ten auf dem Kopf und ein dün­ner Haar­kranz erken­nen. Er trägt selbst­be­wusst einen fül­li­gen Schnau­zer und hüllt sei­nen Kör­per zumeist in einen gelb-schwarz-geti­ger­ten Ganz­kör­per­an­zug mit farb­lich pas­sen­den Lat­schen. Wer nun ver­mu­ten mag, dass es sich bei Wond­rak um Janoschs Alter Ego han­deln würde, dem sei gesagt, dass Janosch die­ses ver­neint. Obwohl der Mann dem Künst­ler so ähn­lich sieht wie kein ande­rer von ihm erschaf­fe­ner Cha­rak­ter, ist Janosch, laut eige­ner Aus­sage, doch deut­lich schlan­ker als Wond­rak und habe zudem mehr Haare. Sicher­lich würde man nicht auf den ers­ten Blick den Begriff eines Hel­den mit Wond­rak asso­zi­ie­ren, aber er ist einer. Und was für einer. Er ist ein Held, dem alles gelingt, obgleich er so gut wie nie etwas rich­tig macht. Ein rich­ti­ger Alltagsheld.

‚Herr Janosch, schwere Ent­schei­dun­gen, wie trifft man die?‘

‚Man schreibt die Alter­na­ti­ven tabel­la­risch auf einen Zet­tel. Anschlie­ßend legt man den Zet­tel nie­der und wirft einen Löf­fel auf den Zet­tel. Dann geht man weg und lässt den Löf­fel das regeln. Sein Pro­blem.‘ (KW 34, August 2015)

Die Lese­rin­nen und Leser sowie die Redak­ti­ons­mit­glie­der des ZEIT­ma­ga­zins hat­ten die Mög­lich­keit, Wond­rak ihre Fra­gen zum Umgang mit dem aktu­el­len Zeit­ge­sche­hen oder all­täg­li­che Lebens­fra­gen zu stel­len. Wond­rak ist ein Mann weni­ger Worte. Inner­halb der Hand­lun­gen sieht man ihn nur sel­ten selbst spre­chen. Sogar sein Mund fehlt des Öfte­ren voll­ends in den Zeich­nun­gen. Er lässt Taten spre­chen und Janosch erläu­tert das situa­ti­ons­be­dingte Ver­hal­ten des Lebens­künst­lers. Des­halb sind die Zeich­nun­gen immer nach dem glei­chen Prin­zip beschrif­tet: Eine Fra­ge­stel­lung, die mit „Herr Janosch“ beginnt und eine kurze, knappe Ant­wort von Janosch, die meist direkt auf Wond­rak ver­weist: „Machen Sie es wie Wondrak, …“.

Dabei ist keine Frage zu hei­kel. Ob „Wie ver­steckt man Geld in Panama?“, „Jetzt wo Trump zum US-Prä­si­den­ten gewählt wurde, was fan­gen wir mit ihm an?“ oder „Wie gewinnt man eine alte Liebe zurück?“, Wond­rak kennt auf jede Frage eine pas­sende Antwort.

Weil Janosch in jun­gen Jah­ren nicht die Mög­lich­keit hatte, ein unbe­schwer­tes Leben füh­ren zu dür­fen, lebt er als Erwach­se­ner das innere Kind aus. Ähn­lich ver­hält es sich mit Wond­rak: äußer­lich ein erwach­se­ner Mann, inner­lich ein klei­ner Junge. Er nimmt das Leben nicht so ernst und fin­det stets einen leich­ten und posi­ti­ven Umgang mit Problemen.

Des Öfte­ren betont Wond­rak, wie wich­tig ihm seine wun­der­schöne Part­ne­rin Luise ist, die ihm Halt gibt. Und der er Halt gibt. Man wech­selt sich eben immer ab. Ebenso ver­hält es sich bei Janosch und sei­ner Frau Ines Eckert. Im Februar lässt er diese für ihn eine Frage beant­wor­ten („Frau Eckert, was ist die­ser Wond­rak eigent­lich für ein Typ?“).

‚Herr Janosch, was wäre eigent­lich gewe­sen, hät­ten Tiger und Bär Smart­phones gehabt?‘

‚Sie hät­ten Panama ein­fach gegoo­gelt und wären im Übri­gen am Tisch sit­zen geblie­ben.‘ (KW 29, Juli 2015)

Anläss­lich sei­nes 85. Geburts­tags am 11. März 2016 beschenkte Janosch sich selbst und reiste nach Panama. Vom Staats­prä­si­den­ten des Lan­des wurde er mit einem Orden für seine beson­de­ren Ver­dienste durch das Buch „Oh, wie schön ist Panama“ aus­ge­zeich­net. Janosch reiste jedoch nicht allein. Auch sei­nen Hel­den Wond­rak schickte er auf diese Reise und ließ ihn, im Gegen­satz zur Geschichte von Tiger und Bär, auch dort ankommen.

Meh­rere Epi­so­den befass­ten sich zum 85. Geburts­tag mit Wond­raks Erleb­nis­sen in Panama. Zurück in der Hei­mat trifft die­ser sich mit dem Tiger und dem Bären und erklärt ihnen, dass Panama wirk­lich das Land ihrer Träume sei, aber es so klein wäre, dass es sich nicht lohne, sich vom deut­lich grö­ße­ren Sofa daheim weg­zu­be­we­gen. Irgend­wie ein schö­ner run­der Abschluss, den Janosch hier zur Geschichte rund um den Tiger und den Bären hin­zu­ge­fügt hat.

‚Herr Janosch, wie sagt man TSCHÜSS?‘

‚Man dreht sich um mit einer Träne im Auge und sagt: ‚Ich geh dann mal.‘ (KW 47, Novem­ber 2019)

Mehr als 6 Jahre lang, von 2012 bis 2019, und in über 350 Zeich­nun­gen über Wond­rak, lässt Janosch die Lese­rin­nen und Leser seine Werke im gewohnt mini­ma­lis­ti­schen Stil in Aqua­rell­far­ben bestau­nen. Ver­se­hen mit den humor­vol­len und iro­ni­schen Frage-Ant­wort­kon­stel­la­tio­nen regen die Bil­der dazu an, nicht immer einen allzu ver­bis­se­nen Blick auf die welt­li­chen und per­sön­li­chen Pro­bleme zu werfen.

Zu schade, dass die gemein­same Kolumne von Janosch und Wond­rak ein Ende gefun­den hat, aber die­ser Sam­mel­band ver­eint alle Publi­ka­tio­nen in gro­ßem For­mat in einem Buch. So kann man diese chro­no­lo­gisch erneut betrach­ten und das ein oder andere Mal über die lus­ti­gen Hand­lun­gen Wond­raks lachen. Zudem erhält man im Vor- und Nach­wort, dem Werk­statt­blick, inter­es­sante Infor­ma­tio­nen zum Ent­ste­hungs- und Arbeits­pro­zess der Kolumne. So war Janosch stets bemüht, per­fekte Zeich­nun­gen zu erschaf­fen, sodass er des Öfte­ren meh­rere Skiz­zen und druck­reife Ori­gi­nale von sei­nem Zuhause in Tene­riffa nach Ber­lin zum ZEIT­ma­ga­zin schickte. Einige von die­sen aus­sor­tie­ren, unver­öf­fent­lich­ten Bil­dern las­sen sich in die­sem Buch bestaunen.

„Herr Wond­rak, wie kommt man durchs Leben?“ ist ein hoch­wer­ti­ger Sam­mel­band, der durch Janoschs unnach­ahm­li­che Zeich­nun­gen und fre­chen Sprü­che besticht. Ein Buch zum Ver­schen­ken. Ein Buch zum Selbst­le­sen. Ein Buch, das man immer mal wie­der aus dem Bücher­re­gal nimmt, erneut betrach­tet und das einen schmun­zeln lässt.

Herr Wond­rak, wie kommt man durchs Leben? Alle Fra­gen. Alle Ant­wor­ten. Alle Zeich­nun­gen. Janosch. Pres­tel. 2021.

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