Mumien, Gipsmenschen & Moorleichen Sachbücher für Kinder

by Worteweberin Annika

Die Rätsel der TotenAls Kind wollte Worte­we­be­rin Annika gerne Archäo­lo­gin wer­den. Auch wenn dar­aus nichts gewor­den ist, taucht sie noch immer gerne in Sach­bü­cher zum Thema ab. Dies­mal mit „Die Rät­sel der Toten“ – erfreu­li­cher­weise kann man hier viel ler­nen, ohne selbst Moor­lei­chen aus­bud­deln zu müssen.

Das Sach­bil­der­buch „Die Rät­sel der Toten“ von Matt Ralphs mit Illus­tra­tio­nen von Gordy Wright ent­stand in Zusam­men­ar­beit mit dem Bri­tish Museum. Aus ers­ter Archäolog*innenhand gibt es hier geball­tes Wis­sen über Mumien, Toten­kulte und vie­les mehr. Es ist wirk­lich span­nend, wie viele Infor­ma­tio­nen man durch moderne For­schungs­me­tho­den noch heute über Mumien gewin­nen kann! Zum Bei­spiel weiß man jetzt, dass Ram­ses der Große Zahn­abs­zesse und Arthri­tis hatte – erstaun­lich, oder? In die­sem Sach­buch bekom­men wir Leser*innen im Text und in den oft detail­lier­ten Illus­tra­tio­nen einen guten Ein­blick in die Forschungsarbeit.

Kontinent für Kontinent

Auf jeweils ein bis zwei Dop­pel­sei­ten erfah­ren wir mehr über bekannte und weni­ger bekannte Tote. Dabei geht der Autor von Kon­ti­nent zu Kon­ti­nent, begin­nend in Afrika mit den Pha­rao­nen­grä­bern. Wei­ter geht es nach Ame­rika (Süd- und Nord­ame­rika sind hier zusam­men­ge­fasst). Nicht nur die Inka kon­ser­vier­ten hier sterb­li­che Über­reste. Die Chin­chorro, ein Wüs­ten­volk, mumi­fi­zier­ten ihre Toten bereits 1500 v. Chr. sys­te­ma­tisch und leb­ten wahr­schein­lich mit den Mumien in engem Kontakt.

Natür­lich gibt es auch in Europa und im Mitt­le­ren Osten span­nende Ent­de­ckun­gen zu machen, zum Bei­spiel Ötzi oder ver­schie­dene Moor­lei­chen. In Asien schließ­lich war­ten zum Bei­spiel nasse Mumien in China oder die Schöne von Xia­ohe, eine Frau aus einem Grab in der Takla­ma­kan-Wüste. Die Sor­tie­rung nach Kon­ti­nen­ten ist sinn­voll, zeigt sie doch Ähn­lich­kei­ten in den jewei­li­gen Toten­kul­ten auf. Und dass hier ein­mal nicht Europa an ers­ter Stelle steht, finde ich sehr löblich.

Moderater Grusel

Das Thema Tod ist nicht ganz ohne. Durch die Illus­tra­tio­nen von Grab­kam­mern, Toten und klei­nen Grab­bei­ga­ben behält das Buch aber etwas mehr Distanz, als wenn Fotos gezeigt wür­den. Einige Fak­ten und Geschich­ten sind trotz­dem nichts für Zart­be­sai­tete. Denn natür­lich wer­den Mumi­fi­zie­rungs­pro­zesse sach­lich erklärt und man erfährt unter ande­rem mehr über die Ent­nahme der Organe im alten Ägyp­ten. Mit wis­sen­schaft­li­chem Inter­esse betrach­tet sind diese Vor­gänge aber ziem­lich span­nend! Tote geben uns enorm viel Auf­schluss über das Leben frü­he­rer Gene­ra­tio­nen aus Zei­ten, aus denen wir meis­tens keine schrift­li­chen Doku­mente haben.

Was mich beim Lesen etwas erschüt­tert hat, war hin­ge­gen die Beschrei­bung einer Kin­der­mu­mie der Inka: ein Teen­ager-Mäd­chen, das den Göt­tern geop­fert wurde. Im Text geht es auch darum, wie sich das Mäd­chen wohl gefühlt haben mag – und selbst­ver­ständ­lich ist das eine Frage, die Forscher*innen sich stel­len kön­nen und die man doch nie beant­wor­ten wird. Aber sich als Leser*in, ins­be­son­dere als Kind, in diese Posi­tion hin­ein­zu­den­ken, ist bedrü­ckend. Das Sach­buch fängt den Ein­druck aber durch eine kul­tu­relle Ein­ord­nung auf:

„Einem Kind das Leben zu neh­men, ist furcht­bar, aber nicht aus Sicht der Inka. Sie glaub­ten, dass sie nicht wirk­lich tot war, auch wenn ihr Herz nicht mehr schlug. La Don­cella lebte wei­ter und streifte frei durch die Berge, wachte über ihr Volk und beschützte es bis in alle Ewig­keit.“ (S. 23)

Sachlich und spannend

Die Texte im Sach­buch sind gut ver­ständ­lich – Fach­be­griffe und schwie­rige Wör­ter wer­den in Klam­mern im Text erklärt und zusätz­lich gibt es ein Glos­sar am Ende. Was mir gut gefällt: Ins­be­son­dere wenn es um die For­schen­den geht, wer­den sowohl die weib­li­che als auch die männ­li­che Form erwähnt: „Archäo­lo­gen und Archäo­lo­gin­nen“. Für die Sicht­bar­keit und die Ermun­te­rung ist das eine gute Sache!

Mumien und Co. sind viel­leicht etwas gru­se­lig, aber wenn sie so gut erklärt wer­den wie in die­sem Sach­buch, ver­lie­ren sie ihren Schre­cken und geben der wis­sen­schaft­li­chen Fas­zi­na­tion Raum. „Die Rät­sel der Toten“ hat mir daher gut gefal­len. Und als Kind hätte ich die­ses Sach­buch geliebt! Von daher kann ich eine Emp­feh­lung für alle klei­nen Forscher*innen aussprechen.

Die Rät­sel der Toten. Berühmte Mumien und uralte Rituale aus aller Welt. Text: Matt Ralphs. Illus­tra­tion: Gordy Wright. Über­set­zung: Ste­fa­nie Brä­gel­mann. E. A. See­manns Bil­der­bande. 2022.

Ein Bei­trag zur The­men­wo­che Sach­bü­cher für Kin­der. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

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