Monotones Puppenleben

von | 06.06.2016 | Stadtgespräch

Nora oder ein Puppenheim_Bild _Theater Bremen

Henrik Ibsens Theaterstück „Nora oder Ein Puppenheim“ von 1879 kennen viele Schüler heute aus dem Unterricht. Ob ihnen die Inszenierung von Regisseur Felix Rothenhäusler im Theater Bremen gefallen würde? Worteweberin Annika hat sie sich angesehen.

Nora lebt mit ihrem Mann Thorvald und den gemeinsamen Kindern seit inzwischen acht Jahren zusammen. Als es Thorvald vor einigen Jahren gesundheitlich sehr schlecht ging, nahm Nora im Geheimen ein Darlehn beim Anwalt Krogstad für eine Kur auf, fälschte dafür eine Unterschrift und rettete so ihre Ehe. Eine Ehe allerdings, in der sie als „Singlerche“ nur die Rolle einer Puppe im Häuschen ihres Mannes spielt. Nun kommt Krogstad dem Betrug auf die Schliche und möchte Thorvald die Wahrheit sagen, wenn Nora nicht ein gutes Wort für Krogstad einlegt. Der ist inzwischen bei Thorvald angestellt und muss um seinen Posten fürchten. Die Ereignisse spitzen sich zu, und schließlich steht Noras Leben vor der Wende. Jetzt muss nur noch eine Entscheidung her.

Fünf Menschen stehen in einer Reihe, zwei Frauen, drei Männer (Karin Enzler, Robin Sondermann, Matthieu Svechtine, Lisa Guth, Siegfried W. Maschek). Die Frauen, mit langen dunklen Haaren, tragen beide einheitlich ein blau-rot gemustertes Kleid und die gleichen Schuhe, die Männer den gleichen Anzug mit einer identischen Krawatte. Wer von ihnen ist nun aber wer? Mal so, mal so: Auch über Geschlechtergrenzen hinweg schlüpfen die fünf Schauspieler in alle beteiligten Rollen und tauschen dabei von Szene zu Szene, so scheint es, willkürlich. Fast durchgängig verweilen sie dabei an ihrem Platz, in Reih‘ und Glied, sprechen an das Publikum gewandt. Und zwar sehr monoton, sehr emotionslos, ohne Mimik und oft in wiederkehrenden Phrasen – wie Puppen.
Das passt zu Noras Situation, die in einem gefühllosen Käfig vor sich hinlebt. Dennoch ist es für die Zuschauer auf Dauer eine Herausforderung, denn was zu Anfang noch als kurzweiliger Einstieg erscheint, dauert die ganzen 90 Minuten an und lässt die Vorstellung sehr lang werden. Zudem bleiben die einzelnen Figuren durch die ständigen Rollenwechsel konturlos und flach, teilweise wird es schwierig, dem Handlungsverlauf zu folgen.

Garniert wird die Monotonie mit Lachern und Applaus aus der Konserve und von den Schauspielern vorgetragenen Ausschnitten aus Balladen der amerikanischen Sängerin Lana Del Rey. Wie diese Momente haben sicherlich auch jene, in denen sich die Schauspieler entkleiden oder auf dem Boden wälzen, eine Bedeutung – diese Bedeutung zu erkennen ist leider nicht ganz leicht.
Das Bühnenbild, bestehend aus einem Dickicht aus Dschungelpflanzen, bildet einen schönen Kontrast zu Noras steriler Puppenwelt. In diese kehrt sie am Ende, anders als in Ibsens Fassung, auch zurück, nachdem sie einen Bogen durch das Grün gedreht hat. Möglich, dass hier auf die Version Bezug genommen wird, die in Deutschland 1880 uraufgeführt wurde: Dort blieb Nora aus gesellschaftlichen Gründen bei ihren Kindern. Im Theater Bremen wird für das Ende eine Art Mittelweg gewählt.

Am Ende der Vorstellung fällt der Applaus bescheiden aus. Zu viel Innovation, zu viel Monotonie, zu viel Herausforderung für das Publikum? Vielleicht. Oder vielleicht einfach zu viel gewollt.

Nora oder Ein Puppenheim. Theater Bremen. Regie: Felix Rothenhäusler. Schauspieler: Karin Enzler, Robin Sondermann, Matthieu Svechtine, Lisa Guth, Siegfried W. Maschek, Carola Marschhausen. Nach Henrik Ibsen.

Foto: Theater Bremen

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