Miguel Ángel Hernández

von | 10.02.2015 | Im Interview, Stadtgespräch

„Alle Kunstwerke funktionieren nur an einem bestimmten Ort und in einem bestimmten Moment. Es muss ein Bezug zu der jeweiligen Gegenwart bestehen.“

Zeichensetzerin Alexa hat sich mit dem Kunstkritiker Miguel Ángel Hernández über sein neues Buch „Fluchtversuch“ und über Kunst und ihre Grenzen unterhalten. Teresa Ziegler übersetzte das Interview.

BK: Wie kamen Sie dazu, das Buch „Fluchtversuch“ zu schreiben?

„Fluchtversuch“ ist mein erster Roman, aber nicht meine erste Erzählung. Ich habe mich immer für die Literatur interessiert. Ich habe Märchen und fiktive Texte geschrieben. Das habe ich mit meinem Beruf – und mit meiner Leidenschaft – als Kunsthistoriker und -kritiker vereinbart. Ich habe gefühlt, dass ich etwas schreiben musste, wo sich meine Leidenschaften – die Kunst und die Literatur – die Hände reichen. Auf diesem Wege ist Fluchtversuch entstanden. Und auch wegen der Notwendigkeit über Kunst zu schreiben, anders als ich es bis jetzt getan habe. Die Notwendigkeit eine Geschichte zu erzählen.

BK: Welche realen Performances haben Sie zu dem im Buch vorkommenden inspiriert?

Es gibt eine reale Grundlage für das Buch, und zwar sowohl das, was in der Welt der Kunst passiert als auch das, was sich in dem Universum der Immigranten in den großen Städten abspielt. Was mich inspiriert hat, war einerseits die Situation der Unsichtbarkeit und Ungerechtigkeit der illegalen Immigranten zu sehen – es wurde wenig darüber geschrieben – und andererseits einige künstlerische Arbeiten zu betrachten, die, obwohl sie versuchen die Unsichtbarkeit zu zeigen und die Ungerechtigkeit zu verurteilen, an die Grenzen der Ethik gelangen und somit die Immigranten als Opfer darstellen und sie versachlichen.

BK: Wie viel Wahrheit steckt in Ihrem Roman?

Es gibt einen sehr hohen Prozentsatz. Die Situation der Immigranten ist real. Viele Orte in dem Roman sind real. Sogar ein großer Teil der Situationen sind real – manchmal die unglaubwürdigsten. Auch die Künstler und die Werke, auf die sich die Figuren beziehen. Außer den Werken von Jacobo Montes ist alles echt. Ich mag es, die Beziehung zwischen Realität und Fiktion zu betonen.

BK: Empfinden Sie einen Ekel, wenn Sie an die beschriebenen Performances denken?

Nicht mehr. Ich habe mich sehr daran gewöhnt und auf irgendeine Art und Weise bin ich unempfindlich geworden. Es ist unwahrscheinlich, dass mich diese Art von Bildern anekeln, oder dass sie mich erschüttern. Das ist auch das Problem dieser Art von Kunst: Die Leute gewöhnen sich am Ende daran und es ist nicht einfach, Grenzen zu überschreiten.

BK: Was halten Sie von dieser Art von Kunst?

Ich glaube, das macht in einem bestimmten Kontext Sinn. Alle Kunstwerke funktionieren nur an einem bestimmten Ort und in einem bestimmten Moment. Es muss ein Bezug zu der jeweiligen Gegenwart bestehen. Ich glaube, dass einige uns zum Nachdenken bringen. Das Problem besteht darin, – und davon handelt der Roman – dass manchmal mit dem Zum-Nachdenken-Anregen gleichzeitig einige Ungerechtigkeiten erzeugt werden. Ich glaube jedoch, dass es auch möglich ist, zum Nachdenken anzuregen und zu mobilisieren.

BK: Welche Bedeutung hat Kunst für Sie persönlich?

Kunst ist für mich ein Ort, an dem man die Sorgen der Welt erblicken kann. Es gibt eine Kunst, die man als den Spiegel der Macht bezeichnen kann – und die zu ihrer Vermehrung beiträgt. Und eine Kunst, die nicht glücklich ist mit der Welt, in der sie leben muss – und die zu einer Veränderung beiträgt. Ich interessiere mich für die Art von Kunst, die versucht die Dinge zu verändern oder zumindest aufzeigt, dass es Veränderungen geben kann. Und wenn ich mich auf „Dinge“ beziehe, dann meine ich damit die Art und Weise wie man sieht, denkt und fühlt.

BK: Gab es bereits Rückmeldungen zum Buch von anderen Kunstkritikern oder Künstlern?

Irgendwelche, aber nicht viele. Eigentlich viel weniger als ich dachte. Ich glaube, das hat zwei Gründe. Der erste Grund ist, dass wenig Leute lesen. Die Debatten, die durch Bücher verursacht werden, sind seltener in der Kunstwelt. Es ist mühsam, Bücher zu lesen und sie zu verstehen. Der zweite – auch fundamentale – Grund ist, dass die Welt der Kunst ein Ort ist, in dem alles hinein passt und der eine große Fähigkeit hat, Kritiken zu integrieren. Es handelt sich dabei sozusagen um eine Art schwarzes Loch, einen Abgrund, in dem sich alles verlieren kann. Aus meiner Sicht ist das Interessante die Reaktion, die außerhalb dieser Welt hervorgerufen wurde. Im Allgemeinen ist die Welt der Kunst so geschlossen, dass alles, was dort passiert, nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Trotzdem hat der Roman – zumindest auf bescheidene Weise – dazu beigetragen, auf diese Probleme auch in der Welt außerhalb der Experten aufmerksam zu machen. Und ich glaube, durch diesen Punkt ist doch eine Debatte entstanden. Ich bin glücklich darüber.

BK: Der Protagonist Marcos ist anfangs begeistert von Montes. Haben Sie selbst Vorbilder?

Ich glaube dass Marcel Duchamp mein Künstlervorbild ist. Für mich ist er der fundamentale Künstler des 20. Jahrhunderts. Als Schriftsteller habe ich mehrere Vorbilder. Hier tendiere ich zwischen Thomas Bernhard und Enrique Vilas-Matas.

BK: Könnten Sie sich vorstellen, das Buch verfilmt zu sehen?

Ja, obwohl das nicht als reflexiver Auslöser funktionieren würde, aber ich glaube, dass die Geschichte sehr visuell ist und eine gute Verfilmung wäre sehr interessant. Manchmal macht es mich neugierig, darüber zu sinnieren, wer der geeignete Darsteller für Jacobo Montes wäre.

BK: Ist ein weiteres Buch in Planung?

Ich bin gerade dabei, einer neuen Geschichte den letzten Schliff zu geben und ich hoffe, dass ich bald fertig bin. Es dreht sich auch um die Kunstwelt, aber in diesem Fall wird es intimer und emotionaler. Es ist wie das Gegenteil von Fluchtversuch. Es ist ein Roman, in dem der Protagonist wieder anfängt, an die Welt der Kunst zu glauben, nachdem er alle Hoffnung verloren hatte.

BK: Wir schließen das Interview mit unserer Spezialfrage ab: Wenn Sie ein Buch wären, welches wären Sie?

Ich denke, ich wäre El malogrado, die Geschichte einer Frustration.

Das Interview in Originalsprache (Spanisch): 

BK: ¿Qué lo llevó a escribir el libro Intento de escapada?

Intento de escapada es mi primera novela, pero no mi primer libro de narrativa. Siempre me había interesado por la literatura. Había escrito cuentos y textos de ficción. Esto lo compaginaba con mi profesión –y también mi pasión–, historiador del arte y crítico. Y sentí que tenía que escribir algo donde mis pasiones –arte y literatura– se diesen la mano. Intento de escapada surgió de eso. Y también de la necesidad de escribir sobre arte de una manera diferente a como lo había hecho hasta el momento. La necesidad de contar una historia.

BK: ¿Qué acontecimientos reales lo inspiraron a la realización de la obra?

Hay un sustrato real en el libro, tanto en lo que ocurre en el mundo del arte, como en el universo de los inmigrantes en la ciudad. Lo que me inspiró fue, por un lado, ver la situación de injusticia e invisibilidad de los inmigrantes ilegales –hay muy pocas novelas sobre ellos–, y por otro, contemplar algunas prácticas artísticas que, aunque intentaba mostrar esta invisibilidad y denunciar la injusticia, acababan en el límite de la ética, victimizando y objetualizando a los inmigrantes.

BK: ¿Qué tanto de realidad hay en el libro?

Hay un porcentaje bastante alto. La situación de los inmigrantes es real. Muchos de los espacios que aparecen en la novela son reales. Incluso gran parte de las situaciones lo son –a veces las más inverosímiles–. También los artistas y obras a los que se refieren los personajes. Salvo las obras de Jacobo Montes, el resto son reales. Me interesa enfatizar las relaciones entre realidad y ficción.

BK: ¿Experimenta usted asco cuando piensa en las representaciones descritas?

Ya no. Me he acostumbrado tanto que en cierto modo soy insensible. Es difícil que una imagen de este tipo me produzca asco o me conmueva. Es también el problema de este tipo de arte, que el espectador acaba acostumbrándose y no es fácil transgredir.

BK: ¿Cuál es su opinión sobre este tipo de arte?

Creo que tiene su sentido en un contexto determinado. Toda obra de arte funciona sólo en un lugar y en un momento. Tiene que ser pertinente para su presente. Creo que algunas de estas prácticas nos hacen pensar. El problema está –y de eso trata la novela– en que a veces para hacer pensar producen también ciertas injusticias. Creo que también es posible hacer pensar y movilizar al espectador sin provocarlo de ese modo, siendo más sutiles, más inteligentes incluso.

BK: ¿Qué significado tiene para usted el arte?

El arte para mí es un lugar en el que se visualizan las preocupaciones del mundo. Hay un arte que es un espejo del poder –y que contribuye a su reproducción–.Y un arte que no está contento con el lugar que le ha tocado vivir –y contribuye al cambio–. Me interesa el arte que intenta cambiar las cosas, o al menos demostrar que pueden ser cambiadas. Y cuando me refiero a “las cosas” me refiero a los modos de ver, pensar y sentir.

BK: ¿Ha existido algún tipo de reacción con respecto a su novela por parte de críticos de arte u otros artistas?

Alguna pero no demasiada. Desde luego, mucha menos de la que yo creía que iba a haber. Creo que esto es así por dos motivos. El primero: poca gente
lee. Los debates producidos por los libros son menores en el mundo del arte. Los libros cuesta trabajo leerlos. Y entenderlos. El segundo –también fundamental– es que el mundo del arte es un lugar en el que cabe todo. Tiene una gran capacidad para integrar las críticas. Es una especie de agujero negro, un abismo en el que todo se pierde. Lo interesante, a mi modo de ver, ha sido la reacción que se ha producido fuera de ese mundo. Por lo general, el mundo del arte es tan cerrado que todo lo que se produce allí no sale al exterior. Sin embargo, la novela ha contribuido –aunque sea modestamente– a visualizar esos problemas en el mundo más allá de los expertos. Y creo que ahí sí se ha producido el debate. Estoy contento por eso.

BK: El protagonista Marcos siente desde un principio fascinación por Montes. ¿Tiene usted un Modelo a seguir?

Creo que mi artista modelo es Marcel Duchamp. Para mí es el artista fundamental de siglo XX. Como escritor, tengo más modelos. Creo que estaría entre Thomas Bernhard y Enrique VilaMatas.

BK: ¿Podría usted imaginarse ver su novela en el cine?

Sí, aunque no funcionaría del todo como dispositivo reflexivo, pero creo que la historia sí es muy visual y una buena adaptación sería muy interesante. Me pica por momentos la curiosidad sobre quién haría un bueno Jacobo Montes.

BK: ¿Está planificando una nueva novela?

Estoy dando los últimos retoques a una nueva historia que espero acabar pronto. También está centrada en el mundo del arte, pero en este caso más intimista y emocional. Es como el reverso de Intento de escapada. Una novela en la que el protagonista vuelve a creer en el arte después de haber perdido toda esperanza.

BK: Cerramos la entrevista con una pregunta especial. ¿Si usted fuera un libro, cuál sería?

Creo que sería El malogrado, la historia de una frustración.

Dieses Interview erschien erstmals in der 15. Ausgabe des Bücherstadt Kuriers.
Foto: Privat

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