Mit „Die neuen Abenteuer von Herrn Hase. Ein bisschen Liebe“ hat Lewis Trondheim einen neuen Comic veröffentlicht, der sich Seitentänzerin Michelle-Denise nicht auf Anhieb erschlossen hat.

Als ein Obdachloser Herrn Hase fragt, ob er ihm Bücher aus der Bibliothek ausleihen würde, zögert dieser nicht lange und besorgt ihm einige Romane. Durch die wiederholten Bücherausleihen kommt Herr Hase mit der Bibliothekarin ins Gespräch und sie entwickelt Gefühle für ihn. Obwohl er ihr unmissverständlich klar macht, dass er sich bereits in einer Beziehung befindet, verspricht sie, auf ihn zu warten. Unterdessen stellt sich der Obdachlose als grandioser Autor heraus und Herr Hase und die Bibliothekarin gründen einen Verlag, um ihn bei der Veröffentlichung seiner Werke zu unterstützen. Ein Unterfangen, das Herrn Hases Freundin nicht gutheißen mag …

Startschwierigkeiten

Der Einstieg in diesen Comic war für mich etwas schwierig und das, obwohl ich bereits mehrere Bände dieser Reihe gelesen habe und Vorwissen aus den vorherigen Geschichten eigentlich nicht notwendig ist. Die ersten Strips dieses Comics waren für mein Empfinden zunächst nicht zusammenhängend. Es wurden einzelne Episoden dargestellt, die ich weder zeitlich noch in der Handlung einordnen konnte. So spaziert der Protagonist Herr Hase mit seinem besten Freund Richard durch die Straßen Frankreichs und beobachtet einen Hipster in Baggyhosen auf einem Einrad. In der nächsten Szene ist Herr Hase allein auf dem Bürgersteig unterwegs, unterhält sich mit einem Obdachlosen und sucht die Bibliothek auf. Erneuter Schnitt. Herr Hase spaziert wieder mit Richard durch die Straßen und belauscht eine Umfrage.

Die Nichtigkeiten des Alltags

Trondheim hat für diesen Band keine einzige kohärente Geschichte gewählt, sondern viele einzelne Strips in eine leichte Rahmenhandlung fließen lassen. Dadurch lässt er die kleinen Nichtigkeiten des Alltags zu etwas Großem zusammenwachsen. Die Protagonisten Herr Hase und Richard wandeln im Durcheinander der modernen Gesellschaft und philosophieren über dies und das. Das zentrale Thema, das sich als roter Faden durch die Haupt- und Nebenhandlungen zieht, ist dabei meist die Liebe. So wird aufgezeigt, dass jede*r unterschiedliche Dinge liebt. Sei es die Liebe zu Büchern aus der Bibliothek, das Bestaunen des Sternenhimmels bei Nacht, Urlaub mit Freunden, Kuchen mit Oma oder die Liebe zu jemand anderem. Liebe kann in den kleinsten Dingen sein.

Philosophische Themen

Trondheims einfacher, aber dennoch unnachahmlicher Zeichenstil ist, wie er selbst einmal behauptete, eine Art Handschrift, die zwar nicht virtuos ist, aber sich gut dazu eigne, seine Geschichten zu erzählen. Dem kann ich nur zustimmen. Herr Hase und seine Freunde haben seit den 90ern einen hohen Wiedererkennungswert. Obwohl sich die Gesellschaft im Laufe der Zeit verändert hat und Herr Hase nun, statt in einer Telefonzelle, mit seinem Handy Anrufe tätigen kann, hat er selbst sich nicht verändert. Sowohl äußerlich als auch innerlich. Er trägt immer noch die gleiche Kleidung und ist immer noch pedantisch und ein wenig naiv.

Die Gespräche, die die Protagonist*innen führen, befassen sich mitunter mit philosophischen Themen der Ethik, wie dem guten Leben und dem richtigen Handeln. Durch ihren scharfsinnigen und manchmal recht schwarzen Humor, fließt eine gewisse Leichtigkeit in die tiefgründigen Erzählstränge ein, die mich gut unterhalten hat.

Obwohl ich anfänglich meine Schwierigkeiten mit dem Comic hatte, war es mir nach ein paar Seiten möglich, Trondheims Aufbau besser zu verstehen. Je weiter ich mit der Lektüre vorankam, desto besser gefiel mir auch die Geschichte. Erst rückblickend ist mir aufgefallen, dass sich auf dem Cover bereits der erste Strip der Gesamthandlung befindet. Eine wirklich clevere Gestaltung, die ich mir schon zu Beginn hätte genauer anschauen sollen …

Trotz meines holprigen Starts ist „Ein bisschen Liebe“ ein weiteres gelungenes Abenteuer von Herrn Hase und ich freue mich bereits auf Folgebände.

Die neuen Abenteuer von Herrn Hase. Ein bisschen Liebe. Lewis Trondheim. Übersetzung: Ulrich Pröfrock. Reprodukt. 2021.

[tds_note]Meine Rezension zum vorherigen Band ist hier erschienen. [/tds_note]

Michelle-Denise Oerding

Michelle-Denise Oerding

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