Let’s talk about colorism

von | 08.09.2021 | Bilderbücher, Buchpranger

Ein Bilderbuch über Colorism beziehungsweise Shadeism für Kinder: Mit „Sulwe“ hat sich die Autorin Lupita Nyong’o einem sehr wichtigen und an vielen Stellen unterrepräsentierten Thema angenommen. – Von Satzhüterin Pia

Sulwe hat eine dunklere Haut als alle ihre Familienmitglieder: „Mama hatte die Farbe der Morgendämmerung. Baba die Farbe der Abenddämmerung, und Hawi, ihre Schwester, hatte die Farbe des Mittagslichts“. Sulwes Haut wird dagegen als „mitternachtsfarben“ bezeichnet. Während also ihre light skinned Schwester Komplimente bekommt, wird Sulwe von den ebenfalls helleren Mitschülerinnen und Mitschülern mit deutlich weniger wohlwollenden Äußerungen bedacht. Das kleine Mädchen versucht alles, um „schöner“ zu werden: Sie isst alle hellen und weißen Produkte, die sie finden kann, geht an Mamas Schminke und versucht sogar, sich die Haut heller zu radieren … Nachdem sie sich endlich ihrer Mutter offenbart hat, versucht diese, ihr zu helfen, aber nun ja, sagt nicht jede Mutter ihrem Kind, dass es schön ist? Sulwe braucht einen Hauch Magie, um auch selbst an sich und die eigene Schönheit glauben zu können.

Realität trifft auf Magie

Nach dem emotionalen Einstieg über eine Problematik, die für Millionen Schwarzer Menschen die Realität bedeutet (Stichwort „Skinbleaching“), nimmt die Geschichte eine magische Wendung. Nachts wird Sulwe von einer Sternschnuppe besucht und mit auf eine Reise in eine magische Traumwelt genommen. Sie lernt die Geschichte der Schwestern Tag und Nacht kennen und erfährt eine wichtige Lektion in Eigenliebe. Und am Ende zeigt sich: Erst mit einer anderen, inneren Einstellung sich selbst gegenüber, kann auch eine Veränderung in der Außenwelt bewirkt werden.

„Du siehst“, erklärte die Sternschnuppe, „wir brauchen beide: den sonnigsten Tag und die dunkelste Nacht, und alle Schattierungen dazwischen. […].“

Die Geschichte um Tag und Nacht führt der kleinen Sulwe etwas vor Augen, was ihr die nötige Akzeptanz und Liebe sich selbst gegenüber ermöglicht. Während es mir als Leserin am Anfang schier das Herz zerreißt, wie das kleine Mädchen sich selbst zu ändern versucht, todunglücklich einem Schönheitsideal nacheifert, dem es niemals gerecht werden kann, ist die Veränderung, die über Nacht in Sulwe vorgeht, einfach nur herzerwärmend. Ihr inneres Strahlen bringt auch ihr Äußeres zum Leuchten.

Eine Heldin für Schwarze Kinder

Lupita Nyong’o ist eine oscarprämierte kenianisch-mexikanische Schauspielerin (beste Nebenrolle in „12 Years a Slave“) und eine Autorin, die mit Sulwe eine Heldin geschaffen hat, deren Geschichte besonders dark skinned Kindern helfen soll, von Anfang an in der Gewissheit aufzuwachsen, auch mit ihrer dunklen Haut schön zu sein.

Die Gratwanderung zwischen äußerer, subjektiver Schönheit und dem Strahlen, das von innerer Schönheit ausgeht, gelingt ihr in ihrer Geschichte gut. Ein wenig geht es sicherlich auch um Toleranz, aber vor allem um die Selbstliebe. Respektvoll mit anderen umzugehen und dafür zu sensibilisieren, was wir mit abwertenden Kommentaren bei einem betroffenen Menschen anrichten können, ist ein Teil der Lehren, die man aus dem Buch ziehen kann. Die Macht der Sprache darf niemals unterschätzt werden.

Und nicht zuletzt ist es sicherlich längst nicht allen weißen Menschen bewusst, wie oft sogar unter People of Colour (PoC) Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe (Colorism und Shadeism) vorkommt. Hier spielt auch die Repräsentation von light skinned PoC in Werbung, Film und sonstigen Medien eine deutliche Rolle. Um so wichtiger ist es, dass auch in Büchern – wie hier in einem Bilderbuch für Kinder – die Protagonistin nicht nur Schwarz, sondern auch noch dunkler als in verbreiteten Darstellungen ist.

Strahlend illustriert

Sulwes Geschichte gewinnt unheimlich stark durch die intensiven und strahlenden Illustrationen von Vashti Harrison. Das anfängliche Leid des kleinen Mädchens, die Hilflosigkeit und Betroffenheit der Mutter, die Schönheit der beiden Schwestern Tag und Nacht und all die Details drum herum transportieren die Gefühle und die Magie zu den Betrachterinnen und Betrachtern.

Besonders die Farben und Farbverläufe unterstreichen die Botschaften. Zum Beispiel auf der Seite, deren Text ich Eingangs zitiert habe: Die vier Familienmitglieder sind nebeneinander abgebildet, die Farben im Hintergrund unterscheiden sich dabei genau so sehr, wie die Figuren selbst.

Dabei bildet der Hintergrund gleichzeitig subtil eine Gedankenblase von Sulwe. Viele Seiten oder auch Doppelseiten werden von einzigen großen Bildern gefüllt, die ausgesprochen filigran und kontrastreich gestaltet sind, sich aber überwiegend auf nur eine Botschaft konzentrieren und damit nicht überladen wirken. Besonders die märchenhafte Geschichte um Tag und Nacht ist magisch gestaltet: kleine Ornamente, funkelnde Highlights, goldene und violette Töne, anstatt weiß und schwarz. So wirken die Kontraste zwar stark, aber auch warm und weich.

Stimmig-schönes Gesamtpaket

Auch mit der Übersetzerin hat man eine gute Wahl getroffen – denn wer könnte besser sensibel diese Thematik übersetzen als eine Frau, die selbst dark skinned ist? Das Thema wird dabei immer kindgerecht erzählt, wobei es anfangs begleitet vorgelesen werden sollte. Das gilt durchaus auch für Kinder, die sich mit Sulwe identifizieren können. Denn es kann triggernd wirken, dass besonders am Anfang der Geschichte unverfälscht Sulwes Versuche des (zumindest kindlichen und ungefährlichen) Aufhellens der Haut abgebildet und geschildert werden.

Auch die Reproduktion von rassistischer Sprache bei den Beleidigungen der Mitschülerinnen und Mitschüler von Sulwe scheint mir wenig hilfreich dabei zu sein, andere Schwarze Kinder zu empowern. Allerdings ist es auch nicht an mir, darüber zu urteilen oder dies generell einzuordnen. Und die relevanten (Presse-)Stimmen zu „Sulwe“ scheinen es genauso zu empfinden: empowernd und empfehlenswert.

Sulwe. Lupita Nyong‘o. Illustration: Vashti Harrison. Übersetzung: Prof. Dr. Maisha M. Auma. Mentor Verlag. 2021. BK-Altersempfehlung: Ab 5 Jahren.

Bücherstadt Magazin

Bücherstadt Magazin

Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir sind umgezogen!

Wir sind kürzlich umgezogen und müssen noch einige Kisten auspacken. Noch steht nicht alles an der richtigen Stelle. Solltet ihr etwas vermissen oder Fehler entdecken, freuen wir uns über eine Nachricht an mail@buecherstadtmagazin.de – vielen Dank!

Newsletter

Erhaltet einmal im Monat News aus Bücherstadt. Mehr Informationen zum Newsletter gibt es hier.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner