Leben. Trotz allem: Über Depressionen sprechen „Mein schmerzhaft schönes Trotzdem“ | #OwnVoicesBK

by Satzhüterin Pia

Cover Mein schmerzhaft schönes TrotzdemIn „Mein schmerz­haft schö­nes Trotz­dem“ berich­tet die Redak­teu­rin und Autorin Bar­bara Vor­sa­mer davon, wie es ist, wenn mor­gens ein Ele­fant auf der Brust sitzt: Scho­nungs­los offen erzählt sie von ihren Depres­sio­nen und ande­ren schmerz­haf­ten Erleb­nis­sen. – Von Satz­hü­te­rin Pia

Depres­sio­nen sind mehr als „nur trau­rig“ zu sein, so viel sollte spä­tes­tens mit dem Hash­tag #not­jus­t­sad in den sozia­len Medien deut­lich gewor­den sein. Für Nicht-Betrof­fene ist es aber den­noch schwie­rig zu ver­ste­hen, wie diese Krank­heit ist oder sein kann. Für Betrof­fene ist es hin­ge­gen oft nicht leicht, dar­über zu spre­chen. Bar­bara Vor­sa­mer weiß sehr gut, dass es für alle Betei­lig­ten schwie­rig ist, mit Depres­sio­nen umzu­ge­hen. Genau aus die­sem Grund hat sie ihr Buch geschrie­ben und ihr Inners­tes nach außen gekehrt: um dabei zu hel­fen, zu verstehen.

Über „schwarze Wolken“ und Gefühle …

Das hand­li­che Büch­lein ist prall gefüllt mit Gefüh­len, Ohn­mach­ten, Stra­te­gien, Schmer­zen und Erkennt­nis­sen und damit so viel schwe­rer als es erst ein­mal scheint. Vor­sa­mer nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie über ihre Depres­sion schreibt, davon, wie sie sie nicht erken­nen will, sie weg­ar­gu­men­tiert, und wie sie sie end­lich doch wahr­nimmt, sie the­ra­piert und daran schei­tert und irgend­wie auch wie­der nicht. Sie erzählt von Medi­ka­men­ten, Sui­zid­ge­dan­ken, von schwar­zen Wol­ken, die sie nichts mehr füh­len las­sen. Und sie erzählt davon, wie sie gelernt hat und immer noch lernt, Gefühle zuzu­las­sen, sie zu füh­len und zu verarbeiten.

Unter­teilt und struk­tu­riert wird Vor­sa­mers Erzäh­lung durch the­ma­ti­sche Schwer­punkte mit ein­zel­nen Kapi­teln. Leser:innen ler­nen viel dar­über, wie sich Depres­sio­nen anfüh­len (kön­nen), was man dage­gen tun kann, wie sie mit Trauer zusam­men­hän­gen (oder auch nicht) und schließ­lich, wie man mit ihnen leben kann.

… und darüber hinaus

Neben dem gro­ßen Thema „Depres­sion“ berich­tet Vor­sa­mer zudem von ihrer Migräne, die sie seit Kind­heits­ta­gen beglei­tet und mehr­fach jeden Monat außer Gefecht setzt. Hängt bei­des zusam­men? Hat bei­des jeweils eine Grund­lage? Oder haben man­che Men­schen auch ohne Trauma oder ande­ren Aus­lö­ser sol­che Krank­hei­ten – Depres­sio­nen und Migräne – einfach?

Gefühle hän­gen nicht zwangs­läu­fig direkt mit Depres­sio­nen zusam­men, aber den­noch kön­nen sie Ein­fluss neh­men. Vor­sa­mer legt genauso scho­nungs­los The­men wie ihre Fehl­ge­burt, den plötz­li­chen Tod ihrer Mut­ter und den Unfall­tod der bes­ten Freun­din in Kind­heits­ta­gen offen. Hier wird deut­lich, wieso Depres­sio­nen so anders sind als Trauer und Trau­rig­keit. Außer­dem zeigt die Autorin ein­drucks­voll, wieso Trau­er­be­wäl­ti­gung so wich­tig ist und wie sie selbst durch diese Pha­sen kam – trotz ihrer Vor­be­las­tung, trotz einer Depres­sion, die immer wie­der auf­zu­tre­ten droht.

Erkenntnisse

Bar­bara Vor­sa­mers „Mein schmerz­haft schö­nes Trotz­dem“ ist ein ein­drucks­vol­les Buch, in dem sie ihr Inners­tes öff­net und das dabei so klug und ein­fühl­sam, scho­nungs­los und offen, gefühl­voll, aber auch nüch­tern berich­tend geschrie­ben ist, dass ich es bin­nen weni­ger Tage gele­sen habe. Es regt zum Nach­den­ken an und auch ohne selbst erkrankt zu sein, kann wohl jede:r Leser:in etwas für sich mit­neh­men. Das The­men­spek­trum ist über­ra­schend breit und es gibt viele kluge Über­le­gun­gen zu Femi­nis­mus oder dem gesell­schaft­li­chen und dem eige­nen Kör­per­bild, der (moder­nen) Mut­ter­schaft sowie dem Zusam­men­spiel aus Kör­per, Seele und Geist. Ganz ein­fach dürf­ten einige The­men nicht für alle sein, beson­ders die Schil­de­rung der Fehlgeburt.

Auf den ers­ten Blick mögen die The­men­viel­falt und die anfangs ten­den­zi­ell abwe­gig anmu­ten­den Exkurse wenig zum Thema des Buches – „Leben mit der Depres­sion“ – pas­sen. Trotz­dem schafft es Vor­sa­mer, die Ver­bin­dung sinn­voll her­zu­stel­len: Alles hängt irgend­wie zusam­men, ein Mensch ist mehr als seine Krank­heit, mehr als nur sein Kör­per, sein Geist oder seine Seele, und mehr als die Ent­schei­dun­gen, die er oder sie trifft. Als kurze und kna­ckige Zusam­men­fas­sung eines jeden Kapi­tels gibt uns die Autorin eine Erkennt­nis mit auf den Weg. Diese Ergeb­nisse sind durch­aus all­ge­mein­gül­tig und kön­nen auch den Leser:innen helfen:

Auch die schlimms­ten Gefühle gehen irgend­wann weg – wenn man ihnen genug Raum gibt.

Am Ende kann das Buch aber natür­lich (und vor allem) beim Ver­ständ­nis für und im Umgang mit an Depres­sio­nen erkrank­ten Freund:innen oder Fami­li­en­mit­glie­dern hel­fen. Für selbst erkrankte Men­schen kann es erhel­lend oder hilf­reich sein. Und wenn es schlicht darum geht, sich selbst wie­der­zu­fin­den und nicht so allein zu .

Mein schmerz­haft schö­nes Trotz­dem. Bar­bara Vor­sa­mer. dtv. 2022.

Ein Bei­trag zum The­men­jahr #Own­VoicesBK. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Infor­ma­tio­nen und Hilfe für Betrof­fene und Angehörige
www​.deut​sche​-depres​si​ons​hilfe​.de
www​.dis​kus​si​ons​fo​rum​-depres​sion​.de
www​.fideo​.de (Dis­kus­si­ons­fo­rum für Jugend­li­che ab 14 Jahren)

Tele­fon­seel­sorge: 0800 111 0 111 (24|7 besetzt, kostenfrei)
Deutsch­land­wei­tes Info-Tele­fon Depres­sion: 0800 33 44 5 33 (kos­ten­frei; Mo, Di, Do: 13:00 – 17:00 Uhr & Mi, Fr: 08:30 – 12:30 Uhr)

In aku­ten Kri­sen und bei Sui­zid­ge­dan­ken wen­det euch bitte an behan­delnde Ärzte, Psy­cho­the­ra­peu­ten oder den Not­ruf 112.

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