Kluge Sätze, nichts dahinter?

von | 25.09.2017 | Belletristik, Buchpranger

„Romeo oder Julia“ von Gerhard Falkner hat es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2017 geschafft. Zeilenschwimmerin Ronja kann die Entscheidung der Jury trotz einiger positiver Eigenschaften nicht ganz nachvollziehen.

Während eines Schriftstellertreffens in Innsbruck geschehen seltsame Dinge in Kurt Prinzhorns Zimmer: Jemand hat in seiner Badewanne gebadet und eine Menge schwarzer Haare zurückgelassen. Wenig später verschwinden zu allem Überfluss auch noch sein Schlüsselbund und die Tasche mit den Notizbüchern für einen neuen Roman. Als er dann wenig später in Moskau auch noch kryptische Nachrichten erhält, ist er sich sicher, dass dies kein Zufall mehr ist.

„Romeo oder Julia“ kommt für einen Roman, der für den Deutschen Buchpreis nominiert ist, einem Krimi erstaunlich nahe, lässt jedoch die Spannung eines Krimis größtenteils vermissen. Nicht nur, dass der Verlag in der offiziellen Inhaltsangabe (denn es ist eher eine Inhaltsangabe als ein Klappentext) den Gipfel der Geschehnisse verrät (eine Tote unter einem Hotelfenster), Gerhard Falkner hält sich auch lange bei Nichtigkeiten auf. Tatsächlich ist gerade die zweite Hälfte des Romans sehr ereignislos. Für Spannung muss keinesfalls jede Seite blutig sein oder ständig die Befürchtung bestehen, hinter der nächsten Ecke lauere die Ausgeburt des Bösen. Aber etwas mehr als Haare, Nachrichten und eine Tote unter einem Fenster, die nicht neue Verwirrung, sondern die Lösung und das Ende des „Falls“ bildet, hätte es schon gebraucht.

Trotz der Aufregung, die Kurt Prinzhorn auf Grund der Geschehnisse verständlicherweise empfindet, liest sich der Roman erstaunlich unbeteiligt. Zweifellos ist er gut, intelligent und präzise geschrieben, sodass die 272 Seiten sich flüssig und auch länger am Stück lesen lassen. Ganze Passagen, nicht selten eine oder mehrere Seiten lang, lässt sich Prinzhorn jedoch über Hochkultur, Populärkultur und seine Auslegung davon aus. Dies erscheint dann wie eine Aneinanderreihung von bildungsbürgerlichem Wissen, nur um des bildungsbürgerlichen Wissens willen:

„Da geht sie dann, jedenfalls mir gegenüber, wahrscheinlich, weil das Thema da naheliegt, diesem ganzen abgestandenen Goethe-Institut-Mief auf den Leim, was angeblich deutsche Kultur ist: diesem völlig verfassbinderten Blick auf die alte Bundesrepublik, diesem vergreisten Geliebäugel mit den Einstürzenden Neubauten und neuerdings dem Kindergartengetöse der Open Mikes und Poetry Slams. Plus natürlich dem öden, kanonischen Kino-Mix des sogenannten Neuen Deutschen Films, mit dessen Langweiligkeit die wehrlose Jugend der Welt, die sich noch für Deutsch interessiert, imprägniert und drangsaliert wird.“

Zum einen bildet dies natürlich einen Ausschnitt der Gesellschaft ab, in der sich der Protagonist als Autor bewegt, zum anderen ist es zum Lesen denkbar langweilig. Zumindest, wenn man mehr an der vordergründigen Handlung, dem Rätsel interessiert ist. Aus meiner Sicht ist „Romeo oder Julia“ aber auch nicht tiefgründig genug, um die Handlung in den Hintergrund treten zu lassen. Es gibt allerlei Verweise auf Romane, Dichter, Filme und Musik, verpackt in intelligente Sätze. Dabei hat sich mir jedoch weder die Notwendigkeit dafür im Zusammenhang mit der Handlung erschlossen (zumindest nicht in diesem Ausmaß), noch konnte ich erkennen, dass sie zum kritischen Nachdenken über ein Thema (denn wenn ja, welches?) anregen sollten.

„Romeo oder Julia“ ist ein gut geschriebenes Buch, das neben manchen durchaus überzeugenden Momenten jedoch einige Längen hat, sowohl auf der Handlungsebene als auch darüber hinaus. Für eine Auszeichnung mit dem Deutschen Buchpreis reicht es daher meiner Meinung nach nicht.

Romeo oder Julia. Gerhard Falkner. Berlin Verlag. 2017.

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