KfZ, Kleinkind und Kummerkasten Stine Pilgaard: „Meter pro Sekunde“

by Satzhüterin Pia

„Meter pro Sekunde“ ist der dritte Roman der däni­schen Autorin Stine Pil­gaard, aber die erste Über­set­zung ins Deut­sche. Satz­hü­te­rin Pia hat der Ein­blick in das beschau­lich-chao­ti­sche Leben der Prot­ago­nis­tin gefal­len – als Buch und als Hörbuch.

Aus­ge­rech­net eine wort­ge­wandte Redak­teu­rin lan­det im „Land der kur­zen Sätze“: West­jüt­land. Sie lässt uns Leser:innen in ihr Leben zwi­schen dem Klein­kind-Mama-Sein, ihren Ver­su­chen den Füh­rer­schein zu erlan­gen und ihrer Arbeit als Redak­teu­rin des Lokal­ma­ga­zins, ver­ant­wort­lich für den „Kum­mer­kas­ten“, bli­cken. Man fliegt dank der kur­zen Kapi­tel förm­lich durch das Buch: zwei, drei, vier Sei­ten erzäh­lende Ein­bli­cke hier und dort in ver­schie­dene All­tags­si­tua­tio­nen, dann einen Kum­mer­kas­ten­bei­trag mit Frage und Ant­wort. Die Men­schen schrei­ben dem „Ora­kel“ ihre Pro­bleme und Sor­gen, mit mal wit­zi­gen, mal erns­ten, aber immer mit anek­do­ten­rei­chen und selbst­iro­ni­schen Ant­wor­ten reagiert die Prot­ago­nis­tin im Namen des Kummerkastens.

„Anders Agger schüt­telte den Kopf und sagt, wo Wör­ter sind, ist Hoff­nung.“ (S. 185)

Es braucht nicht Unmen­gen an Wör­tern, um Bil­der zu schaf­fen, Gefühle zu ver­mit­teln und mit char­man­tem Witz zu erzäh­len. Die Spra­che des Romans ist ein­fach, aber bei wei­tem nicht tri­vial. Die Prot­ago­nis­tin, Anhang eines Volks­hoch­schul­leh­rers, bekommt von ihrem Part­ner tref­fend beschrie­ben, warum sie in der Kom­mu­ni­ka­tion mit den Ein­hei­mi­schen anfangs zu schei­tern droht: „Du denkst in Prosa, die Leute hier fas­sen sich aber kurz.“

Die Geschichte selbst ist im Grunde wenig span­nend und mehr wegen ihrer inhalt­lich unauf­ge­reg­ten, aber skur­ri­len Welt inter­es­sant, denn nicht nur West­jüt­land und seine Bewohner:innen sind ein wenig schräg, auch die Ich-Erzäh­le­rin ist es. Mit einem unver­wüst­li­chen und tro­cke­nen Sinn für Humor begeg­net sie den all­täg­li­chen Wid­rig­kei­ten des Lebens – meis­tens klei­nen, sel­ten größeren.

„[…] wie auf einem Schau­bild bewegst du dich zwi­schen drei Fix­punk­ten: KfZ, Klein­kind und Kum­mer­kas­ten.“ (S. 237)

High­lights sind neben den unter­halt­sa­men und durch­aus lehr­rei­chen Kum­mer­kas­ten-Ant­wor­ten beson­ders auch die Fahr­stun­den. Das Talent zum Auto­fah­ren scheint der Prot­ago­nis­tin näm­lich gänz­lich abzu­ge­hen. Ob sie am Ende den Füh­rer­schein schafft? Und wird ihr Klein­kind irgend­wann mehr als „Muh“ sagen?

Der Roman macht Spaß, aber auch das Hör­buch kann ich emp­feh­len. Caro­line Peters liest die Geschichte der namen­lo­sen Prot­ago­nis­tin sehr gelun­gen vor und passt stimm­lich wirk­lich gut – ich habe beim Rein­hö­ren aber fest­ge­stellt, dass ich es in erhöh­ter Lese­ge­schwin­dig­keit bes­ser fände. So ent­schleu­nigt wie die Geschichte ist, darf durch das Lese­tempo gerne ein biss­chen mehr Schwung reinkommen.

Sprach­kunst, Witz und Selbst­iro­nie, Freund­lich­keit und zeit­ge­nös­si­sche The­men im beschau­li­chen Däne­mark – „Meter pro Sekunde“ ist für mich ein klei­nes Lese‑, aber auch Hör­high­light gewe­sen. Und ich freue mich schon jetzt auf kom­mende Über­set­zun­gen von Stine Pil­gaards Romanen.

Meter pro Sekunde. Stine Pil­gaard. Aus dem Däni­schen von: Hin­rich Schmidt-Hen­kel. Kanon. 2022.

Meter pro Sekunde. Stine Pil­gaard. Aus dem Däni­schen von: Hin­rich Schmidt-Hen­kel. Gele­sen von: Caro­line Peters. Kanon. 2022.

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