Katzenregen und Frösche im Hotel

von | 07.11.2018 | Bilderbücher, Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Die Ökosysteme auf unserem Planeten sind äußerst fragil, und wenn wir Menschen eingreifen, kann es schon mal drunter und drüber gehen. Von solchen Verkettungen in der Natur berichtet Gianumberto Accinelli in „Der Dominoeffekt oder die unsichtbaren Fäden der Natur“. Worteweberin Annika ist aus dem Staunen kaum hinausgekommen.

Wegen der Folgen natürlicher Schwangerschaftstest mussten in Panama Stummelfußfrösche in ein Hotel umziehen. Das klingt wie das Rätsel auf einer absurden black-stories-Karte, ist aber tatsächlich wahr. Denn in den USA wurde in den 50er Jahren Krallenfröschen, die ursprünglich aus Afrika stammen, der Urin von Frauen verabreicht, um Schwangerschaften nachzuweisen. Nehmen die Frösche durch den Urin Schwangerschaftshormone auf, produzieren sie selbst Eier.

Als Tests aufkamen, die man nicht im Terrarium halten und mit Fliegen füttern musste, wurden die Krallenfrösche einfach ausgesetzt, und da nahm das Unglück seinen Lauf. Die afrikanischen Einwanderer hatten nämlich einen Pilz an sich, der alle anderen Frösche tötete und sich noch dazu über das Wasser verbreitete. Damit 2006 der Stummelfußfrosch durch den Pilz nicht ausgerottet wurde, mussten die Tiere in ein Hotel umziehen, bevor sie in eine Froschrettungsstation umziehen konnten.

Stolperfallen

Solche und viele andere Verkettungen, die durch das teilweise unüberlegte Verhalten von Menschen ausgelöst wurden, beschreibt Accinelli in „Der Dominoeffekt“ anschaulich und humorvoll und sorgt für viele Aha-Effekte. Er erzählt von Rebläusen, die dazu führten, dass heute in Europa nur noch halb amerikanische Weinpflanzen angebaut werden, den Folgen von Kreuzungen verschiedener Bienenarten, von einem Mückenbekämpfungsmittel, wegen dem man Katzen vom Himmel regnen ließ, und von der Ausbreitung der Kaninchen in Australien.

In einigen Kapiteln widmet sich der Autor weniger den Verkettungen, sondern stellt einige Arten wie den Oktopus oder die Brieftaube vor. Auch diese Kapitel führen den Lesenden die Vielfalt der Natur vor Augen. Gianumberto Accinelli macht mit allen Geschichten darauf aufmerksam, wie wichtig ein sorgsamer Umgang mit der Natur ist, denn einige der Effekte können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Und so lustig sich die Beispiele aus der Natur auch lesen, letztendlich kann der Dominoeffekt für die Natur zur Stolperfalle werden.

Der Autor Accinelli ist Ökologe und versteht also einiges von dem, was er erzählt. Er arbeitet unter anderem daran, Schmetterlinge zurück in die Städte zu bringen. Die deutsche Übersetzung seines Sachbuchs aus dem Sauerländer Verlag ist für den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Kategorie Sachbuch nominiert. Da es ein wichtiges Thema anschaulich und gut verständlich vermittelt und dabei auch den Nerv von älteren Leserinnen und Lesern trifft, kein Wunder!

Krikelkrakel und bunte, unsichtbare Fäden

Die Illustrationen von Serena Viola sind aus verschiedenen Techniken gemischt: Zeichnungen mit Wasserfarben, Buntstiften, Wachsmalkreiden, Bleistift und anderen Stiften, dazu einige Collagenelemente. Während die Bleistiftzeichnungen sehr detailliert angefertigt sind, erinnern besonders die Wachsmal- und Wasserfarbelemente an das Gekrakel von Kleinkindern. Auch wenn das Zusammenspiel der verschiedenen Bestandteile gut funktioniert, waren zumindest für meinen Geschmack die Bilder oft zu unruhig und nicht besonders ansprechend. Dass man das auch anders sehen kann, beweist das Urteil der Jury des Deutschen Jugendliteraturpreises, in der von „künstlerisch anspruchsvollen Illustrationen“ die Rede ist. Was aber auch mir an der Gestaltung sehr gut gefallen hat, sind die bunten Fäden, die das gesamte Buch durchziehen wie die unsichtbaren Fäden der Natur.

In „Der Dominoeffekt“ macht Gianumberto Accinelli die unsichtbaren Fäden der Natur sichtbar. Hoffen wir, dass das Buch genug Leserinnen und Leser findet, damit die Menschen in Zukunft nicht mehr über diese Fäden stolpern.

Der Dominoeffekt oder die unsichtbaren Fäden der Natur. Gianumberto Accinelli. Mit Illustrationen von Serena Viola. Aus dem Italienischen von Ulrike Schimming. Sauerländer. 2017.

 

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