Karten-Kampf

von | 10.03.2019 | Filmtheater

Morgens, 9:59 Uhr in Berlin: Man sitzt vor der Berlinale Homepage und wartet darauf, dass um 10:00 Uhr der Online-Ticketverkauf eröffnet. Morgens, 10:00 Uhr in Berlin: Das Aktualisieren der Homepage zeigt an, der Server ist überlastet. Man solle etwas Geduld haben. Morgens, 10:04 Uhr in Berlin: Die Homepage ist nach mehreren Malen ‚Neu laden‘ wieder erreichbar. Die Tickets sind alle ausverkauft. Geschichtenzeichnerin Celina und Geschichtenerzähler Adrian sind enttäuscht.

An fünf Tagen bestand die Möglichkeit, Karten für einen Film der Berlinale Filmefestspiele online zu kaufen. An allen Tagen haben wir es vergebens versucht. Ist es bei solch einem Ansturm überhaupt möglich, Karten für dieses sehr begehrte Filmfest zu ergattern? Die Frage ist berechtigt, schaut man sich beispielsweise das Gebiet rund um den Potsdamer Platz in der Nacht vor dem Öffnen der Kinokassen an. Menschen übernachten in Einkaufspassagen, eingemummelt in Schlafsäcken oder gleich mit Zelt. Es ist noch kein Bild, wie man es vor der Veröffentlichung eines neuen iPhones kennt, doch nah dran.

Eine elitäre Gesellschaft

Am 17. Februar 2019 endeten die 69. Internationalen Filmfestspiele Berlin, welche neben Cannes sowie Venedig zu den weltweit bedeutendsten Events in der Filmbranche zählen, und mit ihnen die Chance, bis zu 45 Filme zu sehen – von denen nur 17 im Wettbewerb um den goldenen Bären mitmachen – die man sonst nicht im Kino zu sehen bekommt. Filme aus aller Welt, von Regisseur*innen aus verschiedenen Kulturen, die ebenfalls bei den Filmvorführungen anwesend sind, um dort in einer Podiumsdiskussion Fragen zu beantworten.

Ob man diese Filme jemals wieder in deutschen Kinos sehen wird, ist unklar. Immer wieder strahlt der deutsch-französische Sender Arte etwa drei, vier Filme der Berlinale aus, doch der Rest fällt hinten runter und gerät in Vergessenheit, denn eine Ausstrahlung in kleineren Off-Kinos auch nach dem Ende der Berlinale ist nicht geplant. Gerade für jene Besucher, die nicht unbedingt eine Podiumsdiskussion mit den Schauspielern und Regisseuren hören, sondern nur den Film sehen wollen, wären weitere Vorführungen für die breitere Masse eine Möglichkeit, Filme aus anderen Ländern und Kulturen in Deutschland zu etablieren – abseits von großen Hollywood-Blockbustern oder Independent-Filmen.

Diese Exklusivität, viele solcher Filme nur im zehn-Tage-Zeitraum der Filmfestspiele sehen zu können, wo das Erwerben von Karten an Glück oder ungemein gutes Timing grenzt, gibt dem Ganzen einen elitäreren Charakter als es notwendig ist.

Ist es denn der Mühe wert?

Natürlich sollte man sich nun jene Frage stellen, ob sich das Ganze denn nun lohnt. Sollte man es wirklich auf sich nehmen, um zehn Uhr die Berlinale-Homepage im zehn-Sekunden-Takt zu aktualisieren, in der Hoffnung, doch noch eine Karte zu bekommen? Zumal hierbei in Betracht gezogen werden sollte, dass der Großteil der Arbeitnehmer sich frei nehmen muss, um überhaupt an diesem Kampf um die begehrten Karten teilnehmen zu können.

Aus Berichten und eigenen, vergangenen Erfahrungen ist da gut abzuwägen. Höchstens bei jenen Filmen, welche außerhalb des Wettbewerbs laufen, könnte man sein Glück probieren, um wenigstens etwas Berlinale-Luft schnuppern zu können, doch die Filme innerhalb des Wettbewerbs um die eingefärbten Bären scheinen für Normal-Sterbliche unerreichbar. Man muss ein wirklich hartgesottener Cineast beziehungsweise Berlinale-Fan sein, um sich diesem Karten-Kampf stellen zu wollen, es sei denn, man steht eh auf der VIP-Liste.

Illustration: Geschichtenzeichnerin Celina

 

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