Kann Freundschaft tödlich sein?

von | 01.08.2022 | Belletristik, Buchpranger

In „Das Loft“ von Linus Geschke beteuern die Hauptverdächtigen, Sarah und Marc, den Mord an ihrem besten Freund weder gemeinsam noch alleine begangen zu haben. Äußerst kritisch hat Seitentänzerin Michelle-Denise die Aussagen des Paars vernommen und wurde bis zur finalen Auflösung getäuscht.

Ein blutverschmierter Tatort in einem Hamburger Loft stellt die Polizei vor ein großes Rätsel. Was genau ist hier passiert? Fest steht: Die Menge an Blut deutet auf einen grausamen Mord hin, der das Überleben von Henning Järisch ausschließt. Schnell geraten die Mitbewohner des Opfers, das Liebespaar Marc Lammert und Sarah Hauptmann, ins Visier der Ermittlungen. Aber haben sie wirklich ihren besten Freund getötet oder ist der Mörder noch auf freiem Fuß?

Wechselnde Erzählperspektiven, die fesseln

Der Thriller „Das Loft“ von Linus Geschke stieg direkt nach seiner Veröffentlichung auf Platz 16 der Spiegel Bestsellerliste ein. Es handelt sich hierbei um Geschkes ersten Stand-Alone, der den vorangegangen erfolgreichen Buchreihen des Autors in nichts nachsteht. Dabei ist „Das Loft“ sowohl sprachlich als auch inhaltlich komplett anders aufgebaut. Es besticht nicht durch besondere Action oder brutale Morde, wie man sie meist aus anderen Büchern dieses Genres kennt, sondern durch die Schilderung des Innenlebens der Protagonisten. Äußere Handlungen sind zugunsten der inneren reduziert. Infolgedessen liegt der Fokus auf vielen Details und Feinheiten, die in den Erzählungen der Tatverdächtigen und Ermittlern liegen.

Mit den einzelnen Kapiteln wechseln auch die Erzähler. In den Abschnitten des verdächtigen Pärchens wird jeweils aus der Sicht von Sarah oder Marc als Ich-Erzählung berichtet. Man erhält so Einblicke in die Gefühlswelt der Protagonisten. Auch vergangene, persönliche Erlebnisse, wie zum Beispiel die erste Begegnung des Liebespaars oder ein Urlaub zu dritt mit Henning, werden von dem Paar aus der Sicht von Sarah oder Marc rückblickend genauer beleuchtet. Zwischen dem Wechsel der beiden Ich-Erzähler reiht sich noch ein neutraler Erzähler ein, der die Abschnitte im Polizeipräsidium wiedergibt. In diesen Kapiteln erfährt man durch die Gespräche der zuständigen Polizeibeamten wichtige Informationen. Ihre Gefühlswelt wird jedoch lediglich durch ausgesprochene Worte und Beschreibungen von Handlungen wohldosiert offenbart.

Top, die Wette gilt!

Man muss den verschiedenen Erzählern genau zuhören, um auch nur annähernd eine Chance zu haben, das Rätsel um den Mord an Henning Järisch zu lösen. Im Vorwort gibt der Autor diesbezüglich einen Leitfaden zur Lektüre des Buches. Es wird keine unnötigen Wiederholungen geben und man soll nicht alle Aussagen der Handelnden für wahr halten, denn Menschen lügen eben manchmal. Dabei verspricht er, dass es auch bei Einhaltung seiner Ratschläge nicht möglich sein wird, den Mord zu lösen. Dieses kurze Vorwort war ein wirklich gelungener Start in den Thriller, denn die Worte stachelten mich direkt an, Geschke eines Besseren zu belehren und den Fall so schnell wie möglich zu durchschauen. Top, die Wette gilt!

Die Geschehnisse erschienen mir so leicht und klar strukturiert. Nachdem ich zu Beginn mal Marc und mal Sarah des Mordes verdächtigte, war ich mir gegen Ende immer sicherer, was sich genau zugetragen haben könnte und wer Schuld daran war. Es war bis zur letzten Seite spannend und fesselnd.

Aber was soll ich sagen? Geschke sollte Recht behalten. Es war mir tatsächlich nicht möglich, den Mörder zu überführen. Der Autor hat auf den letzten Seiten mein komplettes Lösungsszenario zerstört. Ein wirklich gelungenes und raffiniertes Ende, auf das ich niemals gekommen wäre.

Gelungener Stand-Alone

Ich habe schon zuvor Thriller von Geschke gelesen. Besonders der vierte Fall seines Ermittlerduos Jan Römer und Mütze, „Im Wald der Wölfe“, hat mir gut gefallen und ich hätte nur allzu gerne einen weiteren Fall aus dieser Reihe gelesen. Jedoch hat sich der Autor mit seinem ersten Stand-Alone selbst übertroffen. Durch die wechselnden Erzählperspektiven und den Fokus auf den inneren Handlungen hat der Thriller eine besondere Tiefe, die mich wirklich beeindruckt hat. Das Schlimmste ist bereits vor der ersten Seite passiert: der Mord. Danach führen die Worte, Gespräche und Gedanken der Protagonisten durch die Seiten und es ist mir schwergefallen, das Buch aus der Hand zu legen.

Auf der Premierenlesung von „Das Loft“ am 28. Februar 2022 in Hamburg hat Geschke angekündigt, dass er bereits an einem neuen Thriller schreibt. Auch beim diesem Werk wird es sich wieder um einen Stand-Alone handeln. Das begrüße ich sehr, denn dieser Thriller hat bewiesen, dass man eine gelungene Geschichte nicht über mehrere Bände strecken muss.

Das Loft. Linus Geschke. Piper. 2022.

[tds_note]Hier geht’s zum Bericht über die Premierenlesung in Hamburg.[/tds_note]

Michelle-Denise Oerding

Michelle-Denise Oerding

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