Kann die Sehnsucht nach der Liebe im Tod enden?

von | 13.11.2018 | Belletristik, Buchpranger

[tds_warning]Achtung, Rezension enthält Spoiler![/tds_warning]

Melissa Broder bringt mit ihrem Debütroman „Fische“ ein Buch auf den Markt, welches voller Emotionen, Wiedererkennbarem und Fragen ist, die man sich im Laufe des Lebens stellt. Poesiearchitektin Lena hat das Buch innerhalb von zwei Tagen verschlungen.

„Hallo, ich bin Lucy und habe ein Problem.“

Lucy ist Ende 30, unglücklich und denkt zu viel nach. Ihr langjähriger Freund Jamie will nicht mit ihr zusammenziehen, geschweige denn heiraten. Eigentlich möchte Lucy auch nicht, aber da er es ablehnt, will sie es schließlich doch. Stattdessen trennen sie sich. Es ist der Beginn von viel Zucker, Nachstellungen und einem unbewussten Selbstmordversuch ihrerseits. Daraufhin muss sie einen Zwangsurlaub bei ihrer Schwester in Venice Beach machen, den Hund und das Haus sitten und eine Selbsthilfegruppe aufsuchen. Sie trifft auf das Hühnerpferd, Sara, die ihre Füße mehr bevorzugt als gewöhnlich und Claire, die letztlich in der Psychiatrie landet.

Nach zwei Tinderdates, die sich anders als gewünscht entwickeln, sucht Lucy Trost am Strand und trifft auf Theo, einen Meermann. Sie ist gefesselt und spirituell mit ihm verbunden. Es geht so weit, dass sie sich unsterblich in ihn verliebt und ohne ihn einen richtigen Entzug erlebt, bei dem sie sogar extreme körperliche Schmerzen empfindet. Es gibt nur eine Lösung: Sie muss ertrinken, damit sie zusammenbleiben können.

„Fische“ – Der Meermann, als Beweis für ihre Probleme

„Fische“ ist ein vielseitiges Buch. Zu Beginn ist es nicht schwer, sich mit Lucy zu identifizieren. Ihre Abneigung gegen Pärchen, wenn es einem selber schlecht geht oder die unschönen Dates, die man abgewandelt ebenfalls schon einmal erlebt hat. Auch die Schwierigkeit, sich selber zu lieben und mit Abweisungen umzugehen, ist nicht fremd. Dadurch fühlt man sich mit Lucy verbunden und leidet mit. Als der Meermann auftaucht, wird die Geschichte allerdings unrealistisch und man geht mental auf Abstand. Natürlich ist er nicht real, aber im Buch wird das nicht deutlich und zwischendrin erwischt man sich immer wieder dabei, sich zu fragen, ob er nicht doch existiert. Erst relativ am Schluss gibt es einen Satz, der Klarheit bringt:

„Wäre jemand in der Nähe gewesen, er hätte eine Frau gesehen, achtunddreißig Jahre alt und hoffentlich jünger wirkend, die sich an einem Riesenfisch rieb, oder vielleicht nur an der Luft. Ich wusste nicht, was verrückter wäre.“

Theo verkörpert ihre Wünsche und Ängste. Da diese für sie real sind, ist es Theo ebenfalls. Am Ende des Buches ist Lucy anscheinend überfällig. Die Autorin will den Schein wahren und die Leser noch einmal verwirren, ob Theo nun wirklich real ist oder ein Hirngespinst. Wenn man überlegt, von wem sie schwanger sein könnte, wird einem ganz anders und man ist erleichtert, dass dies nur ein Buch ist.

Faszinierend, fesselnd und anstrengend

Die Verzweiflung und das Begehren nach Liebe und Sexualität, die Sucht danach, begehrt zu werden, kann ich mir nicht so extrem vorstellen, wie es in dem Buch von mehreren Charakteren durchlebt wird. Möglicherweise liegt das daran, dass ich sehr viel jünger bin als Lucy und noch nicht so viel erlebt habe. Lucy ist Ende dreißig und hat eine lange Beziehung hinter sich, bei der sie sich mehr vorgemacht hat, als sie zugeben will. Es fiel mir schwer, nicht andauernd zu denken, dass sie übertreibt und sich nicht so anstellen soll. Dieses Buch kann je nach Lebenslage und Alter anders wahrgenommen und interpretiert werden.

Die ständigen rhetorischen Fragen und philosophischen Ausflüchte sind auf Dauer anstrengend. Auch ihre oft wiederholten Anspielungen auf Sappho (eine antike griechische Dichterin) habe ich schließlich einfach übersprungen. Dennoch ist es Broder gelungen, das Thema „Was will ich und was brauche ich davon wirklich“ zu hinterfragen. Zum Abschluss entscheidet sie sich für die Vernunft und nicht für das Begehren. Aber der Samen der Unvernunft ist dennoch vorhanden und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er erneut anfängt zu sprießen.

Fische. Melissa Broder. Ullstein Verlag. 2018.

 

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