Jeder stirbt für sich allein

by Zeichensetzerin Alexa

Bre­men – Hans Fal­la­das Roman „Jeder stirbt für sich allein“ fand bereits gro­ßen Anklang unter Lesern. Nun ist das Werk als Drama in der bre­mer shake­speare com­pany (Thea­ter am Leib­niz­platz) auf der Bühne zu sehen.

Die Geschichte spielt im Jahre 1940. Es herrscht Krieg, die Nazis beherr­schen Deutsch­land. Als zwei in Ber­lin lebende Ehe­leute von dem Tod ihres Soh­nes hören, begin­nen sie einen Wider­stand. „Der Füh­rer hat mir mei­nen Sohn ermor­det!“, schrei­ben sie auf Post­kar­ten und ver­tei­len sie an Orten, an denen Men­schen fün­dig wer­den kön­nen. Dass sie sich damit einer gro­ßen Gefahr aus­set­zen, ist ihnen bewusst, und doch sind der Schmerz des Ver­lus­tes und der Wunsch etwas gegen den Krieg tun zu müs­sen viel höher. Anna und Otto Quan­gel (Sarah Plutsch­in­ski, Oli­ver Rus­a­nov) erzäh­len ihre wahre Geschichte und brin­gen die Gefühle authen­tisch zum Aus­druck. Ihr Wider­stand bil­det den roten Faden der Geschichte und ist auf der Bühne immer mal wie­der in klei­nen Sze­nen zu sehen.

Die Hin­ter­grund­ge­schichte wird zwi­schen den ein­zel­nen Sze­nen von Georg Elser (Gün­ther Schnei­der) erzählt, ein wei­te­rer Wider­stand­kämp­fer, der zu Leb­zei­ten den Hit­ler­gruß ver­wei­gerte und Bom­ben­an­schläge gegen Hit­ler plante. Am 8. Novem­ber 1939 setzte er seine Pläne in die Tat um. Aller­dings schei­terte das Atten­tat daran, dass Hit­ler den Saal 13 Minu­ten frü­her ver­ließ als vor­ge­se­hen. „Ich habe den Krieg ver­hin­dern wol­len“, äußerte sich Elser 1939. Gün­ther Schnei­der spielte seine Rolle über­zeu­gend und machte deut­lich, wie gut durch­dacht der Anschlag gewe­sen ist. In einer Szene beschreibt er bis ins kleinste Detail was er geplant und wie er die Bombe ange­bracht hat. Nach dem geschei­ter­ten Atten­tat, äußert er den Gedan­ken, dass der Krieg wohl einen ande­ren Ver­lauf genom­men hätte, wäre alles nach Plan ver­lau­fen. So aber endete sein Wider­stand mit der Fest­nahme. Am 9. April 1945, kurz vor dem Ende des zwei­ten Welt­krie­ges, ermor­dete der SS-Ober­schar­füh­rer Theo­dor Bon­gartz Georg Elser durch einen Genickschuss.

„Der Tod kommt aus Deutsch­land“, schreibt DIE ZEIT im Dezem­ber 2013. Der erste Welt­krieg, 1914, der zweite Welt­krieg, 1939. Man fragt sich: was kommt als nächs­tes? Wäh­rend die Gesell­schaft heut­zu­tage in Gleich­gül­tig­keit badet, sich in Sicher­heit wähnt und die Welt­kriege als ver­gan­gene, geschicht­li­che Ereig­nisse betrach­tet, schickt Deutsch­land Sol­da­ten ins Aus­land aus und expor­tiert Waf­fen in Kri­sen­ge­biete. In Hans Fal­la­das Roman wird auf­ge­zeigt, dass sich nicht alle Men­schen belü­gen las­sen, die bit­te­ren Absich­ten hin­ter der Fas­sade erken­nen und dage­gen ankämp­fen. Tru­del Bau­mann (Ann-Kat­rin Stef­fen) tritt dabei mit vol­ler Ener­gie auf, im Rücken eine Wider­stand­gruppe, die sich genauso wie sie für den Frie­den ein­setzt. Schließ­lich ist Tru­del die­je­nige, die Otto auf die Idee bringt, etwas gegen den Krieg zu tun. „Wir könn­ten ihre Maschi­nen zer­stö­ren!“, sagt sie vol­ler Selbst­be­wusst­sein. „Wir könn­ten ihre Pla­kate abrei­ßen!“ Ihre wilde Art, der Ton in ihrer Stimme, die auf­rechte angriffs­lus­tige Hal­tung wecken den Wunsch in einem, sich neben sie zu stel­len und zu unter­stüt­zen. Der Höhe­punkt der Geschichte der Wider­stand­gruppe endet mit dem Auf­hän­gen der Pla­kate: „Jedes Wort das aus Hit­lers Munde kommt ist LÜGE.“ Dar­auf­hin wird Tru­del festgenommen.

Seite an Seite gegen den Krieg, dann kann man wirk­lich etwas bewir­ken, glaubt man. Die Prot­ago­nis­ten in die­sem Stück wir­ken jedoch, trotz ihres selbst­be­wuss­ten, muti­gen Cha­rak­ters, ver­lo­ren. So man­cher kämpft, aber die meis­ten sind Ein­zel­gän­ger. Otto Quan­gels Zel­len­ge­nosse Dr. Rei­chardt sagte dazu: „Es wäre natür­lich hun­dert Mal bes­ser gewe­sen, wir hät­ten einen Mann gehabt, der uns gesagt hätte: So und so müsst ihr han­deln, das und das ist unser Plan. So haben wir alle ein­zeln han­deln müs­sen, und ein­zeln sind wir gefan­gen, und jeder wird für sich allein ster­ben müs­sen. Aber darum sind wir doch nicht allein, darum ster­ben wir doch nicht umsonst. Umsonst geschieht nichts auf die­ser Welt, und da wir ohne rohe Gewalt für das Recht kämp­fen, wer­den wir am Schluss doch die Sie­ger sein.“

Das Drama, das Mitt­woch Pre­mière fei­erte, löst bei den Zuschau­ern ein Wech­sel­bad der Gefühle aus. Trotz des erns­ten The­mas wird mit Komik nicht gespart, sodass man sich so man­ches Mal fragt, ob es in die­sem Stück so ange­bracht ist. Nazis, die als „Clowns“ und nicht ernst zu neh­mend dar­ge­stellt wer­den – wie rea­li­täts­nah ist der Natio­nal­so­zia­lis­mus noch? Wer­den wir in fünf­zig Jah­ren über­haupt noch mit der Ernst­haf­tig­keit des The­mas umge­hen kön­nen? Gegen das Ver­ges­sen set­zen sich in die­sem Stück vor allem die Kin­der vom Bul­len­hu­ser Damm (Thea­ter AG Gesamt­schule Ost) ein. In erdrü­cken­der, dunk­ler Atmo­sphäre, ange­leuch­tet von blauem Licht, ste­hen sie mit dem Rücken zum Publi­kum auf der Bühne. Ein­zeln tritt jedes Kind nach vorne und erzählt die Geschichte eines KZ-Opfers. Kin­der, die ihre Eltern ver­lo­ren haben, die in Gas­kam­mern star­ben. Der Ton ihrer Stimme und ihr Auf­tre­ten lösen Mit­ge­fühl aus, man spürt einen Kloß im Hals, einige Zuschauer haben Trä­nen in den Augen. Das letzte Kind, das sich vor­stellt, bit­tet die Zuschauer, sie und all die ande­ren Opfer des Krie­ges nicht zu ver­ges­sen. Dann zieht es, genauso wie die ande­ren Kin­der zuvor, die Schuhe aus, stellt sie ins Licht der Bühne und ver­lässt diese. Gemein­sam gehen sie aus dem Saal und hin­ter­las­sen eine bedrü­ckende Stimmung.

Beglei­tet wird das Thea­ter­stück mit Per­cus­sion (Chris­tian Hil­taw­sky) und Akkor­deon (Flo­rian Ober­lech­ner), mal laut, mal leise, stets die Geschichte unter­stüt­zend. Die Live-Musik wirkt unhar­mo­nisch, anders, und gerade des­we­gen pas­send zum Stück. Und auch wenn das Stück holp­rig und ver­wir­rend begann, ab der zwei­ten Hälfte über­zeu­gen die Schau­spie­ler mit Kön­nen und Talent, sodass man nach drei Stun­den Auf­ent­halt zufrie­den nach Hause gehen kann.

Alexa

Spiel­plan:
18.06. | 11.00 Uhr und 19.30 Uhr
19.06. | 19.30 Uhr
20.06. | 19.30 Uhr
21.06. | 19.00 Uhr
14 EUR| erm. 8 EUR

Eine Koope­ra­tion mit der Thea­ter­werk­statt der Hoch­schule Bremen.
Wei­tere Infor­ma­tio­nen unter: www​.shake​speare​-com​pany​.com

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