Jeder braucht einen Helden

von | 14.12.2015 | Belletristik, Buchpranger

Jeder braucht einen Helden. Das findet zumindest die siebenjährige Elsa, Protagonistin in Fredrik Backmans neuem Roman „Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr Leid“. Darin erzählt der schwedische Autor eine lustige und berührende Geschichte, und noch dazu ein wunderschönes Weihnachtsmärchen. Worteweberin Annika war jedenfalls von dieser Märchenstunde begeistert.

Elsas Oma ist klasse: Sie lässt ihre Enkelin im Kleiderschrank übernachten, bricht mit ihr in den Zoo ein, um sie aufzuheitern, hat ihr eine Geheimsprache beigebracht und noch dazu nimmt sie Elsa jede Nacht mit ins Land-fast-noch-wach, eine Märchenwelt aus sieben Königreichen voller Träume und Geschichten. Doch Oma ist nicht nur Elsas Heldin, sondern sie ist auch krank, und eines Morgens kommt sie nicht mehr aus dem Land-fast-noch-wach zurück. Für Elsa hat sie ein Abenteuer zurückgelassen, und nun muss die Fast-achtjährige allerhand Briefe austeilen, in denen sich ihre Oma bei den Nachbarn für ziemlich viel entschuldigt. Auf ihrem Abenteuer findet Elsa viele neue Freunde, und das, obwohl Oma sonst immer ihre einzige Freundin gewesen war. An Weihnachten schließlich spitzt sich das Abenteuer zu, doch Elsa ist sich sicher, dass alle Weihnachtsmärchen gut ausgehen müssen. Ob sie Recht behält?

Was vielleicht erst wie ein Kinderbuch klingt, ist doch alles andere als das. Elsa ist eine enorm kluge und aufgeweckte Fast-achtjährige, die auch vor Worten wie „dysfunktional“ und „Apartheid“ nicht zurückschreckt, eigentlich schon fast alles einmal bei Wikipedia nachgelesen hat und nicht so richtig gut damit umgehen kann, wenn jemand Grammatikfehler macht. Das ist es auch, was Backmans Roman so sympathisch macht, denn Elsas Blick auf die Welt ist ein ganz besonderer. Das ist auch sprachlich umgesetzt, wenn Elsa zum Beispiel vom „Halben“ statt von ihrem ungeborenen Geschwisterchen spricht, aber gleichzeitig mit Fremdwörtern um sich schmeißt. Außerdem entstehen dadurch Vergleiche, die aufregender und lustiger sind, als es ein Ausflug in eine Bonbonfabrik je sein könnte. Dazu kommt noch die zauberhafte Märchenwelt, das Land-fast-noch-wach, das auch Einzug in Elsas richtige Welt hält. Die Märchenelemente sind sehr liebevoll ausgearbeitet und machen Lust, selbst einmal in dieser Welt vorbeizuschauen.

Neben Elsa machen auch die anderen Figuren Spaß: allen voran natürlich Oma, die Nachbarinnen mit Paintballgewehren beschießt, die Toilettentür immer offen stehen lässt und auch sonst allerhand skurrile Einfälle hat, aber auch die restlichen Hausbewohner, wie die Frau im schwarzen Rock, die um ihre im Tsunami verstorbene Familie trauert. Und hier sieht man schon, dass Backman auch vor den dunklen Punkten des Lebens nicht Halt macht. Kriegstraumata, Depressionen, Ehebruch, und Mobbing sind nur einige Dramen, die genau so zur Märchenwelt gehören wie die fröhlichen Stunden am Weihnachtsabend. Auch hier wieder ist es Elsas kindlich-erwachsener Blick, der all diese traurigen Geschehnisse viel intensiver, aber gleichzeitig weniger verzweifelt erscheinen lässt. Schließlich glaubt Elsa immer noch daran, dass es ein gutes Ende geben muss.
Wer Lust auf eine lustige, aber gleichzeitig auch sehr bewegende und nachdenkliche Lektüre hat, sollte hier auf jeden Fall zugreifen.


Oma lässt grüßen und sagt, es tut ihr Leid. Fredrik Backman.

Aus dem Schwedischen von Stefanie Werner. Fischer Krüger Verlag. 2015.

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